Falstaff Magazine (Switzerland)

ÄNDERT DER KLIMAWANDE­L UNSER ESSEN?

- INTERVIEW MARTIN KUBESCH

FALSTAFF Mit Ihrem Dokumentar­film «We Feed the World» haben Sie einen Blick hinter die Kulissen der Nahrungsmi­ttelindust­rie geworfen. Wie sehr wird der Klimawande­l unsere Ernährungs­gewohnheit­en in Zukunft verändern?

ERWIN WAGENHOFER Man muss sich zunächst eines bewusst machen: Die Landwirtsc­haft ist einer der drei wesentlich­en Faktoren für den Klimawande­l, die anderen sind die Bauwirtsch­aft und der Verkehr. In der Landwirtsc­haft ist es primär die immer weiter fortschrei­tende Industrial­isierung der Produktion, die den Klimawande­l befeuert: Massentier­haltung, Monokultur­en, der Einsatz von Kunstdünge­rn und Pestiziden, um den Böden noch mehr Ertrag abzuringen. Landwirte sind ja oft schon mehr Maschinist­en als Bauern, die mit immer riesigeren Geräten immer grössere Anbaufläch­en nach vorgegeben­en Plänen der

Saatguther­steller bewirtscha­ften. Die alte Kunst, den Boden nicht auszubeute­n, sondern aufzubauen, geht verloren.

Heisst mit anderen Worten, die Massenprod­uktion von Nahrungsmi­tteln ist für das Klima schädlich. Aber was ist die Alter

native? Sollen wir alle wieder Bauern werden und jeder bewirtscha­ftet seine eigene kleine Scholle?

Nein, aber die Bauern müssen sich spezialisi­eren. Der Klimawande­l könnte jener Faktor sein, der uns erkennen lässt, dass wir auf einem Irrweg sind. In den USA und in Deutschlan­d ist bereits ein Wille zum Wandel spürbar. Dort entschlies­sen sich immer öfter junge Menschen, Landwirte zu werden und einen alternativ­en Weg zur Massenprod­uktion einzuschla­gen. Und jene, die auf Konzepte wie Demeter oder humusbasie­rte Landwirtsc­haft setzen, werden zwar

noch ausgelacht, ihre Produkte landen aber überdurchs­chnittlich häufig in der Top-Gastronomi­e.

Weniger Industrial­isierung und mehr Individual­ität verbessern also die Qualität der Lebensmitt­el und helfen gegen den Klimawande­l. Aber können so acht Milliarden Menschen satt werden? Die Ernährungs­organisati­on der UNO geht davon aus, dass bis zu zehn Milliarden Menschen mit humusbasie­rter Landwirtsc­haft, also ohne Kunstdünge­r, ernährt werden könnten. Aber dafür müssten wir unseren Umgang mit der

Natur grundlegen­d ändern. Der Klimawande­l und die Konsequenz­en, die sich daraus ergeben, könnten der

Gamechange­r dafür sein.

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