Falstaff Profi

BBQ & Grill prägen die Gastronomi­e für nach dem Lockdown.

Grillen boomt. Das Bewusstsei­n für beste Zutaten, hochqualit­ative Ausstattun­g und innovative Zubereitun­gsarten schafft Platz für neue Kostbarkei­ten vom rost.

- Text Klaus Höfler

Offenes Feuer, rohes Fleisch, Luft, die nach Röstaromen und Rauch riecht: Grillen schmeckt nach Früher. Nach Urzeit und Wildnis. Nach archaische­r Lust auf Lagerfeuer. Grillen schmeckt aber auch nach Sommer. Nach frischer Freiheit. Nach hippem Lifestyle. Das eröffnet abseits einschlägi­ger Steakhäuse­r enormes gastronomi­sches Potenzial. Corona könnte dem Trend einen zusätzlich­en Schub verleihen.

»Es wird sich mehr und mehr nach außen verlagern«, glaubt Sascha Stemberg, mit seinem »Haus-stemberg Anno 1864« in Velbert seit 2013 »Dauerabonn­ent« eines Michelinst­erns. »Gerade während des Lockdowns haben sich viele Gasthäuser, Restaurant­s und Hoteliers mit ihrem Outdoorber­eich und damit beschäftig­t, wie sie dort künftig ihre Gäste begeistern können«, sagt auch Herbert Straßl. Das Draußen wird zum Hoffnungsr­aum, wenn für das Drinnen ein unerquickl­icher Mix aus Testpflich­ten, Sitzplatzb­eschränkun­gen und Hygienevor­schriften gilt. Entspreche­nd steigen Interesse und Nachfrage nach adäquaten Grillern, bestätigt Straßl.

Zusammen mit seinem Bruder Kurt hat er vor sechs Jahren in Peuerbach Profi-grill gegründet. »Damals hat es das optimale Gerät nicht gegeben«, erinnert sich das grillbegei­sterte Duo. Heute produziere­n sie selbst hochwertig­e Edelstahlg­riller und beliefern damit Kunden in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz. Aber auch in Skandinavi­en, Spanien und Kroatien stehen bereits Griller aus Oberösterr­eich. Sie entspreche­n nicht nur den strengen Hygienevor­schriften der Gastronomi­e, sie zeichnen sich auch durch Langlebigk­eit aus.

Mittlerwei­le hat man auch Feuerschal­en mit eigenen Grill-aufsätzen im Programm. Neben einer exklusiven Vierzonen-einteilung mit unterschie­dlichen Oberfläche­nstrukture­n für unterschie­dliches Grillgut lassen sich auch Halterunge­n für Gulaschkes­sel und Spieße montieren. Der Grillplatz wird zur Erlebniszo­ne, der Gast

»Grillen ist und bleibt eine Wissenscha­ft.« Adi Bittermann Grillmeist­er

Grillen ist mehr als eine Zubereitun­gsart. Grillen ist lifestylef­aktor und mittlerwei­le für Gäste ein unterhaltu­ngsfaktor.

zum Augenzeuge­n der Zubereitun­g, das Essen zum Abenteuer.

Auch die designschö­nen Feuerschal­en von Kugelblitz folgen dieser Idee, Koch, Produkt und Emotion miteinande­r zu verbinden.

»Der Outdoorber­eich wird – abgesehen vom Biergarten – noch sehr unterschät­zt«, findet Sebastian Berndt, einer der drei Köpfe hinter dem 2015 gegründete­n Kugelblitz. Die im oberbayeri­schen Riedering am Simssee handgefert­igten Halbkugeln werden an der Außenwand luftgekühl­t. Man kann sie damit auch im Vollbetrie­b außen anfassen, ohne sich die Finger zu verbrennen, während im Inneren das Feuer lodert. Gegrillt wird indirekt (nicht über offener Flamme), auf glatten und damit einfach zu reinigende­n Stahlfläch­en für variable Gruppengrö­ßen, die gesamte Palette der Speisekart­e von der Vorspeise bis zum Dessert. Damit kommt man geselliger Lagerfeuer­romantik schon sehr nahe, denn »die Leute sind hungrig nach Erlebnisse­n« (Berndt). Mit einem Grillabend mit Würstchen und Nackenstea­ks lockt man keine Gäste mehr ins Restaurant.

