Falstaff Spezial (Deutschland)
»WIR SCHAFFEN GLÜCKSMOMENTE«
Michael Käfer im Interview über seine Rolle als weltweiter Gastgeber
Er lebt dafür, Menschen Wünsche zu erfüllen: Michael Käfer im Gespräch über Lampenfieber, den idealen Gastgeber und warum er seinen Titel gerade geändert hat.
FALSTAFF Herr Käfer, auf wie vielen Partys waren Sie in Ihrem Leben?
MICHAEL KÄFER Ich mache Party, seitdem ich 14 bin (lacht). 12.000 kommen schnell zusammen, ich mache den Job ja schon seit mehr als 50 Jahren.
Zu Ihrem 90-jährigen Firmenjubiläum wollten Sie auch eine Riesenparty schmeißen – dann kam die Corona-Krise. Was bedeutet das für Sie?
Wir werden die große Feier auf unseren 100. Geburtstag verschieben. Jetzt sind andere Dinge wichtiger. An erster Stelle stehen die Mitarbeiter, die man bei der Stange halten muss. Dann denken wir darüber nach, was wir in der Zukunft verändern können. Ich habe auch meinen Titel in der Krise geändert. CEO heißt für mich gerade Chief Emotional Officer. Den Kunden und Mitarbeitern ein Lächeln zu zeigen, einen netten Satz zu sagen, das bringt ganz viel.
Wie sieht Ihr Tagesablauf normalerweise aus? Ich komme meistens um halb neun oder neun, weil ich immer zu spät dran bin (lacht), ins Büro. Außer ich bin unterwegs, was häufiger vorkommt. An mindestens 250 Tagen bin ich auf Veranstaltungen von uns. Da kommt man unterschiedlich heim, mal ist es um 22 Uhr, mal ganz spät. Zum Glück habe ich eine sehr verständnisvolle Frau, die das akzeptiert. Für mich ist das überhaupt kein Stress. Wenn ich auf Veranstaltungen sein darf, ist das ein Highlight. Das Adrenalin rauscht durch die Adern, wenn du Menschen bewirten darfst. Zwischendurch versuche ich aber immer, kurz zu den Kindern zu fahren.
Was ist die größte Schwierigkeit in Ihrem Job? Gute Mitarbeiter zu finden, die gerne mehr machen als verlangt wird. Das ist ja unsere Philosophie. Ende der 50er-Jahre, als mein Vater mit der Idee des Party Service angefangen hat, war er der Einzige, der das gemacht hat. Im Stammhaus war mein Onkel der Erste, der darauf kam, besondere Lebensmittel aus der ganzen Welt zu finden. Das, kombiniert mit dem Party Service, war etwas Besonderes. Mittlerweile gibt es viele sehr gute Kollegen. Allein die Supermärkte sind oft irrsinnig gut sortiert. Jetzt müssen wir neue Wege finden, wie wir uns unterscheiden können.
Auf 12.000 Partys war Michael Käfer in seinem Leben – grob geschätzt. Schon mit zehn Jahren kellnerte er im Familienbetrieb.
Welche Fähigkeiten sind unverzichtbar in Ihrer Branche?
Die Fähigkeit, sich in sein Gegenüber einzufühlen. Dass man nicht einfach eine Schublade aufmacht und sagt: Ich habe da ein Konzept. Es gibt Leute, die wollen schlicht feiern, obwohl sie sich mehr leisten könnten. Dann gibt es andere, die wollen sehr hochwertig feiern, aber bestimmte Themen auslassen. Dieses Gespür für die Wünsche der Kunden ist das Schwierigste und zugleich das, was wir können müssen.
Ich habe eine Anekdote von Ihnen gelesen, die viel verrät. Sie sagten: »Ich schärfe meinen Leuten ein: Wenn eine 85-jährige Dame ihren Geburtstag feiert, vier Freundinnen einlädt und einen Rehrücken dazu bei uns bestellt, ist die Dame in diesem Moment sehr stolz. Unsere Aufgabe ist es, ihre sehr hohen Erwartungen zu erfüllen. Der Auftrag mag für uns vielleicht nur hundert Mark Umsatz bedeuten, aber auch dieser kleine Auftrag muss wie eine Party zelebriert werden.« Ist dieser Anspruch das Geheimnis hinter dem Käfer-Erfolg?
Natürlich, dazu stehe ich, auch wenn wir heute auf Euro wechseln sollten (lacht). Für diese Dame, selbst wenn es bloß ein Kuchen ist, den wir ihr schicken, ist es eine Sache, die sie nicht vergisst. Letztendlich kann man solche Veranstaltungen, die ja sehr viel Geld kosten, nur damit rechtfertigen, dass sie unvergesslich sind. Von einer gelungenen Feier kann man viele Jahre zehren. Wir erzeugen Glücksmomente; das ist unser Geschäft.
Was ist die Käfer-Essenz – in einem Satz?
Es gibt nichts, was es nicht gibt. Wir wollen alle Dinge möglich machen, die irgendwie möglich sind.
