SCHWIERIGE PARTNER
Wein zu Spinat, Artischocken, Tomaten oder Salaten? Das verlangt Fingerspitzengefühl. Schuld ist die Chemie. Die
Oxalsäure im Spinat sorgt in Kombination mit Wein für einen metallischen Geschmack. In der Artischocke lässt das
Enzym Cynarin die Süße-Rezeptoren verrücktspielen, während Chlorogensäure als bitter und sauer wahrgenommen wird.
Bei den Tomaten setzt die Säure dem Weinpartner zu, ähnlich verhält es sich bei Essigmarinaden im Salat.
OSÉS SIND OFT EIN KOMPROMISS ZWISCHEN WEISS UND ROT. DANN SOLLTE MAN ABER UNBEDINGT ZUR PREISLICHEN OBERKLASSE GREIFEN.
sucht man nach einer soliden, gehobenen Basisqualität.
Oft kann man sich auch zunutze machen, dass es eine stille Komplizenschaft zwischen den Winzern und der Küchentradition einer Region gibt. Natürlich trinkt man zum Boeuf bourguignon ein Glas Burgunder, zu allen Gerichten mit Sauerkraut einen Riesling, zum Siedfleisch der Wiener Küche passt Grüner Veltliner, zum Käsefondue reicht man Fendant oder Waadtländer Chasselas, zum Huhn auf baskische Art
(mit Paprika) sind alle Rotweine aus dem Baskenland inklusive Rioja eine gute
Wahl. Nemea ist der natürliche Partner für Moussaka, Sancerre ist die ideale Ergänzung zum Ziegenkäse des Loiretals. Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen. Darüber hinaus scheint es eine fast magische Verbindung mancher Böden zu bestimmten Speisen zu geben: Der Kimmeridge-Kalk, der unter den besten Weinbergen Chablis’ liegt, besteht aus eng miteinander verbackenen Muscheln. Die Weine dieses Bodens sind die idealen Begleiter für Austern. Auch die Kreideböden der Champagne haben ihren Ursprung in den Sedimenten eines vorzeitlichen Meeres. Und zu welchem Meeresbewohner passt nicht ein Glas Champagner besonders gut?
Gibt es bei der Weinbegleitung auch so etwas wie die Eier legende Wollmilchsau? Diese Frage hat unmittelbar praktische
RBedeutung, wenn man sich im Restaurant nicht auf die glasweise Weinbegleitung einlassen und stattdessen einen guten Flaschenwein von der Vorspeise bis zum Hauptgericht »durchtrinken« möchte.
Und in der Tat ist das Unterfangen nicht hoffnungslos. Was man braucht, ist ein eher körperreicher und gerne leicht phenolischer, in der Aromatik zurückhaltender und nicht im Übermaß vom Holz geprägter Weißwein. Sehr versatil sind Silvaner: Sie können gut mit Krustentieren, Süß- und Salzwasserfisch, mit vegetarischen Gerichten, weißem Fleisch und Geflügel. Zu rotem Fleisch und Wild sind sie zumindest akzeptabel.
Einen guten Kompromiss zwischen Rotund Weißweintugenden stellen auch viele Rosés dar, dabei sollte man aber unbedingt in die Oberliga greifen. Auch manche Orange-Weine bieten sich als Allzweckbegleiter an – vor allem, wenn sie nicht zu extrem und provokativ gekeltert sind. Last, not least funktioniert ein Weintyp, den man häufig vergisst, zu fast allem: der Sherry. Von ätherischem Manzanilla über ebenso trockenen, aber kräftigeren Fino bis zu nussig-kargem Amontillado bietet sich hier alles, um von Fisch bis zum Rindersteak eine Vielfalt an Gerichten zu begleiten.
Zugegebenermaßen ist es nicht jedermanns Sache, einen ganzen Abend mit Sherry zu verbringen. Aber man sollte ihn als Trumpf-Ass im Gedächtnis haben, wenn man sich einmal bei der Weinauswahl unsicher ist. Amontillado ist übrigens die Traumkombination zu einem Gericht, das häufig ebenfalls als schwer kombinierbar dargestellt wird: Er passt herausragend gut zu allen klaren Suppen von der Fleischbrühe bis zur Wildessenz.
IN STEIN GEMEISSELT
Gerade in der französischen Hochküche sind manche Kombinationen in Stein gemeißelt: Das Huhn im Morchelrahm wird mit Vin Jaune begleitet, zu Wildgeflügel ist alter Burgunder Pflicht. Zum Steinbutt auf Beurre blanc trinkt man Champagner oder weißen Burgunder – dieselben Weine, die in die Sauce montiert wurden. Gerade dieser letzte Umstand ist einer der Gründe, warum der französische Kanon seit den Zeiten Marie-Antoine Carêmes und Auguste Escoffiers – zwei der bedeutendsten
dez–feb 2024
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