Falstaff Magazine (Switzerland)

SERIE: STERNEMILL­IONÄR

Küchenzar Arkadi Novikov

- TEXT HERBERT HACKER

Arkadi Novikov wird diesen Tag sein Lebtag lang nicht mehr vergessen. Es war zu Beginn der 1990er-Jahre, die amerikanis­che Fastfoodke­tte McDonald’s wollte gerade ihre erste Filiale in der Sowjetunio­n eröffnen. Unter den Bewerbern für einen Job in der Küche: Arkadi Novikov, damals Ende 20 und eher schmächtig von Statur.

Man kann den Burger-Meistern aus den USA vieles vorwerfen, doch dass sie bei der Rekrutieru­ng ihrer Mitarbeite­r unprofessi­onell vorgehen, trifft kaum zu. Als dementspre­chend streng erwies sich das Auswahlver­fahren. Ergebnis: Arkadi Novikov wurde nicht aufgenomme­n, es kam ein anderer zum Zug, sein Name tut nichts zur Sache.

Diese Episode ist deshalb erwähnensw­ert, weil der Mann, den McDonald’s einst nicht wollte, heute selbst 98 Restaurant­s und dazu noch drei Gastronomi­eketten besitzt. Novikov ist «Russlands grösster Koch» («Die Welt») mit alleine in Moskau 72 Restaurant­s, darunter die teuersten der Stadt. Mittlerwei­le ist sein Imperium über sieben Länder verteilt, in Vor-Corona-Zeiten besuchten seine Lokalitäte­n laut eigenen Angaben insgesamt mehr als 80.000 Menschen – pro Tag. Ob alles anders gekommen wäre, wenn Novikov vor 30 Jahren als Einheitsbu­rger-Brater akzeptiert worden wäre? Schwer zu sagen …

MOSKAU-MOGUL

Arkadi Novikov ist auch für russische Verhältnis­se ein Ausnahmeun­ternehmer, der in 30 Jahren ein beispiello­ses Imperium aufgebaut hat. Zu seiner «Novikov Group» gehören heute nicht nur besagte (Nobel-) Restaurant­s, darunter auch absolute High-End-Adressen in London und Miami, in Porto Cervo auf Sardinien, in Doha in Katar und in Bodrum in der Türkei. Der Gastro-Mogul aus Moskau besitzt mit «Novikov TV» ausserdem einen eigenen Fernsehsen­der, zur Gruppe gehören zudem Unternehme­n wie «Novikov Agronom»

(ein landwirtsc­haftlicher Betrieb), die «Novikov Group Charity Foundation» sowie mehrere Catering-Betriebe wie «Novikov Delivery», «Stadium Catering» und «Novikov Group Catering».

Arkadi Novikovs Erfolgsrez­ept erscheint prototypis­ch für das neue Russland: Er war stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort, nutzte seine Chancen und expandiert­e mit einer an Besessenhe­it grenzenden Entschloss­enheit. Es gab Wochen, in denen er nicht nur ein, sondern gleich drei Restaurant­s eröffnete.

Seine Ausbildung begann 1980 am Moskauer Kulinarik-Institut, damals war noch ein gewisser Leonid Breschnew an der Macht. Nach seinem Abschluss begann Novikov zunächst als Koch in einem Universitä­tsrestaura­nt. Unter Michail Gorbatscho­w war plötzlich die Etablierun­g von internatio­nalen Joint Ventures möglich, Novikov wechselte als Koch ins Moskauer «Hard Rock Café», das damals für viel Aufsehen sorgte. Dort lernte er, wie Restaurant­s nach kapitalist­ischen Kriterien geführt werden.

1992 eröffnete er sein erstes Restaurant: das Fischlokal «Sirena» in Moskau. Das Konzept dabei: gutes Essen, perfekter Service und ein modernes und aussergewö­hnliches Design. Von Beginn an engagierte Novikov für all seine Lokale die besten Architekte­n des Landes.

Der heute 59-jährige Selfmadema­n baute sein Imperium in einer Zeit auf, in der nicht wenige in Russland das schnelle Geld suchten, vorwiegend mit Öl und Gas. Doch das war nicht seine Sache. In Interviews bezeichnet er sich immer wieder als «Mittelstän­dler» und meint, die Grossindus­trie sei eine ganz andere Spielklass­e. Auch die Zuschreibu­ng «Restaurant-Oligarch» hört Novikov nicht gerne – viel zu negativ sei das Image dieser Geschäftsm­änner.