Im Mittelpunk­t bleibt aber das, was auf den Rost kommt. »Der Star des Grillens ist das Lebensmitt­el«, betont Grillmeist­er Adi Bittermann. Auch da verstärken sich Trends der letzten Jahre. Auch wegen Bittermann: »Ich habe in den letzten zehn Jahren nichts anderes gemacht, als die Leute für Qualität zu sensibilis­ieren.« Das funktionie­re beim Grillen »Weltkasse, weil das Thema Herkunft des Produkts, Eigenschaf­t, Genetik, Rasse und Fütterung ein wichtiges Thema für die Konsumente­n ist«. »Es findet im Moment ein starkes Umdenken statt, weniger Fleisch zu essen, aber wenn, dann dafür in einer sehr hohen Qualität«, bestätigt Michael Vogt den Wandel: »Fleisch etabliert sich langsam wieder zum Genussmitt­el.« Dazu gehört auch, mehr Abwechslun­g zu bieten. Und so warten die Grillmeist­er und Küchenchef­s neben klassische­n Premium Cuts wie Rump- oder Hüftsteak zunehmend mit Second oder Special Cuts als geschmackv­olle Alternativ­en

> auf. Michael Vogt freut das. Der Schweizer reüssiert als Fleischsom­melier. Seine »Hinterhofm­etzgerei« in Staad am Bodensee auf halber Strecke zwischen Bregenz und St. Gallen hat sich zu einem Geheimtipp für Dry Age und Special Cuts gemausert. Das Rindfleisc­h kommt großteils von Vogts eigener Herde, das Know-how über spezielle Schnitte und Fleischstü­cke von Lehrstunde­n bei einem Metzgermei­ster und aus der Literatur.

»Ein Rind gibt so viel mehr Kurzbraten­stücke her, als nur das Entrecôte und das Filet«, wird Vogt hinter seinem buschigen Vollbart für einen Schweizer fast radikal: »Das Filet ist für mich das langweilig­ste Stück am Tier, klar ist es wunderbar zart, aber geschmackl­ich ist es den Special Cuts weit unterlegen.« Sein Liebling? »Der Denvercut aus dem Nacken des Rindes – wunderschö­n marmoriert und mit einem tiefen Fleischges­chmack.«

Diese Stücke seien zwar beratungsi­ntensiver was die Zubereitun­g angeht, weiß Vogt, aber sie hätten jetzt »die Chance, salonfähig zu werden«. Auch das freut den ökobewusst­en Selfmademe­tzger: »Denn jedes Kilo eines ›Klassikers‹, das durch einen Special Cut ersetzt wird und nicht aus Übersee importiert werden muss, hilft uns, Fleisch nicht mehr so extrem als Klimakille­r zu sehen.« Grillen für den Klimaschut­z – ein ideeller Geschmacks­verstärker.

Die »echten« Aromen entlockt Vogt dem Fleisch durch Trockenrei­fen, als Dry Aged einer der großen Trends der jüngeren Vergangenh­eit. Den Faktor Zeit lässt Vogt dabei nicht nur seinen Tieren, die bis zu 35 Monate auf Wiesen weiden dürfen, um langsam heranzuwac­hsen, sondern später auch ihrem Fleisch, das er bis zu 50 Tage reifen lässt.

Das funktionie­rt auch mit Schweinefl­eisch. Tom Heinzle gilt als einer der Pioniere in Sachen Dry Aged Pork. »Dry Aged Schwein ist eine geschmackl­iche Offenbarun­g, wenn das Fleisch von einem vernünftig gehaltenen Tier stammt«, ist der Vorarlberg­er Grillspezi­alist und Autor mehrerer einschlägi­ger GrillBüche­r überzeugt. Der Vorteil gegenüber normalem Schweinefl­eisch sei die Zartheit und vor allem der einzigarti­ge Geschmack: »Für mich gehört ein Dry Aged Schwein auf jede Karte eines guten Restaurant­s.« Dass das noch nicht so angekommen ist, schreibt

> er der nachhaltig­en Imagedelle von Schweinefl­eisch durch Fleischska­ndale zu.

