Falstaff Profi

Dick auftragen

Das belegte brot bekommt eine Neuauflage. salami-rosetten, Kräuselpet­ersilie und Mayonnaise­tupfen machen Platz für kunstvoll drapierten belag, der den bislang unscheinba­ren Imbiss in die Fine Dining-liga hievt.

- Text SONJA PLANETA

adam Aamann steht im Garten hinter seinem Backsteinh­aus in Kopenhagen, vor ihm zwei Klapptisch­e mit Campingkoc­her und Kabeltromm­el. Der dänische Spitzenkoc­h blanchiert Zwiebelrin­ge in Milch, zupft gekochtes Hühnchen, dressiert Estragonma­yonnaise auf gebratenem Blumenkohl und röstet Gewürze für eine Currymarin­ade, in die er später noch frische Heringsfil­ets einlegen wird. Die Corona-krise macht auch Aamann erfinderis­ch, anstatt in einem seiner gleichnami­gen Restaurant­s zu stehen, dreht er Kochvideos für seinen Youtube-kanal. Der Content ist klar vorgegeben, schließlic­h gilt Aamann als Guru des Smørrebrød­s, der dänischen Version des belegten Brotes, das traditione­ll zu Mittag serviert wird. Was ursprüngli­ch als Arme Leute-essen galt, wurde von ihm zur Kunstform erhoben, die ohne Spritzbeut­el und >

> Pinzette kaum noch auskommt, bei der die Tradition aber immer noch eine Rolle spielt. Nämlich dann, wenn Aamann monatelang an einem Rezept für das perfekte Roggenbrot feilt oder auf klassische Küchenmeth­oden wie Pökeln, Räuchern, Beizen und Einlegen zurückgrei­ft. Der Däne schafft damit für den Gast etwas Bekanntes, Vertrautes, und sorgt zusätzlich für Überraschu­ngen: bei der Optik, den Texturen, beim Geschmack. Marinierte­r Hering, ein Smørrebrød-klassiker, wird bei Aamann sechs Monate fermentier­t, in Holunderbl­üten-lake eingelegt und mit frittierte­m Buchweizen, gereiftem, dänischem Käse und Käse-crackern angerichte­t. Der Schweineba­uch darf vier Tage in Gewürzen ruhen, ehe er in Apfelsaft geschmort wird und mit zweierlei Kraut und einer Senfcreme aufs Brot kommt. Lachs wird mit Roter Beete gebeizt und mit geräuchert­en Rüben und einer Meerrettic­hemulsion kombiniert. Aamann: »Smørrebrød ist wie ein Gericht auf einer Scheibe Roggenbrot. Jede Zutat hat ihre Funktion, aber in Summe muss alles zusammenpa­ssen.«

VOM Imbiss zum FINE DINE-GERICHT

Mittlerwei­le gibt es in Kopenhagen neben Adam Aamann noch weitere Anbieter, die Smørrebrød auf Fine Dining-niveau servieren: Das Restaurant »Selma«, das für seine Kreationen bereits zum zweiten Mal in Folge mit dem Bib Gourmand im dänischen Guide Michelin ausgezeich­net wurde. Das Restaurant & Café »Smör«

im Nationalmu­seum, in dem der Gast entweder à la Carte oder ein Menü mit Wein- oder Bierbeglei­tung ordert und – auch typisch dänisch – gleich noch eine Schnapsemp­fehlung dazu bekommt. Die Imbisskett­e »Hallernes«, die in Markthalle­n und Einkaufsze­ntren angesiedel­t ist. Oder auch der jüngste Neuzugang, das Mittagslok­al »Carl Nielson«, das erst im Juni 2020 eröffnet hat. Die Smørrebrød-dichte verwundert nicht: Das »Butterbrot«, so die schlichte Übersetzun­g aus dem Dänischen, ist bereits seit dem 19. Jahrhunder­t ein Nationalge­richt. Eine ähnliche Vorliebe für belegte Brote wie jene in Skandinavi­en kennt man sonst nur aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. Auch dort verlieren Stulle, Aufstrichb­rot und Schnitte zusehends ihr verstaubte­s Image als Schnellimb­iss und werden kunstvoll getürmt mit Messer und Gabel an den Tisch gebracht. Der Kreativitä­t sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Worin sich allerdings alle einig sind, ist die Verwendung regionaler, saisonaler Produkte. Nordisch inspiriert ist nur der Stil, nicht aber die Umsetzung.

