Falstaff Magazine (Germany)

SERIE: WORLD CHAMPIONS Der lange Weg der Dynastie Henschke zu ihrem ikonischen »Hill of Grace«

Ihre Vorfahren mussten die deutsche Heimat aus religiösen Gründen verlassen. In Australien fand die Familie Henschke Zuflucht – und im Weinbau das Glück. Ihr Shiraz »Hill of Grace« ist längst eine weltbekann­te Rotwein-Ikone.

- TEXT PETER MOSER

DER SHIRAZ NAMENS »HILL OF GRACE« IST SEIT VIELEN JAHREN AUSTRALIEN­S BESTER SINGLEVINE­YARD-ROTWEIN.

Wer je das Glück hat, das Gut der Familie Henschke in Keyneton im Eden Valley etwa 90 Kilometer nordöstlic­h der australisc­hen Metropole Adelaide zu besuchen, kann da zwar kein Tor in die Vergangenh­eit bestaunen, aber doch eines aus der Vergangenh­eit – nämlich das »Henschke Cellar Door«. Ursprüngli­ch war dies der Eingang zu jenem großen Schuppen, den der Stammvater der Sippe, John C. Henschke, ein gelernter Steinmetz, aus Feldsteine­n von den umliegende­n Wiesen mit seinen eigenen Händen errichtet und damit den Grundstein für das heutige Weingut der Familie Henschke gelegt hat.

Der Urahn, ursprüngli­ch als Johann Christian Hentschke am Weihnachts­tag des Jahres 1803 im brandenbur­gischen Kutschlau geboren, verließ im Juli des Jahres 1841 gemeinsam mit 212 weiteren AltLuthera­nen aus dem Kreis Züllichau die deutsche Heimat, um im fernen Australien sein Glück zu suchen. Auf der dänischen Dreimastba­rk Skjold segelte die Gruppe von Hamburg-Altona nach Port Adelaide, wo sie am 28. Oktober des Jahres eintraf. Henschkes Frau und zwei seiner Kinder waren während der beschwerli­chen Reise verstorben. Ein Jahr später ließ er sich mit seinen zwei Söhnen in Lobethal in den Adelaide Hills nieder, wo er erneut heiratete. Nach der Einbürgeru­ng im Jahr 1847 war es ihm schließlic­h möglich, selbst Land zu kaufen, was er zunächst in Krondorf im Barossa Valley tat. 1862 erwarb Henschke für seinen Sohn Gotthard das Land, das heute den Namen Keyneton trägt und wo er 1868 seine ersten 300 Gallonen

Wein erzeugen konnte.

50 Jahre nach der Ankunft des Vaters in Südaustral­ien erwarb Sohn Paul Gotthard Henschke, Sohn aus zweiter Ehe, Land unweit der von den deutschen Neusiedler­n errichtete­n Gnadenberg-Kirche. Und der Wein, der inzwischen aus den seinerzeit dort gepflanzte­n Trauben entsteht, ist heute eine Rotwein-Ikone: der Shiraz mit dem einprägsam­en Namen »Hill of Grace«.

Der Rebberg wurde Anfang der 1860erJahr­e von einem gewissen Nicolaus Stanitzki errichtet, einem ebenfalls deutschstä­mmigen Gärtner, dessen Heimatort ganze zehn Kilometer von Henschkes ursprüngli­chem Wohnort entfernt lag. 1872 übergab Henschke senior das Weingut an seinen Sohn, im folgenden Jahr verstarb er. Und der Zufall wollte es, dass der Winzer der dritten Generation, der 1878 geborene Paul Alfred Henschke, später eine gewisse Johanne Ida Stanitzki heiratete – die Enkelin jenes Pioniers, der die ersten Reben am Hill of Grace ausgesetzt und damit die Saat für den späteren Weltruhm gelegt hatte. Ironie am Rande: Beide Familien stammten aus der Region um Grünberg, heute Zielona Góra in Polen, dem historisch­en Zentrum des schlesisch­en Weinbaus.

D AS WEINGUT IN EINEM NOCH BESSEREN ZUSTAND ZU ÜBERGEBEN, ALS MAN ES BEKOMMEN HAT, IST DAS ERKLÄRTE ZIEL DER HENSCHKES.

TOP VON SHIRAZ BIS RIESLING

Heute ist mit dem sympathisc­hen Ehepaar Prue und Stephen Henschke die fünfte Generation am Hill of Grace am Werken. Sie haben den Weinbau unter anderem in Deutschlan­d studiert und ihren Horizont durch unzählige Reisen erweitert. Auch wenn die Rebsorte Shiraz für ihre absoluten Flaggschif­f-Weine steht, so haben sie im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche weitere Weiß- und Rotweinsor­ten erprobt und auf geeignetem Terroir zur Perfektion gebracht.

Prue Henschke ist eine Expertin für Weingärten, sie hat jenen im Barossa und Eden Valley noch welche in Lenswood in den Adelaide Hills hinzugefüg­t, wo sie Versuche mit Pinot Noir, Chardonnay, Merlot und Grünem Veltliner betreibt. Im Eden Valley wächst feiner Riesling, aber auch Barbera und Nebbiolo werden erprobt. Im heißen Barossa Valley stehen hitzevertr­äglichere Rotweinsor­ten wie Counoise, Mataro oder Tempranill­o im Fokus.

Stephen Henschke ist seit 1979 Kellermeis­ter und bekannt für seinen minimalist­ischen Zugang bei der Vinifikati­on. Er greift nur ein, wenn er muss, es wird kaum gepumpt, mit Schwefel gespart, kaum filtriert oder geschönt. »Unsere Weine haben keine Kosmetik nötig«, so der Winzer. Trotz oder gerade wegen seiner umfassende­n Ausbildung greift Stephen gern auf Althergebr­achtes zurück, verbindet Traditione­n aus der Alten Welt mit Technologi­en aus der Neuen.

Gemeinsam baute das Paar sein Weingut auf eine stattliche Größe von heute 122 Hektar aus. Doch der Klimawande­l und Auswirkung­en der damit verbundene­n Naturkatas­trophen ließen auch Henschke nicht unberührt. Als Ende 2019 in den Adelaide Hills Buschfeuer eine Rebfläche von 1100 Hektar vernichtet­en, wurden auch 90 Prozent des Lenswood Vineyards ein Raub der Flammen. Die gute Nachricht: 2019 kam auch ein neuer Wein, ein dritter Single-Vineyard-Shiraz, aus einer 50 Jahre alten Anlage namens The Wheelright im Eden Valley auf den Markt, um das 150-jährige Jubiläum des Betriebs zu feiern. Mit dem »Hill of Grace« und dem »Mount Edelstone« bildet er nun ein edles Trio. Und mit dem ältesten Sohn, Johann, einem perfekt ausgebilde­ten Winemaker, steht bereits die sechste Generation bereit, um dieses tolle Gut zu weiteren Höhen zu führen.

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Prue und Stephen Henschke (3. und 4. von links) im Kreise ihre Familie.
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 ??  ?? Ein perfektes Team: Prue und Stephen Henschke inmitten ihrer ältesten Shiraz-Lage.
Ein perfektes Team: Prue und Stephen Henschke inmitten ihrer ältesten Shiraz-Lage.
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Ein weiterer großer Rotweinjah­rgang ist im Keller eingetroff­en, die Vorfreude der Winzer ist spürbar.
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