Falstaff Magazine (Switzerland)
VORNEHME BLÄSSE
Die Weinwelt färbt sich immer mehr rosa: Kein Weintyp weist in den letzten Jahren höhere Zuwachsraten auf. Und die hellfarbenen Weine aus roten Trauben sind nicht nur hübsch anzusehen – sie gestatten auch ein weites Spektrum hochwertiger Wein-Charaktere.
Das wachsende Rosé-Angebot bietet Aroma-Überraschungen
Im Finale der diesjährigen Falstaff Rosé-Trophy Deutschland standen 15 Weine, und noch vor dem ersten Beschnuppern der Gläser erfreute schon das Farbenspiel die Verkoster: Zarte Pastelltöne dominierten, bis hin zu strohgelben Farben, die nur einen Anflug von Rosa in ihren Reflexen erahnen liessen. Ganz eindeutig: Die Muster mit kräftigeren Rosatönen, mit einem klassischen Lachsrosa oder gar mit kirschroten Nuancen waren deutlich in der Minderheit. Beim Rosé scheint es sich derzeit ähnlich zu verhalten wie beim Strandurlaub: Chic ist vor allem der blasse Teint.
Diese Beobachtung dürfte vor allem zwei Gründe haben: Zum einen dominiert das Vorbild der Provence die Welt der Rosés – heute mehr denn je. Und die Provencalen sind Meister der Pastelltöne. Zum Zweiten legen auch die Winzer in Deutschland, Österreich und der Schweiz heute ungleich mehr Ehrgeiz als früher in ihre Rosés. Die
IM TOP-SEGMENT GIBT ES KAUM NOCH EINEN UNTERSCHIED ZWISCHEN ROSÉ UND BLANC DE NOIRS, SO SORGFÄLTIG ARBEITEN DIE WINZER.
meisten Weingüter erzeugen in ihrem Produktspektrum mindestens einen hellen Prestigewein aus dunklen Trauben. Für diese Flaggschiffe verwenden sie Lesegut, das durch seine Reife und Gesundheit mühelos gut genug wäre, um auch Rotwein hervorzubringen. Diese Trauben werden nun jedoch nicht gemaischt, sondern so schnell und schonend transportiert und gepresst, dass so gut wie gar keine Farbe aus den Beerenschalen ausgelöst wird. Daher gibt es im TopSegment kaum noch eine Grenze zwischen «Rosé» und «Blanc de noirs»: De facto stellte die Falstaff-Jury bei den diesjährigen Verkostungen sogar fest, dass viele Rosés ähnlich wenig oder sogar weniger Farbe besitzen als Weine, die mit der Bezeichnung «Blanc de noirs» etikettiert waren.
Ein Beispiel für einen solchen Rosé ist der Siegerwein aus dem Weingut Aldinger, ein echter Geniestreich von Matthias und Hansjörg Aldinger. «Wir haben in der Lage
Untertürkheimer Gips einen uralten Trollinger-Weinberg», berichtet Matthias Aldinger. «Da hat uns gereizt, den Trollinger, der ja ohnehin nie viel Farbe hat, mal wie eine weisse Sorte zu behandeln.
Der Ansatz war, zu beweisen, wie sehr der Trollinger das Terroir widerspiegelt.»
Ein Beweis, der vollauf gelungen ist. Die Falstaff-Jury konnte sich der Magie dieses Weins nicht entziehen, bei dem man eigentlich kaum zu sagen wüsste, ob er eher
Rosé oder eher Weisswein ist. «Für mich hatte er am Schluss doch etwas zu viel Farbe, um ihn als Blanc de noirs zu etikettieren», sagt Matthias Aldinger, «aber wo genau ist die Abgrenzung? Das kann ich auch nicht sagen. Behandelt haben wir den Wein im Keller aber jedenfalls wie einen Chardonnay Grosses Gewächs.»
STRUKTURGEBER HOLZFASS
Das heisst in diesem Fall: Vergärung und Ausbau im Holzfass. Zumindest der
Ausbau im Holz hält immer häufiger Einzug auf den Weingütern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Stets ein schmaler Grat, da das Holz natürlich nicht die delikaten Aromen des Weins und seine animierende Frische überlagern soll. Wo der Spagat gelingt, wie etwa beim Rosé «La Grande» von Familie Pfaffl aus dem Weinviertel oder beim augenzwinkernd
DER AUSBAU IM HOLZFASS HÄLT IMMER HÄUFIGER EINZUG – EIN SCHMALER GRAT, DA DAS HOLZ NICHT DOMINIEREN DARF.
