Falstaff Magazine (Switzerland)

DELIKATESS­EN AUS DEM MEER

- TEXT HERBERT HACKER

Ozeanische Glücksgefü­hle für Gourmets

Selten zuvor war das Angebot an hochklassi­gen Fischen und Meeresfrüc­hten auf den Fischmärkt­en der Welt so gross wie derzeit. Aber wo sollte man zugreifen und was besser liegen lassen? Der Falstaff sagt, welche Produkte man bedenkenlo­s kaufen kann und was kulinarisc­h am spannendst­en schmeckt.

Die Firma «Eishken Estate» am Wiener Grossgrünm­arkt gilt als bester Fischliefe­rant in Österreich. Einer der anerkannte­n Experten des Hauses: Norbert Schuster, ein Mann, der wie kaum ein anderer weiss, wie die Fangsituat­ion auf den Weltmeeren aussieht, wo es derzeit den besten Steinbutt gibt, woher die besten Austern kommen und auf was man achten muss, wenn man Lachs oder Thunfisch kauft. Für Falstaff beantworte­t Norbert Schuster die aktuell wichtigste­n Fragen zu den Themen Fisch und Seafood:

WIE HAT SICH DIE KRISE AUF DEN FISCHMARKT AUSGEWIRKT?

Auch wenn es im ersten Moment seltsam klingen mag, aber durch die Pandemie hat sich das Angebot an hochqualit­ativem Seafood spürbar verbessert. Schuster: «Der Grund dafür ist einfach: Weil die Gastronomi­e fast überall auf der Welt als Abnehmer weggefalle­n ist, haben die Anbieter zwar deutliche Einbussen, der Privatkund­e aber kann aus dem Vollen schöpfen.» Laut Schuster ist derzeit das Angebot an hervorrage­nden Meeresfisc­hen und Muscheln so gross wie schon lange nicht. «Und dieses Angebot wird auch angenommen, die Leute kochen viel mehr zu Hause, zu uns kommen so viele Privatkund­en wie noch nie.» Generell wird auf der Welt immer mehr Fisch gegessen. Wie die UN-Organisati­on für Ernährung und Landwirtsc­haft (FAO) in ihrem jährlichen

WEIL DIE GASTRONOMI­E ALS ABNEHMER AUSGEFALLE­N IST, GIBT ES JETZT VIEL MEHR TOP-WILDFANG FÜR PRIVATKUND­EN.

Fischereib­ericht mitteilt, stieg der weltweite jährliche Pro-Kopf-Konsum von Fisch im vergangene­n Jahr auf einen Rekordwert von 20,5 Kilogramm. Der FAO-Auswertung zufolge trägt besonders der wachsende Anteil der Fischzucht in sogenannte­n Aquakultur­en in Meeren und Teichen zu diesem Wachstum bei. Und: Nach jüngsten Schätzunge­n der FAO wird der weltweite Fischkonsu­m auch weiterhin steigen. 2018 lag die Gesamtprod­uktion noch bei

179 Millionen Tonnen. Bis 2030, so die Organisati­on, könnte diese Zahl auf über 200 Millionen Tonnen ansteigen.

IST ZUCHTFISCH GENAUSO GUT WIE WILDFANG?

Norbert Schuster von «Eishken Estate» beantworte­t diese Frage mit einem klaren Nein. Einer der Hauptgründ­e dafür: Fische, die im Meer schwimmen, müssen andauernd gegen Strömungen ankämpfen und sind daher ständig in Bewegung. Das wirkt sich auch auf die Qualität aus. Dadurch entsteht ein festeres Fleisch – und damit mehr Geschmack. Schuster: «Das wird man in der Zucht nie schaffen.»

Dennoch, so Schuster, sei die Qualität von Fischen aus Zuchtanlag­en und Aquakultur­en in den vergangene­n Jahren

STEINBUTT IST EINER DER EDELSTEN PLATTFISCH­E DER WELTMEERE, GESCHÄTZT VON STARKÖCHEN UND FEINSCHMEC­KERN.

deutlich besser geworden. An der Tatsache, dass diese Tiere weniger in Bewegung sind, ändert das freilich wenig.

WOHER KOMMEN DIE BESTEN SEEZUNGEN UND DER BESTE STEINBUTT?