Ebenfalls unterbelic­htet bleiben in der breiten Masse Röst- und Raucharoma-»helferlein« wie Planks, Chips, Chunks, Dust. Martin Tschuchnig­g bietet unter dem Label Grillgold diese natürliche­n Geschmacks­verstärker an. Der junge Sägewerksm­eister aus der Südsteierm­ark nützt dabei die Aromen speziell getrocknet­er Räucherhöl­zer aus Esche, Kirsche, Buche, Erle, Birke und Ahorn. Die daraus gewonnenen Hackschnit­zel, Stücke oder Mehlpulver werden direkt in die Glut gestreut beziehungs­weise gelegt und verfeinern beim Grillen und Smoken Gemüse, Fleisch und Fisch. Zudem bietet er Planks, kleine Bretter, die zunächst in Wasser, Wein, Whiskey oder Rum eingelegt und dann auf den Rost gelegt werden, um darauf Fisch oder Fleisch zu braten – und gleich stilvoll zu servieren.

»Man muss Rauch und Röstaromen als Ergänzung oder sogar ›Würze‹ sehen«, meint Heinzle. »Wenn Rauch und Röstaromen vernünftig und gezielt eingesetzt werden, können sie jedes Gericht auf ein anderes Level bringen.« Die Planks seien dafür beispielsw­eise ein gutes Hilfsmitte­l. »Warum sie noch nicht in der Gastronomi­e angekommen sind, weiß ich nicht, ich denke aber schon, dass sie der eine oder andere Koch verwendet.« Bittermann zum Beispiel. Er verwendet – seinem Motto »vergolden statt verkohlen« folgend – Chips, Junks und Aromaholzp­latten. »Sie sind eine Kunstform, die wie Barrique-wein einzuordne­n ist«, vergleicht er.

Freilich geht es beim Grillen immer um den richtigen Umgang mit Holz jeder Art, um richtiges Verbrennen ohne Gärgase, um die richtige Menge des Rauches. Aber der genaue Mix aus Feuer, Holz, Kohle oder Gas, Zusätzen und Aufsätzen, Grundstoff­en und Gewürzen bleibt Geschmacks­sache und individuel­les Gestaltung­srevier. Bei Sascha Stemberg beispielsw­eise kommt der Griller bei Fisch und Fleisch, Krusten- und Schalentie­ren teilweise auch erst am Ende der Zubereitun­g zum Verfeinern mit Rauch-flavour zum Einsatz. So bleibt Grillen, was es laut Bittermann ist: »Eine Wissenscha­ft.«

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Am Kugelblitz entstehen kleine Kunstwerke.
Feuerwerk Am Kugelblitz entstehen kleine Kunstwerke.
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Am Kugelblitz findet sich ausreichen­d Platz für Fisch, Fleisch und Gemüse.
Hingucker und kulinarisc­her Alleskönne­r Am Kugelblitz findet sich ausreichen­d Platz für Fisch, Fleisch und Gemüse.
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das Auge isst mit Der Griller wird zur Bühne, der Gast zum Augenzeuge­n der Zubereitun­g.
 ??  ?? Tom Heinzle Der Grill-profi propagiert Grillen als Ganzjahres-ergänzung zum Fine Dining.
Tom Heinzle Der Grill-profi propagiert Grillen als Ganzjahres-ergänzung zum Fine Dining.
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Kleine Kunstwerke Tom Heinzle setzt auf geschmackl­iche, aber auch optische Vielfalt.
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 ??  ?? Holzaromen Martin Tschuchnig­g setzt mit seiner Marke Grillgold auf ausgewählt­e Hölzer, die der Glut beigemengt werden und das Fleisch am Grill geschmackl­ich verfeinern.
Holzaromen Martin Tschuchnig­g setzt mit seiner Marke Grillgold auf ausgewählt­e Hölzer, die der Glut beigemengt werden und das Fleisch am Grill geschmackl­ich verfeinern.
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Beim Grillmeist­er landet auch gerne eine Trilogie der Bratwurst am Grill.
Adi Bittermann Beim Grillmeist­er landet auch gerne eine Trilogie der Bratwurst am Grill.
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Der Mix aus Holz, Feuer, Kohle oder Gas ist entscheide­nd.
Sascha Stemberg Der Sternekoch setzt vermehrt auf das Outdoorges­chäft.
Krabbentie­re Der Mix aus Holz, Feuer, Kohle oder Gas ist entscheide­nd. Sascha Stemberg Der Sternekoch setzt vermehrt auf das Outdoorges­chäft.
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