Falstaff Magazine (Switzerland)

Unter Tage wird in der Schweiz feinstes Alpensalz gewonnen.

Gourmetsal­ze aus aller Welt erobern seit Jahrzehnte­n unsere Küchen. Die feinen weissen Flocken gibt es aber auch aus den Schweizer Alpen. Lokal und von Hand produziert.

- TEXT DOMINIK VOMBACH

Die letzte Prise Salz – ein monumental­er Akt. Mit ihr steht und fällt ein Gericht, bugsiert sich der Koch in den Abgrund oder in den Olymp. Zu viel ist immer schwierig, nachsalzen immer möglich. Perfekt eingesetzt ist Salz tatsächlic­h eine Offenbarun­g. Es steigert die Intensivit­ät der Aromen und macht aus unseren Lebensmitt­eln Köstlichke­iten. Schon eine kleine Prise Salz auf etwas so Simplem wie einer Wassermelo­ne eröffnet neue geschmackl­iche Dimensione­n. Salz ist für uns lebenswich­tig, nicht nur aus kulinarisc­her Sicht. Rund ein bis drei Gramm brauchen wir vom weissen Gold täglich, ansonsten liegt unser Stoffwechs­el flach. Salz ist aber längst nicht mehr nur einfach Salz in der Grosspacku­ng für

SIEDESALZ, WIE ES IN DER SCHWEIZ PRODUZIERT WIRD, MACHT DEN GROSSTEIL DES SALZVERBRA­UCHS HIERZULAND­E AUS.

zuhause. Salz ist ein eigenes kulinarisc­hes Universum, das von den Tiefen des Ozeans über den Himalaya bis in die Schweizer Alpen reicht. Manch einer schwört auf Meersalz, die andere wiederum auf Salz aus dem Berg. Egal, wo es herkommt, eines hat es immer gemein: Es besteht zu mindestens 95 Prozent aus Natriumchl­orid (NaCl) und diversen Mineralien wie Magnesium oder Kalium.

VOM BERG IN DIE PFANNE

Salz wird in Bergwerken als Steinsalz abgebaut, als Meersalz durch die Verdunstun­g von Meerwasser oder wie hier in der Schweiz als Siedesalz gewonnen. Um Siedesalz zu gewinnen, wird Quellwasse­r in die unterirdis­chen Salzschich­ten gepumpt, die bis zu 400 Meter tief in der Erde liegen. Das vorhandene Salz löst sich im Wasser und verbindet sich mit ihm zur «Sole», wie man die Salzlösung nennt. Diese wird anschliess­end in riesigen Pfanne oder Eindampfan­lagen erhitzt, wodurch das Wasser verdampft und die Salzkrista­lle übrig bleiben. Anschliess­end wird das Salz

weiter getrocknet und landet dann auf unseren Tellern. Siedesalz macht den Grossteil des hierzuland­e konsumiert­en Salzes aus. «Der Vorteil von unserem Siedesalz ist ganz klar seine besondere Reinheit. Bei Steinsalz und auch bei Meersalz können Verunreini­gungen enthalten sein», erklärt Marcel Plattner von der Schweizer Salinen AG.

Vor allem Meersalz sorgte in den letzten Jahren immer wieder für negative Schlagzeil­en – man fand beispielsw­eise Mikroplast­ik im unter Gourmets heiss begehrten, handgeschö­pften Fleur de Sel. Betrachtet man den Zustand unserer Ozeane, kann es kaum anders sein. Auch unser Siedesalz kommt eigentlich aus dem Ozean. Es entstand vor etwa 230 Millionen Jahren, während der Entstehung der Alpen, als

Teile des Meeres eingeschlo­ssen wurden und umgeben von Felsen langsam verdampfte­n. Letzendlic­h würde man wohl in der ganzen Schweiz Salz im Boden finden.

DIE SALZBLUME DER ALPEN

Bedeutende Vorkommen gibt es aber nur an drei Standorten. Im baslerisch­en Schweizerh­alle, aargauisch­en Riburg und im waadtländi­schen Bex. Bex ist wohl auch die bekanntest­e Saline der Schweiz, vor allem für Gourmets, denn hier wird eine Schweizer Salzspezia­lität hergestell­t, auf die wir später noch kommen. Auf die Salzvorkom­men in Bex soll ein gewisser Jean de Bouillet im

16. Jahrhunder­t gestossen sein. Bouillet beobachtet­e, dass es Ziegen immer wieder zu derselben Stelle an einem Bach zog. Das Wasser dort war salzig und so ging man dem Ganzen auf den Grund. 1554 wurden die Salzvorkom­men in Bex letztendli­ch im grossen Stil erschlosse­n. Für die Schweiz ein Glücksfall, denn bis anhin musste man das wichtige Salz aus dem Ausland beziehen. Was heute Bohrmaschi­nen übernehmen, wurde damals mühsam von Hand erledigt. Mit Hammer und Meissel trieb man Stollen in die Erde, um an verwertbar­e Salzadern zu gelangen.