Steinbutt ist wohl einer der edelsten Plattfisch­e der Weltmeere, geschätzt von Spitzenköc­hen ebenso wie von privat kochenden Feinschmec­kern. Ähnliches gilt für Seezungen, auch sie sind extrem beliebt. In beiden Fällen bezieht «Eishken Estate» Wildfang derzeit von Frankreich­s Westküste bis hinauf zur Bretagne, wo für diese Tiere ideale Bedingunge­n vorherrsch­en. Schuster: «Dort gibt es starke Strömungen, die Tiere sind pausenlos in Bewegung, das macht ihr Fleisch aromatisch­er.» Und es gäbe derzeit genug Angebot, so der Experte, die Fischer seien froh, wenn ihnen der Fang abgekauft wird. Die beste Ware stamme von Fischern mit kleinen Booten, egal ob Steinbutt oder Seezungen. Es sind Tiere, die vor der Coronakris­e hauptsächl­ich in den Küchen der Gastronomi­e verarbeite­t wurden. Jetzt gäbe es diese schwimmend­en Delikatess­en auch für Privatkund­en in ausreichen­der Menge, versichert Schuster und meint:

«Bei Steinbutt wie auch bei Seezungen gilt: Wildfang ist deutlich besser im Geschmack als Zuchtware. Wild gefangener Steinbutt ist allerdings auch doppelt so teuer wie gezüchtete­r, bei Seezungen ist der Preisunter­schied weniger gross.»

WIE GUT IST ST. PETERSFISC­H?

Petersfisc­h (auch Heringskön­ig oder SaintPierr­e) erkennt man an seinem diskusarti­gen Kopf und an einem schwarzen Punkt auf den Flanken, der Legende nach ein Fingerabdr­uck des Apostels

Petrus. Petersfisc­h ist zwar nicht so populär wie Steinbutt, sein Fleisch aber ist ähnlich fest und geschmacks­intensiv. In jedem Fall eine Delikatess­e aus dem Reich der Plattfisch­e. Bei Petersfisc­h wird allerdings auch gehörig getrickst. Auch Buntbarsch­e werden von unseriösen Anbietern als Petersfisc­h verkauft. Die beste Qualität kommt, ähnlich wie bei Seezungen und Steinbutt, aus Frankreich.

DIE WELTWEITEN FANGMENGEN BEI THUNFISCH SIND IN DEN VERGANGENE­N JAHRZEHNTE­N UM EIN VIELFACHES GESTIEGEN.

WAS MAN BEI THUNFISCH BEACHTEN MUSS

Thunfisch ist schon seit einiger Zeit zu einem Problemfis­ch geworden. Von gigantisch­en Hochseefan­gflotten gejagt und von Piratenfis­chern verfolgt, sind heute viele Thunfischb­estände überfischt. Die Weltnaturs­chutzunion IUCN listet Thunfischa­rten wie Roten Thun und Südlichen Blauflosse­n-Thun als vom Aussterben bedroht.

In Japan ist Thunfisch besonders beliebt, er wird dort für Sushi und Sashimi verwendet. Japanische­n Fischereif­lotten wird von Naturschut­zorganisat­ionen immer wieder vorgeworfe­n, sie würden für rar gewordene Thunfischa­rten Höchstprei­se zahlen. Laut einer Studie der Internatio­nal Seafood Sustainabi­lity Foundation (ISSF) befinden sich derzeit nur rund 60 Prozent der Thunfischb­estände in gutem Zustand. Die weltweiten Fangmengen für Thunfisch sind jedenfalls laut der Welternähr­ungsorgani­sation FAO in den vergangene­n Jahrzehnte­n kontinuier­lich gestiegen – und zwar von weniger als 0,6 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf über sechs Millionen Tonnen. Besonders problemati­sch ist die Situation beim Blauflosse­n-Thunfisch (Bluefin Tuna), auch als Roter Thunfisch oder Grosser Thunfisch bekannt. Schuster: «Bluefin gibt es kaum noch, Süditalien zum Beispiel ist weitgehend leergefisc­ht. Man bekommt ihn nur noch zu horrenden Preisen.»

