KÖNIG DER STR ASS E
Er bleibt stets derselbe und entwickelt sich doch immer weiter: warum der Porsche 911 schon seit sechs Jahrzehnten lebt.
Es passiert wirklich: Nach einiger Verzögerung, die Software war schuld, steht der Kompakte SUV Macan als Elektriker am Start. Porsche läutet damit den Abschied eines Verkaufsschlagers ein – des Macan mit Verbrennungsmotor. Ein Hersteller von Konsumgütern, der eines seiner beliebtesten Produkte ohne Not vom Markt nimmt? Darauf muss man erst mal kommen.
Mir geht es aber nicht um Sinn oder Unsinn der strammen StromerWende von Porsche. Sondern darum, wie diese Firma mit breiter Brust immer wieder erstaunliche Entscheidungen trifft – sodass sich Fans und Kunden zuverlässig erst einmal die Haare raufen.
Vielleicht geht dieser Geist auf den Gründer zurück, Ferdinand »Ferry« Porsche. Ihn verlangte nach einem Sportwagen, angeblich fand er aber keinen und beschloss dann einfach, ihn sich selbst zu bauen. Das Ergebnis war der 356, Keimzelle des Unternehmens und Vater der Ikone 911. Der wird Lieblingsobjekt für Porsches kauzige Seltsamkeiten: Der Heckmotor, der den Fahrer so spürbar »anschiebt«, aber frühen 911 in hohen Leistungsstufen den Beinamen »Witwenmacher« verschaffte. Die wunderbar röchelnde Luftkühlung, die zum Entsetzen der Fangemeinde 1997 einer hundsgemeinen Wasserkühlung weichen musste. Der Abgasturbolader, der 2015 im 911 zur Normalität wurde; seitdem dürfen nur exklusive Spitzenmodelle die Verbrennungsluft noch frei ansaugen. Sportwagenspezialist Porsche baute großvolumige
SUV, lange bevor Konkurrenten wie Aston Martin, Ferrari, Maserati oder Lamborghini auf diesem Weg folgten. Dasselbe gilt für Batteriebetriebene.
Geschadet hat es nicht: Gerade hat Porsche den 75. Geburtstag gefeiert, der 911 wurde zugleich immerhin 60. Das lange Leben verdankt er dreierlei Umständen: erstens dem Langmut seiner Fans, die Porsche alle Winkelzüge verzeihen, immer wieder. Zweitens seinen einzigartigen Proportionen mit ihren gewölbten Flächen. Gralshüter Michael Mauer, seit zwei Jahrzehnten Chefdesigner bei Porsche, entwickelt sie stetig weiter, ohne die Architektur der Karosse zu beschädigen. Und drittens seinen breitbandigen Qualitäten – er absolviert ohne Murren Ultrakurzstrecken zum Brötchenkauf, liebt Abstecher auf die Racetracks dieser Welt und taugt auch für ausgedehnte Urlaubsfahrten. Ein Schweizer Taschenmesser des Sportwagenwesens.
Zudem ist der 911 ein halbwegs demokratischer Traum. Nicht billig, logisch, aber wie man so schön sagt: »Value for Money«.
Doch natürlich wissen Schwaben, wie Geldverdienen für Fortgeschrittene geht, und so gibt es eine ganze Palette an Sondermodellen, meist in limitierter Stückzahl, die im Preis dann gern FerrariHöhen erreichen; das neueste nennt sich »GT3 R rennsport«, darf weder auf der Straße fahren noch an Rennserien teilnehmen, sondern soll, für eine knappe Million Euro plus Mehrwertsteuer, einfach Freude machen. Viele Filmstars lieben den 911, Autobosse ganz verschiedener Hersteller haben mir schon verraten, dass in ihrer privaten Garage einer parkt. Oder gleich mehrere. Für unbeobachtete, nächtliche Ausfahrten.
Wie sagte Ferry Porsche einst? »Der 911 ist das einzige Auto, mit dem man von einer afrikanischen Safari nach Le Mans, dann ins Theater und anschließend auf die Straßen von New York fahren kann.« Ich gebe ihm recht. Zwar hat sich heute neben dem 911 noch ein weiteres Auto diesen Status erarbeitet: der Range Rover. Doch den konnte Ferry noch nicht kennen.