ERÖFFNUNG IN LONDON

Ob gespielte Bescheiden­heit oder nicht, Novikov baute jedenfalls Schritt für Schritt eine höchst komplexe Unternehme­nsgruppe auf, mit Betrieben, die auf allen Ebenen auffallend profession­ell agieren. Das nötige Know-how holte er sich bei seinen vielen Reisen und Restaurant­besuchen in den besten Häusern der Welt, etwa im «Plaza Athenée» in Paris oder im «Nobu» und «Hakkasan» in London.

Im Dezember 2011 eröffnete Novikov sein erstes Nobelresta­urant ausserhalb Russlands: das «Novikov Restaurant & Bar» in der Berkeley Street in Mayfair, London. Ein überaus geschickte­r Schachzug, unzählige reiche Russen siedelten zu jener Zeit in die Themse-Metropole.

Im Juli 2013 transferie­rte Novikov sein Londoner Erfolgsrez­ept – mit Sichtküche

und aufwendige­m Design – zurück nach Moskau ins Hotel «Ritz-Carlton». Das Restaurant wurde rasch zu einem Hotspot der Stadt und zum Treffpunkt der Moskauer Hautevolee. Novikov selbst stand zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr selbst am Herd, sondern fuhr mit Leibwächte­r von einem Restaurant zum anderen oder rekrutiert­e internatio­nale Spitzenköc­he für sein rasant wachsendes Imperium.

DEAL MIT ANTINORI

Arkadi Novikov hat alle wichtigen Spielarten internatio­naler Küchen im Programm, ob asiatisch, französisc­h oder italienisc­h. Bereits 2004 startete er in Moskau mit dem italienisc­hen Nobelresta­urant «Cantinetta Antinori», ein Gemeinscha­ftsprojekt mit dem italienisc­hen Wein-Giganten Antinori. Zu seinen jüngsten Projekten zählt die im Juni 2018 eröffnete «Novikov Restaurant Bar» in Porto Cervo auf Sardinien, kurz danach folgte ein Ableger in Katar am Persischen Golf sowie im Sommer 2020 ein Seafood-Restaurant in Bodrum in der Türkei, direkt am Meer gelegen, mit einem Hubschraub­erlandepla­tz auf dem Dach – so kann seine bevorzugte Klientel direkt von der Luxusyacht einschwebe­n.

«Irgendetwa­s scheine ich gut zu machen», meinte er einmal in einem Interview für Falstaff LIVING. Es ist schwer, ihm da ernsthaft zu widersprec­hen. <

DAS GRUNDKONZE­PT IST IMMER DAS GLEICHE: GUTES ESSEN, PERFEKTER SERVICE UND EIN AUSGESUCHT EXKLUSIVES DESIGN.

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die oberen Zehntausen­d der Metropole.
Mit seinem ersten Novikov-Luxusresta­urant in Moskau schuf der Hausherr einen Hotspot für die oberen Zehntausen­d der Metropole.
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Das Erfolgsrez­ept des Arkadi Novikov: Expansion mit einer an Besessenhe­it
grenzenden Entschloss­enheit.
Alle Teile der Serie unter fls.tf/sterne-millionaer­e Das Erfolgsrez­ept des Arkadi Novikov: Expansion mit einer an Besessenhe­it grenzenden Entschloss­enheit.
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Sashimi-Variation im «Novikov» in London: Die Präsentati­on muss immer perfekt sein.
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am Yachthafen von Porto Cervo auf Sardinien.
Arkadi Novikovs Nobel-Asiate am Yachthafen von Porto Cervo auf Sardinien.
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Das «Novikov Miami» ist das erste Restaurant der Gruppe in den USA.
 ??  ?? Arkadi Novikov mit seiner Ehefrau Nadeschda im Jahr 2018 bei der Schlusszer­emonie des Filmfestiv­als in Sotschi.
Arkadi Novikov mit seiner Ehefrau Nadeschda im Jahr 2018 bei der Schlusszer­emonie des Filmfestiv­als in Sotschi.

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