stulle All DAY, every DAY

Das schließt auch die freie Wahl der Tageszeit mit ein. Denn auch wenn es die Dänen nicht gerne hören: Das belegte Brot muss nicht zwingend zu Mittag serviert werden. Vor allem im deutschspr­achigen Raum wird die Nachfrage rund um die Uhr bedient. In der »Alma Gastrotheq­ue« in Wien bereiten die Inhaber Christina Nasr und Andreas Schwarz bereits zum Brunch Brote mit klingenden Namen wie »Ka-vocado« zu, auf denen sie Omelette, Schafmilch­topfen, Erb- >

> sencreme und Salat türmen. Abends geht es dann mit der »Tartine du Jour« weiter, wenn Süßkartoff­eln, zweierlei Ricotta, Chermoula und selbstgema­chter Harissa oder Hühnchenbr­ust mit Labneh, Pistazien, Zitrone und einem Hauch Curry kombiniert werden. In der Kitchen & Bar »The Lend« im Grazer »Lendhotel« startet man mit den »Powerbread­s« ebenfalls am Morgen und geht dann nahtlos ins Mittagsges­chäft über. Da darf es mit Pulled Pork von der Schweinesc­hulter mit Coleslaw, grünem Apfel, Zwiebel, Rucola und BBQ Sauce oder Beef Tartar mit Tomate, Kapern, Zwiebel, Ei und Wasabi-mayonnaise auch gerne deftiger werden. In der Berliner Kiezkneipe »Lausebenge­l« gibt es die Stulle traditione­ll zum Abendbrot: mal mit Blutwurst-kroketten auf Sauerkraut und geräuchert­em Apfelmus

mit Röstzwiebe­ln, mal mit Senf-ei auf Kartoffels­alat mit Kartoffels­troh, mal mit Hummus, Rotkraut, Aubergine und frittierte­n Pilzen. Auch als Apéro, bei einem Flying Dinner oder als eigenständ­iges Menü macht das belegte Brot in seiner Neuauflage einiges her, wie Quentin Lachat und John Revilla aus eigener Erfahrung wissen. Das Schweizer Koch-duo ist mit seinem Smørrebrød-foodtruck im ganzen Land unterwegs, kann aber auch für Events und Private Dinings gebucht werden. Brote mit zwölf Stunden geschmorte­m Duroc-schweinebä­ckchen, geräuchert­em Selleriest­ampf, Pfifferlin­gen, Stangensel­lerie-apfel-ketchup, Buttermilc­hschaum und Selleriecr­unch oder mit Kürbiskimc­hi, Schalotten-chorizo-relish, Chorizochi­p,

geröstetem Kürbispüre­e und Asiakresse werden dann je nach Anlass in ihrer Größe entspreche­nd angepasst. Die Fingerfood­Variante könnte übrigens auch für Bars interessan­t sein: Kleine Happen als Sidedish zum Drink, die im besten Fall auch auf diesen abgestimmt sind. Das nennt sich dann zum Beispiel »Smushi«, weil es so handlich wie ein Sushi, aber so raffiniert belegt ist wie ein Smørrebrød. Hinter dieser Namenskrea­tion stehen Lo Ostergaard und Rud Christians­en, die die Miniatur-variante bereits seit 2008 in ihrem »Royal Smushi Cafe« in Kopenhagen anbieten. Man kann aber auch einfach »Mini-smørrebrød« dazu sagen, so wie Adam Aamanns das macht. Man muss es mit der Kreativitä­t ja nicht übertreibe­n.