«Rosé aus der Provinz» getauften Wein des Weinguts Dürnberg, ebenfalls Weinviertel, bereichert das Holz die Struktur, gibt Rückhalt und Länge.
Auch in der Schweiz hat die Elite der Rosé-Winzer das Holz für sich entdeckt. Während die traditionellen Westschweizer «Oeil de Perdrix»-Rosés (so genannt nach der Farbe des Rebhuhnauges) mit dem Image kämpfen, allzu merkantil und säurearm zu sein und der Frische zu ermangeln, folgen Winzer wie der Thurgauer Michael Broger der eigenen Nase: «Ich bin früher viel gereist und habe dabei auch die asiatische Küche für mich entdeckt. Aber was trinkt man nur dazu? Bis mir dann die Idee kam, es mit Rosé zu probieren. Da oft Schärfe im Spiel ist, braucht man etwas Süsse, und damit der Rosé mit den Gewürzen mithalten kann, braucht er etwas Breite, also Holz.» Brogers Lösung: Er zieht von der Maische seiner besten Rotwein-Trauben bis zu 20 Prozent Saft ab und schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits konzentriert er die Maischegärung des
Rotweins, andererseits legt er den delikaten Saignée-Most in ein gebrauchtes Barrique und vergärt ihn bis zu einem Restzuckergehalt von etwa zehn Gramm. Der entstehende Wein ist mit seiner Dichte und seinem Süsse-Säure-Spiel genau das, was man etwa zu einem Curry im Glas haben möchte.
ROSÉ-LEGENDEN
Schaut man nach Südeuropa, dann gibt es natürlich eine Reihe von Gebieten, deren Rosé-Tradition auf höchstem Niveau weitergeführt wird. Die Provence ist indes das einzige von ihnen, das sich in einem hohen Preisniveau etablieren konnte. Das liegt daran, dass die Provence für den Rosé dasselbe ist wie die Champagne für den Schaumwein: Sie ist der Ort, an dem Klima und Böden mit einem Know-how zusammentreffen, das sich ganz und gar auf einen Weintyp spezialisiert hat. In der Provence
DIE PROVENCE IST FÜR ROSÉ, WAS DIE CHAMPAGNE FÜR SCHAUMWEIN IST: DER ORT DER VEREINIGUNG VON NATUR-PRIVILEG UND KNOW-HOW.
werden Weinberge schon so gepflanzt, dass sie das ideale Lesegut für einen Roséwein erbringen. Laubarbeiten, Lese, Traubentransport und Kelterung – alles ist zu 100 Prozent auf die Erzeugung von
Rosé ausgerichtet. Auch dies bedingt den (Preis-)Vorsprung, den die Provence mit ihren prestigereichen Weingütern vom Schlage einer Domaine Ott, eines Château d’Esclans oder einer Domaine Richeaume besitzt. Ganz zu schweigen von den kleineren Nachbar-AOCs der Côtes de Provence wie Bandol oder Palette, die noch mehr Individualität versprechen, auch beim Rosé.
BELLA ITALIA
In Italien liegen die Rosé-Hochburgen übers ganze Land verstreut. Bei der Falstaff Rosé-Trophy Italien teilen sich drei Rosati punktegleich die Spitze: der eigens für das Luxushotel«Villa
Cordevigo» erzeugte Bardolino Chiaretto der Vigneti Villabella, der «Aurea Gran Rosé» von Frescobaldi aus der Toskana sowie der «Five Roses Anniversario» von Leone de Castris aus Apulien. Letzterer knüpft an die grosse Rosé-Tradition des Salento, ganz unten im Absatz des italienischen Stiefels, an. Am Ende des zweiten Weltkriegs war die Nachfrage der amerikanischen Besatzungstruppen nach dem süffigen Rosé Apuliens so gross, dass
Leone de Castris zu einem Pionier bei der Flaschenfüllung eines Rosés wurde: Der erste abgefüllte Jahrgang war 1943. Ein Hinweis auch darauf, dass einem auch nicht vor dem Nachlassen der Rosé-Mode bange sein muss. Ein guter Rosé, mit Verstand produziert, wird immer seinen Markt finden. Er ist einfach ein Wein, der schmeckt und passt.
EIN GUTER ROSÉ, MIT VERSTAND PRODUZIERT, IST NICHT ABHÄNGIG VON DER MODE. ER IST EINFACH EIN WEIN, DER SCHMECKT.
Verkauften 1944 als erster Betrieb Italiens einen Rosé in Flaschen: Leone de Castris in Salice Salentino (Apulien).