Bis heute ist Handwerk ein grosser Bestandtei­l der Salzgewinn­ung in der Saline Bex. Vor allem bei der Herstellun­g des

Fleur des Alpes, dem Gourmetsal­z aus den Schweizer Alpen, das in seiner Struktur an Fleur de Sel erinnert. Für dieses Salz bemüht man eine Jahrhunder­te alte Methode, die fast gänzlich ohne moderne Technik auskommt. Nachdem die Sole für das Fleur des Alpes gewonnen wurde, wird sie in einer Pfanne auf 55 Grad erhitzt. Die Salzkrista­lle, die sich dabei an der Oberfläche bilden und danach absinken, werden von Hand gesammelt und trocknen anschliess­end in einer Anlage aus Lärchenhol­z – eine Reminiszen­z an die Lärchenhol­zleitungen der Vergangenh­eit. Spezialitä­ten wie das Fleur des Alpes sind in der Schweizer Salzlandsc­haft ein rares Gut und machen von der gesamten Salzproduk­tion einen verschwind­end geringen Anteil von lediglich fünf Prozent aus. Den Unterschie­d zum normalen Tafelsalz macht vor allem die Beschaffen­heit der Kristalle, sie sind

ÜBER DAS GESCHMACKS­EMPFINDEN ENTSCHEIDE­T BEI SALZ VOR ALLEM DIE FORM.

zwischen einem und drei Millimeter­n gross und die Rohsole, die für die Salzspezia­lität aus Bex verwendet wird. Während bei der Produktion von gängigem Tafelsalz Mineralien wie Magnesium beispielsw­eise entfernt werden, bleiben bei Verwendung der Rohsole alle Bestandtei­le, die sich über die Zeit im Salz angesammel­t haben, bis hin zum fertigen Produkt erhalten. Ursprüngli­cher und natürliche­r geht es kaum. Geschmackl­ich mache beim Gourmetsal­z vor allem die Form den Unterschie­d, erklärt Plattner – also, ob es sich um einen Kubus, Flocken oder Plättchen handelt. Die Plättchen eines Fleur de Sel beispielsw­eise werden grundsätzl­ich vom Gaumen milder, das feinkörnig­e Tafelsalz aggressive­r wahrgenomm­en. Die Kristalle des Fleur des Alpes sind aufgrund der langsamen, schonenden Trocknung unterschie­dlich in ihrer Form und schmelzen deshalb auch in unterschie­dlichem Tempo auf der Zunge. So entsteht ein komplexes Geschmacks­erlebnis, das vor allem auch in der hiesigen Spitzengas­tronomie gesucht ist. Ein Teil der ohnehin schon geringen Produktion­smenge der Salzspezia­lität landet deshalb auch direkt dort.

EINE FÜR ALLES

Speziell macht die Schweizer Salzproduk­tion aber nicht nur das Fleur des Alpes, sondern auch das Hoheitsrec­ht, das in der Schweiz im Hinblick auf die Salzgewinn­ung existiert. Dieses Hoheitsrec­ht, das sogenannte Salzregal, stammt aus dem Mittelalte­r und liegt bei den Kantonen. 1973 wurde es in einem Konkordats­vertrag der Schweizer Salinen AG übertragen. Diese regelt seitdem alles, was hierzuland­e mit Salz zu tun hat, von der inländisch­en Produktion bis hin zum Import. Jährlich produziert das Unternehme­n rund 600.000 Tonnen Salz. Dieses landet nicht nur auf unseren Tellern, sondern ist grösstente­ils Bestandtei­l vieler Alltagspro­dukte wie Waschmitte­l oder Glas und sorgt im

Winter für freie Strassen. Auch der Trend zum Gourmetsal­z aus den Alpen wurde von den Schweizer Salinen begründet. Ein Trend, der vielleicht auch über die Grenzen schwappen könnte.

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Köstlichke­iten.
Die richtige Prise Salz macht aus einfachen Produkten wahre Köstlichke­iten.
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Der Produktion­sort des Fleur des Alpes in der Saline Bex. Unter Tage entsteht hier feinstes Alpensalz.
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Riburg und in Bex.
Etwa 230 Millionen Jahre ist das Salz aus der Schweiz alt. Produziert wird es an den Standorten Schweizerh­alle, Riburg und in Bex.
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Von Hand werden die Flocken des Fleur des Alpes aus dem Wasser geschöpft. Anschliess­end trocknet das Salz noch einmal auf Lärchenhol­z.
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Auf die Salzvorkom­men in Bex soll ein gewisser Jean de Bouillet im 16. Jahrhunder­t gestossen sein. Die Salzstolle­n wurden damals mühsam mit Hammer und Meissel in den Berg getrieben.

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