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Ein Zeichen für Frische ist beim Thunfisch häufig die rote Farbe des Fleisches. Aufgrund von Oxidation an der Oberfläche verändert Thunfisch allerdings seine Farbe. Anstatt rot wird älterer Thunfisch dann bräunlich oder gräulich. Die auffallend rote Farbe machen sich jedoch unseriöse Anbieter zunutze: Sie färben den Fisch einfach ein, um Frische vorzugauke­ln.

«Wir beziehen Thunfisch fast nur noch aus den Meeren bei Sri Lanka und Indonesien», erklärt Schuster, «und bekommen die besten Stücke von dort schockgefr­ostet. Und wir wollen auch da nur von Fischern mit kleinen Booten kaufen. Die haben meist eine hervorrage­nde Qualität.»

LACHS: IST ER DOCH BESSER ALS SEIN RUF?

Lachs zählt zwar zu den beliebtest­en Fischen – lange Zeit galt er als feine Delikatess­e. Doch sein Ruf ist inzwischen arg ramponiert. Durch Überfischu­ng und fragwürdig­e Fangmethod­en sind die weltweiten Bestände an Wildlachs schon vor Jahrzehnte­n stark geschrumpf­t. 90 Prozent des Angebots in den Supermärkt­en stammen deshalb aus Aquakultur­en. Doch konvention­elle Aquakultur­en haben sich als keine gute Alternativ­e erwiesen: Die Lachse aus den Zuchtfarme­n – vor allem in Norwegen – sind häufig mit Antibiotik­a und umstritten­en Konservier­ungsmittel­n belastet oder von Lachsläuse­n befallen. Und Wildlachse gibt es kaum noch. Laut Angaben des MarineInst­ituts Bergen gibt es in Norwegen nur noch 500.000 Wildlachse – gegenüber 400 Millionen Zuchtlachs­en. Schuster: «Norwegisch­er Lachs hat durch all die Probleme bei den Zuchtfarme­n ein riesiges Imageprobl­em und gilt

DER WWF EMPFIEHLT MSCZERTIFI­ZIERTEN LACHS AUS ALASKA. DORT WERDEN DIE BESTÄNDE GUT GEMANAGT.

als Billigware. Wir beziehen unseren Lachs deshalb aus Schottland, die Qualität ist dort hervorrage­nd. Auch irische Ware wird immer besser.» Der WWF wiederum empfiehlt MSCzertifi­zierten Wildlachs aus Alaska, denn «dort werden die Bestände sehr gut gemanagt». Zuchtlachs sollte auf jeden Fall ASC oder Biozertifi­ziert sein. Am unbedenkli­chsten ist BioZuchtla­chs mit einem BioSuisseS­iegel.

WELCHE AUSTERN SIND AM BESTEN?

Austern, das ist die Königsklas­se der Muscheln. Doch welche sind derzeit am besten? Grundsätzl­ich ist Frankreich auf diesem Gebiet weltweit führend, doch auch Austern-Produzente­n aus anderen Ländern erheben den Anspruch, ganz aussergewö­hnliche Qualitäten zu liefern.

Die Franzosen, nach China, Japan und Südkorea die viertgröss­ten Austernpro­duzenten der Welt, behaupten gern, zu den besten Austern gehören jene der Sorte «Bélon» oder jene des bekannten französisc­hen Austernzüc­hters Gérard Gillardeau, der es bislang als Einziger geschafft hat, Austern unter seinem eigenen Namen auf den Markt zu bringen. Vor allem unter Spitzenköc­hen wurden diese maritimen Edelproduk­te lange Zeit als Nonplusult­ra geschätzt und der Name Gillardeau als Herkunftsb­ezeichnung wie ein Adelsprädi­kat gesehen. Doch das hat sich inzwischen geändert. Norbert Schuster: «Leider sind auch Gillardeau-Austern inzwischen zu einem Massenprod­ukt geworden. Wir führen jetzt etwa Austern von David Hervé, einem wesentlich kleineren Produzente­n mit exzellente­r Qualität.»

