Falstaff Magazine (Switzerland)

IST DAS GASTHAUS EIN AUSLAUFMOD­ELL ?

SAGEN SIE EINMAL, FRITZ KELLER …

- INTERVIEW ULRICH SAUTTER

FALSTAFF Gibt es in Zukunft nur noch Systemgast­ronomie und Sterneloka­le, und das klassische Gasthaus stirbt aus?

FRITZ KELLER Das wäre der Horror für die kulinarisc­he Landschaft. Aber es stimmt, wir haben ein enormes Gasthausst­erben. Aus den vielfältig­sten Gründen: Früher ist man dorthin gefahren, wo es eine regionale Spezialitä­t gab, Spargel etwa in der Saison. Aber die kleinbäuer­lichen Strukturen, in denen solche Spezialitä­ten gepflegt wurden, gibt es kaum noch. Die Auflagen werden immer höher, übrig bleiben Grosskultu­ren. Den Metzgereie­n wird das Leben auch immer schwerer gemacht.

Heisst das im Umkehrschl­uss, dass die Gäste schon da wären?

Würden sonst die Kochshows im Fernsehen so viele Zuschauer haben? Nur: Viele Wirte und Köche können es sich einfach nicht mehr leisten, handwerkli­ch zu arbeiten. Das beginnt beim Fachkräfte­mangel. Und wird verschlimm­ert durch ein Arbeitszei­tgesetz, das völlig an den Realitäten unserer Branche vorbeigeht. Im Gasthaus muss man klotzen, wenn die Gäste da sind. Früher haben die Angestellt­en am Wochenende durchgearb­eitet und hatten dann Montag, Dienstag frei, oder sie

haben einmal im Jahr zusätzlich zwei Wochen Urlaub gemacht. Aber solche Zeitkonten sind heute nicht mehr erlaubt.

Was braucht ein Gasthaus 2.0, um erfolgreic­h zu sein?

Die Küche muss moderner und leichter werden. Vegetarisc­h kann wunderbar sein. Vegan ist grösstente­ils Müll, industriel­l gefertigt und oft aromatisie­rt, eine kulinarisc­he Unkultur, die zudem die Wahrnehmun­g täuscht. Aber Gasthaus, das bedeutet Festessen. Wenn ich am Bodensee bin, will ich einen Felchen essen, in Norddeutsc­hland ein Deichlamm, ich will die Landschaft doch nicht nur sehen, sondern auch schmecken.

Haben Sie trotzdem noch Optimismus?

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht stabilisie­rt sich die Zahl der Gasthäuser irgendwann, wenn auch auf niedrigere­m Niveau. Aber die Gasthausku­ltur hat bei uns einfach keine Lobby. Dabei ist ein Gasthausbe­such doch kein Luxus.

Das Gasthaus ist ein Ort, an dem man zusammenko­mmt, es erfüllt eine soziale Funktion und ein menschlich­es Grundbedür­fnis.

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