SEKT TRÈS SEC
Vor 150 Jahren war Rieslingsekt groß in Mode. Dann finanzierte die Sektsteuer den Ersten Weltkrieg mit – und es ging bergab. Doch heute ist deutscher Sekt wieder richtig prickelnd.
Bis in die 1980er-Jahre hinein gab es in Deutschland nur wenige in traditioneller Flaschengärung bereitete Sekte. Leider verpflichtet das deutsche Weinrecht nicht auf das handwerkliche Verfahren, wenn man »Sekt« aufs Etikett schreiben möchte – den Begriff dürfen auch Weine nützen, die in einer Tankgärung zum Schäumen gebracht wurden. Zumindest ein Gutes hatte dieser Missstand: Er brachte eine qualitative Gegenbewegung hervor.
In den 80er- und 90er-Jahren wandten sich nicht nur Weingüter wie der Wilhelmshof in Siebeldingen, das Schlossgut Diel an der Nahe, Arno Schembs in Worms und ein Dutzend andere verstärkt der Sektbereitung nach traditioneller Methode zu. Es entstanden auch reine Sektgüter wie das Sekthaus Reinecker im Markgräflerland, Bardong im Rheingau, Raumland in Rheinhessen. Von solchen Lokomotiven gezogen,
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dez–feb 2024 begann der deutsche Sekt in den letzten 20 Jahren einen furiosen Aufschwung zu nehmen.
Ganz wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hatte auch das Geisenheimer Sektprojekt, das der legendäre Kellerwirtschafts-Dozent Wolfgang Pfeifer initiierte. Eine ganze Generation von Studierenden konnte in Pfeifers Praxiskursen Flaschengärungs-Sekte erzeugen und trug die Begeisterung nach Hause in ihre Herkunftsbetriebe. Dort wurde dann auch immer öfter beherzigt, was Pfeifer ebenfalls gelehrt hatte: Wenn man guten Sekt machen will, muss man es bereits im Weinberg darauf anlegen. Die jüngste Phase des deutschen Sekt-Wunders begann mit dem Zuzug des Elsässers Mathieu Kauffmann, des ehemaligen Kellermeisters von Champagne Bollinger. Kauffmann kam 2013 als Önologe zum Deidesheimer Weingut Reichsrat von Buhl. Nach seinem Abschied dort gründete er gemeinsam mit Steffen und Sophie Christmann aus dem gleichnamigen Gimmeldingener Weingut das Sektgut Christmann & Kauffmann, dessen erste Sekte bereits auf dem Markt sind.
Weitere Sekterzeuger, die jüngst von sich reden machten, sind etwa Höfer aus Würzburg, Strauch aus Osthofen, Krack aus Deidesheim, und Griesel aus Bensheim an der Hessischen Bergstraße. Bei den verwendeten Sorten erfreuen sich auf vielen Betrieben derzeit die Burgunder größerer Popularität als Riesling: Mit straffen Säuren und einem schlanken Zuschnitt mit viel Biss und Betonung der Frische nähern sich diese Sekte deutlich dem Vorbild der Champagne an. König Riesling ist indes auch im prickelnden Genre nicht völlig entthront: Furios beispielsweise sind die Riesling-Lagensekte von Gut Hermannsberg (Kupfergrube), Schlossgut Diel (Goldloch), von Bardong (Marcobrunn) oder von Mark Barth (Hassel und Schützenhaus). Kein Wunder, dass der wichtige Winzerverband VDP nun auch über eine Sekt-Lagenklassifikation nachdenkt.