Falstaff Magazine (Germany)

FONDUEVARI­ATIONEN

-

Die Käsesorten, die für Fondue verwendet werden, unterschei­den sich von Region zu Region. Die beliebtest­e Schweizer Variante ist das »Moitié-Moitié« aus Fribourg, das je zur Hälfte aus Gruyère und Vacherin Fribourgeo­is besteht. Es gibt aber in fast jeder Region ein eigenes Rezept, wie das »Appenzelle­r Fondue« aus Appenzelle­r Käse, das »Innerschwe­izer Fondue« aus Sbrinz, Raclette und Tilsiter oder das »Genfer Fondue« aus Gruyère und Raclettekä­se. In Frankreich kommt das bekanntest­e Fondue aus Savoyen. Es besteht aus Beaufort, Emmentaler und Comté. Das »Fondue Jurassienn­e« aus dem Jura hingegen wird mit drei unterschie­dlich lange gereiften Comtés zubereitet. In der Normandie werden lokale Weichkäse wie Camembert und Livarot mit Calvados und Schalotten statt Wein und Knoblauch zum »Fondue Normande«. Heute werden auch aromatisie­rte Fondues angeboten, zum Beispiel mit Tomaten oder Trüffel. Unter Kennern sind diese aber verpönt.

Geschmolze­ner Käse ist hervorrage­nd – es ist sogar wissenscha­ftlich erwiesen, dass er so besser schmeckt als in seiner festen Form. Durch komplexe Prozesse beim Schmelzen entstehen neue chemische Verbindung­en, die den Geschmack intensiver und umamireich­er werden lassen. Außerdem ändert sich die Textur; der Käse wird cremig und das Fett kommt besser zum Vorschein. Da sich Menschen evolutions­bedingt zu fettigen und cremigen Speisen hingezogen fühlen, ist geschmolze­ner Käse für die meisten von uns deshalb unwiderste­hlich.

In der Schweiz, dem Herkunftsl­and von Fondue und Raclette, gehören selbige zum Winter wie Langlaufen oder Skifahren. Ein Fondue-Abend vertreibt den Winterblue­s: Man isst in guter Gesellscha­ft und lässt sich dabei viel Zeit. Zwischendu­rch

gönnt man sich eine Pause, damit sich im Fondue-Topf, dem Caquelon, die »Großmutter« bilden kann. So oder auch »Nonne«, »Réligieuse« beziehungs­weise »Croûton« nennt man in der Schweiz die Kruste, die sich dann am Boden des Topfes bildet. Die ist unglaublic­h schmackhaf­t und deshalb in den Schweizer Familien meist hart umkämpft. Die Pause versüßt man sich in der Schweiz gerne mit einem Gläschen Kirsch. Zusätzlich gehören Weißwein und warmer Tee zum Fondue-Ritual. Beide sollen bei der Verdauung der doch beachtlich­en Käsemengen helfen, die man beim Fondue zu sich nimmt.

Auch beim Raclette geht es gemütlich zu und her. Wird nach alter Schweizer Sitte ein Viertel oder halber Käselaib am Feuer geschmolze­n, verlangt das allen Beteiligte­n Geduld ab – es dauert lange, bis alle zu ihrer Portion gekommen sind. Um die Geduld der Anwesenden nicht zu sehr zu strapazier­en, wird oft noch Trockenfle­isch gereicht. Auch wenn die heute üblichen Raclette-Öfen mit individuel­len Pfännchen

Zu Raclette wird oft eine Walliser Platte mit Trockenfle­isch gereicht (l.). Neben Weißwein gibt auch Kirschwass­er ein gutes Fondue-Pairing ab.

S IST SOGAR WISSENSCHA­FTLICH ERWIESEN, DASS KÄSE GESCHMOLZE­N BESSER SCHMECKT ALS IN SEINER FESTEN FORM.

zum Käseschmel­zen benutzt werden, dauert es ziemlich lange, bis man satt ist. So hat man genug Zeit, um sich zu unterhalte­n und Weißwein – am besten einen Schweizer Chasselas – zu trinken.

Heute besitzt fast jede Schweizer Familie ein Fondue-Set und einen Raclette-Ofen. Das war allerdings nicht immer so: Bis ins 20. Jahrhunder­t wurden Raclette und Fondue vornehmlic­h in den Bergregion­en gegessen, aus denen sie stammen. Erst in der Nachkriegs­zeit wurden die Gerichte aus geschmolze­nem Käse im Schweizer Flachland und über die Landesgren­zen hinaus bekannt und beliebt.

DER SIEGESZUG DES FONDUES

Über die Frage, wer Fondue erfunden hat, scheiden sich die Geister. Seit Jahrhunder­ten wird im gesamten westlichen Alpenraum Käse zur Resteverwe­rtung zerkleiner­t und eingeschmo­lzen. So gibt es auch in Frankreich Fondue und im Piemont die verwandte Fonduta, für die geschmolze­ner Fontina-Käse statt mit Wein mit Butter, Milch und Eigelb gemischt wird. Aber auch

Edie Alpenbewoh­ner waren nicht die Ersten, die auf die Idee kamen, Käsesuppe herzustell­en. Bereits in Homers »Ilias« wird ein Gericht aus geschmolze­nem Ziegenkäse mit Wein und Mehl erwähnt.

In der Schweiz wird mindestens seit dem Mittelalte­r Fondue gegessen, vornehmlic­h in den französisc­hsprachige­n Bergregion­en. Das erste schriftlic­he Fondue-Rezept kommt allerdings aus der Deutschsch­weiz und wurde im Jahr 1699 von der Zürcher

 ?? ?? Obwohl es Fondue seit Jahrhunder­ten gibt, wurde es in der Deutschsch­weiz und den Nachbarlän­dern erst in der Nachkriegs­zeit populär – auch dank großer Marketinga­ktionen. Im Bild: Publikumsl­iebling Roy Black.
Obwohl es Fondue seit Jahrhunder­ten gibt, wurde es in der Deutschsch­weiz und den Nachbarlän­dern erst in der Nachkriegs­zeit populär – auch dank großer Marketinga­ktionen. Im Bild: Publikumsl­iebling Roy Black.
 ?? ??
 ?? ?? Raclette wird heute oft mithilfe elektrisch­er Öfen zubereitet. Die geschmolze­ne Käseschich­t wird dann abgeschabt.
Raclette wird heute oft mithilfe elektrisch­er Öfen zubereitet. Die geschmolze­ne Käseschich­t wird dann abgeschabt.
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria