Am ersten Tag erkunden wir die Hauptstadt Saint Helier und waten bei Ebbe durch das Watt.
Ein bisschen französisch und doch so very british: Saint Helier, die Hauptstadt Jerseys, überzeugt mit ihren hübschen Häuserfassaden und den quer über die Straße gespannten Wimpelketten gleich auf den ersten Blick: Très charmant an der Südküste der größten der Kanalinseln gelegen, spürt man die Nähe Frankreichs an den Straßennamen (und später auf den Speisekarten). Gleichzeitig wähnt man sich in kitschigschöner englischer Rosamunde-PilcherKulisse. Nur eben nicht in Cornwall, sondern mitten im Ärmelkanal.
Wieso Jersey in unseren Breiten vorrangig als Steuerparadies bekannt ist und fast gar nicht für seine atemberaubend-schönen Seiten, ist wohl für jeden, der hier ein paar Tage verbracht hat, unverständlich.
Als Einstimmung ist ein Vormittag in den belebten Straßen der Hauptstadt also bestens geeignet. Nicht verpassen sollte man den »Central Market«, eine Markthalle aus Eisen und Glas, in der man die eine oder andere Besonderheit entdecken kann, die es nur auf der Insel gibt: wie die Kartoffelsorte Jersey Royals. In der zweiten Markthalle, in der Fischer ihren Fang verkaufen, bekommt man einen Eindruck, was man auf fast jeder Speisekarte finden wird: Eine unüberschaubar große Auswahl an Fischen, Krabben, Austern und Muscheln. Wer Hunger bekommt, kann gleich (etwa im »Bistro Rosa«) auf einen Crab Salad gehen. Oder ein paar Minuten weiterspazieren, zu einem der besten Lokale der Insel: Dem »Bohemia«, in dem Küchenchef Callum Graham ein dreigängiges Lunch-Menü serviert, inspiriert von lokalen Produkten, mit Einflüssen aus dem nahen Frankreich.
Nachmittags geht es an die Ostküste: per Mietauto (neben dem Linksverkehr sind die schmalen Straßen herausfordernd), per Taxi oder mit dem Bus. Selten konnte man den Tidenhub – angeblich der drittgrößte der Welt – so eindrucksvoll beobachten wie hier: Mit jeder Welle zieht sich das Meer sichtlich um mehrere Meter zurück. Die freigelegte Wattlandschaft bietet sich für einen Spaziergang an. Am besten – die Flut kommt ähnlich schnell zurück – in kompetenter Begleitung: Trudie, eine vor Jahren ausgewanderte Deutsche – bietet »Jersey Walk Adventures« an, verteilt Gummstiefel, und führt weit, weit hinaus, der Sonne entgegen, zu den Austernbänken. Achtung: Frühzeitig buchen!
Die Jersey Oyster gilt als eine der besten Austernsorten der Welt, kein Wunder, findet sie hier ideale Bedingungen vor: Der Atlantik ist sauber und nährstoffreich, dank des Golfstroms kühlt das Meer nie unter sieben Grad ab, wird aber auch im Sommer nie zu warm. Zum Abschluss führt Trudie ins »Seymour Inn« zum – erraten – Austern-Verkosten. Allzu satt sollte man sich nicht essen, denn abends darf man sich das Dinner im herrschaftlichen »Longueville Manor« nicht entgehen lassen, das nicht nur für die Küche von Andrew Baird, sondern auch für die Weinkarte bekannt ist. Für den Drink danach geht es zurück nach Saint Helier mit seiner kleinen, aber feinen Barszene.