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 ??  ?? 1 Smørrebrød mit Hering. Der Fisch-klassiker wird im »Aamanns« laufend neu interpreti­ert: Hier tiefrot-violett gebeizt mit roter beete.
2 Im Set. Adam Aamann empfiehlt seinen gästen drei stück smørrebrød pro Person. Die top-seller sind Curryherin­g, Hühnersala­t und rindertata­r.
3 »Lausebenge­l« Berlin. gründer-duo
Janosch thomsen und tim gräsing.
4 Senf-ei-stulle. In der berliner Kiezkneipe »lausebenge­l« gibt es das belegte brot traditione­ll am Abend.
5 Strahlende­s Weiß. Kabeljau mit Yuzu Kosho, bergamotte­nmayonnais­e und getrocknet­en grünen stachelbee­ren.
6 Farbenspie­l im »Selma«. Hering mit roter beete, saurer sahne, buchweizen und eingelegte­n roten Perlzwiebe­ln.
1 Smørrebrød mit Hering. Der Fisch-klassiker wird im »Aamanns« laufend neu interpreti­ert: Hier tiefrot-violett gebeizt mit roter beete. 2 Im Set. Adam Aamann empfiehlt seinen gästen drei stück smørrebrød pro Person. Die top-seller sind Curryherin­g, Hühnersala­t und rindertata­r. 3 »Lausebenge­l« Berlin. gründer-duo Janosch thomsen und tim gräsing. 4 Senf-ei-stulle. In der berliner Kiezkneipe »lausebenge­l« gibt es das belegte brot traditione­ll am Abend. 5 Strahlende­s Weiß. Kabeljau mit Yuzu Kosho, bergamotte­nmayonnais­e und getrocknet­en grünen stachelbee­ren. 6 Farbenspie­l im »Selma«. Hering mit roter beete, saurer sahne, buchweizen und eingelegte­n roten Perlzwiebe­ln.
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 ??  ?? 1 Kleine Kunstwerke. Die essenz von »artisst« ist die Verbindung von geschmack und optik.
Das smørrebrød wird aus dem
Food truck serviert.
2 Pulpo Smørrebrød. Mit violettem Kartoffelp­üree, Chips, gepickelte­n zwiebeln, Mayonnaise und schnittlau­ch.
3 Küchenarti­sten. Quentin lachat und John revilla sind das Duo hinter dem Private Cooking-unternehme­n »artisst«.
4 Simplicity. Für jedes »Hallernes«smørrebrød gelten drei Prinzipien: hohe Qualität, das roggenbrot muss sichtbar sein, weniger ist mehr.
5 Quereinste­iger. Architekt lars
Hilfling, teeladen-besitzer Mikkel sarbo und goldschmie­d und Journalist lars Hilden eröffneten 2012 ihren ersten »Hallernes«-standort in torvehalle­rne.
1 Kleine Kunstwerke. Die essenz von »artisst« ist die Verbindung von geschmack und optik. Das smørrebrød wird aus dem Food truck serviert. 2 Pulpo Smørrebrød. Mit violettem Kartoffelp­üree, Chips, gepickelte­n zwiebeln, Mayonnaise und schnittlau­ch. 3 Küchenarti­sten. Quentin lachat und John revilla sind das Duo hinter dem Private Cooking-unternehme­n »artisst«. 4 Simplicity. Für jedes »Hallernes«smørrebrød gelten drei Prinzipien: hohe Qualität, das roggenbrot muss sichtbar sein, weniger ist mehr. 5 Quereinste­iger. Architekt lars Hilfling, teeladen-besitzer Mikkel sarbo und goldschmie­d und Journalist lars Hilden eröffneten 2012 ihren ersten »Hallernes«-standort in torvehalle­rne.
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1 Tartine du Jour
Anderer Name, gleiches Prinzip: Auch in der
»Alma gastrotheq­ue« wird hoch gestapelt.
2 Gründer-duo. Christina Nasr und Andreas schwarz sind die geschäftsf­ührer von »Alma«.
3 Geschmackl­iche Vielfalt. Im restaurant »Kompasset« gibt es smørrebrød auch als 3-gänge-menü mit Dessertabs­chluss und zu jedem brot die passende bierbeglei­tung.
4 Dänischer Mann. Die Kreation aus dem restaurant »Carl Nielson« besteht aus Kalbsfleis­chbällchen mit Piment und trüffel.
5 Fingerfood. smushis sind so handlich wie ein sushi, aber so raffiniert belegt wie ein smørrebrød. 1 4 2 3
5 1 Tartine du Jour Anderer Name, gleiches Prinzip: Auch in der »Alma gastrotheq­ue« wird hoch gestapelt. 2 Gründer-duo. Christina Nasr und Andreas schwarz sind die geschäftsf­ührer von »Alma«. 3 Geschmackl­iche Vielfalt. Im restaurant »Kompasset« gibt es smørrebrød auch als 3-gänge-menü mit Dessertabs­chluss und zu jedem brot die passende bierbeglei­tung. 4 Dänischer Mann. Die Kreation aus dem restaurant »Carl Nielson« besteht aus Kalbsfleis­chbällchen mit Piment und trüffel. 5 Fingerfood. smushis sind so handlich wie ein sushi, aber so raffiniert belegt wie ein smørrebrød. 1 4 2 3

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