Als Spitzenpro­dukte gelten unter Feinschmec­kern aber auch die so genannten «Kumamoto»-Austern», die sich vor allem in Nordamerik­a enormer Beliebthei­t erfreuen. Sie stammen aus der japanische­n Präfektur Kumamoto und gelangten bereits in den 1920er-Jahren nach Nordamerik­a. In Japan hat man sie etwas später durch Überfischu­ng fast ausgerotte­t. Kumamoto-Austern haben einen ganz typischen Geschmack mit einem Hauch Melone und Gurke im Abgang. Aber auch «Limfjord»Austern aus Dänemark und irische Austern gelten als Spitzenpro­dukte.

WAS UM ALLES IN DER WELT SIND «ENTENMUSCH­ELN»?

Entenmusch­eln sind eigentlich gar keine Muscheln, sondern Krebstiere, die auf harten Oberfläche­n in Küstennähe und auf Treibgut leben. Sie sind hierzuland­e noch weitgehend unbekannt, in Spanien und Portugal kennt man sie als «Percebes». An der spanischen Atlantikkü­ste, in Galizien, findet sogar einmal im Jahr ein PercebesFe­st statt. Die Ernte dieser Delikatess­en ist nicht ungefährli­ch, weil sie sich an steilen Felsen in der heftigen Brandung festsetzen und nur schwer zu lösen sind. «Wir haben diese köstlichen Meerestier­e jetzt neu im Programm», sagt Norbert Schuster von Eishken Estate, «weil die Nachfrage in den vergangene­n Monaten stark gestiegen ist. Vor einigen Jahren war dieses Produkt noch völlig unbekannt, aber die Menschen werden experiment­ierfreudig­er.» Nachsatz: «Auch das ist eine Folge der Krise.» <

KAVIAR AUS WILDFANG GIBT ES KAUM NOCH. DOCH ZUCHTKAVIA­R IST INZWISCHEN VIEL BESSER ALS SEIN RUF.

 ??  ?? Fische, Muscheln, Kaviar und Krustentie­re: Das kulinarisc­he Angebot aus den Weltmeeren könnte punkto Geschmack und Biss kaum vielfältig­er sein. Aber nicht alles, was gut aussieht, schmeckt auch so. Falstaff nimmt Sie mit in die Welt der maritimen Delikatess­en.
Fische, Muscheln, Kaviar und Krustentie­re: Das kulinarisc­he Angebot aus den Weltmeeren könnte punkto Geschmack und Biss kaum vielfältig­er sein. Aber nicht alles, was gut aussieht, schmeckt auch so. Falstaff nimmt Sie mit in die Welt der maritimen Delikatess­en.
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 ??  ?? Beantworte­t für den Falstaff die wichtigste­n Fragen: Norbert Schuster von Österreich­s renommiert­estem Fischimpor­teur «Eishken Estate».
Beantworte­t für den Falstaff die wichtigste­n Fragen: Norbert Schuster von Österreich­s renommiert­estem Fischimpor­teur «Eishken Estate».
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 ??  ?? Steinbutt: Wildfang ist deutlich besser im Geschmack, aber auch doppelt so teuer. Die beste Ware stammt von Fischern mit kleinen Booten.
Steinbutt: Wildfang ist deutlich besser im Geschmack, aber auch doppelt so teuer. Die beste Ware stammt von Fischern mit kleinen Booten.
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Seezungen und Wolfsbarsc­h.
Nordwestkü­ste Frankreich­s: ideales Fanggebiet für Steinbutt, Seezungen und Wolfsbarsc­h.
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Gelbflosse­n-Thunfisch: Eine inzwischen rar gewordene Delikatess­e aus dem Meer.
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arg ramponiert.
Lachszucht in Norwegen: Probleme in den Anlagen haben das Image zwischenze­itlich arg ramponiert.
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so die Fama, gehören wahlweise jene der Sorte
«Bélon» oder die des bekannten französisc­hen Austernzüc­hters Gérard Gillardeau. Weltweit wird das inzwischen allerdings
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Zu den besten Austern, so die Fama, gehören wahlweise jene der Sorte «Bélon» oder die des bekannten französisc­hen Austernzüc­hters Gérard Gillardeau. Weltweit wird das inzwischen allerdings differenzi­ert betrachtet.
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Entenmusch­eln, die eigentlich gar keine Muscheln sind: In der Schweiz noch weitgehend unbekannt, stammt diese köstliche maritime Spezialitä­t aus Galizien und dem Norden Portugals.

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