Was macht einen idealen Gastgeber aus?
Ich unterscheide zwei Arten. Die einen wissen genau, was sie wollen. Ein Beispiel: Ich habe einmal für einen Freund eine Party organisiert. Er wollte ganz kleine Tische haben, höchstens 50 Zentimeter breit. Ich war nicht begeistert und fragte mich, wie sollen wir die dekorieren, habe das aber akzeptiert. Später war ich auch auf der Party und hatte einen der besten Abende, weil wir alle so eng zusammensaßen und miteinander geredet haben. Wenn jemand aber sagt: Das
ist nicht mein Metier, hier ist das Budget, mach’ einfach so, wie du es für richtig hältst – das ist für mich ein ebenso idealer Gastgeber. Hauptsache, am Ende sind alle zufrieden.
Sie gelten – ähnlich wie Ihr Vater – als Perfektionist. Können Sie auch mal locker lassen?
Nein, eigentlich nicht. Auf unseren eigenen Veranstaltungen sowieso nicht. Wenn ich auf einer Veranstaltung eingeladen bin, die wir nicht machen, bin ich sauer, dass wir sie nicht machen. Das gebe ich auch zu. (lacht) Und bei sonstigen Restaurantbesuchen schaue ich mich genau um: Steht da etwas, was besonders schön ist? Ist der Kellner genauso höflich, wie man es gern hat? Wenn man einen Beruf aus Leidenschaft macht, dann hört man nicht auf, darüber nachzudenken.
Stimmt es, dass Sie auch mit 62 noch immer Lampenfieber vor Caterings haben? Ja, vor Veranstaltungen bin ich nervös und werde es immer sein. Ich finde das wichtig, damit alles funktioniert.
Sie decken mit Ihrem gastronomischen Angebot alles ab, vom deftigen bayerischen Schweinsbraten bis zur hochfeinen Zwei-Sterne-Küche. Was essen Sie selbst am liebsten? Ich bin aufgewachsen bei einer schwäbischen Großmutter und bei meiner Mutter, beide waren wunderbare Köchinnen. Die schwäbische Küche habe ich irgendwo tief in mir drinnen und freu mich bis heute darüber. Spätzle, vom Brett runtergeschabt, ein wunderbarer Tafelspitz oder auch ein schönes, welliges Schnitzel vom Kalb – das sind sicherlich Lieblingsgerichte.
Wie definieren Sie für sich selbst Genuss, und was bedeutet das Thema Ihnen persönlich? Genuss heißt manchmal auch Verzicht.
»DAS ADRENALIN RAUSCHT DURCH DIE ADERN, WENN DU MENSCHEN BEWIRTEN DARFST. FÜR MICH IST DAS EIN HIGHLIGHT.« MICHAEL KÄFER ÜBER SEIN GESCHÄFT
Michael Käfer im Feier-Modus: bei einer Veranstaltung, die er mit der Firma betreute (o.) und bei seinem 60. Geburtstag mit Frau Clarissa (u.).
Bei meiner Mutter gab es am 25. Dezember immer Hummer. Wenn man besondere Dinge nur selten hat, dann genießt man sie noch viel mehr.
Und was ist für Sie persönlich das größte Glück?
Eine Familie zu haben. Ich habe lange gebraucht, um das zu erreichen. Ich bin jetzt mit meiner Frau seit 14 Jahren verheiratet. Das ist ein Glück, das ich vorher nicht in dem Maße kannte. Meine Eltern sind relativ früh geschieden worden, richtiges Familienleben gab es nicht. Auf der anderen Seite ist es aber sicherlich auch ein Glück, dass ich diesem Unternehmen vorstehen darf.
1984 erhielten Sie das »P1« von Ihrem Vater Gerd, da waren Sie 26. Binnen weniger Jahre machten Sie es zu einem der angesagtesten Clubs der Welt. Alle Stars waren da, Mick Jagger, Queen – Whitney Houston hatte ihren ersten Europa-Auftritt dort. 2017 verkauften Sie das »P1«. Vermissen Sie manchmal die guten alten Zeiten?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte relativ viel Glück. Zu der Zeit war München ein Hotspot, besonders im Musikbusiness. Die wichtigsten Studios in Europa saßen in München. Klar, wir waren auch fleißig. Ich war einer der Ersten, der gesagt hat: Im Nachtclub muss sich nicht der Besitzer feiern, da müssen sich die Gäste feiern. Ich verdanke dem »P1« mein berufliches Leben. Wenn man im Beruf startet und gleich erfolgreich ist, dann kriegt man ein bisschen den Siegerblick in die Augen. Die Zeit war toll, aber ich vermisse sie überhaupt nicht. Das ist wie ein Sportler, der mit 35 aufhört.
Als Sie 13 waren, baute Ihr Vater zum ersten Mal seinen Stand auf dem Oktoberfest auf. Erinnern Sie sich noch an die Zeit?
Ja, vor allem erinnere ich mich an die Zeit drei Jahre später, als wir an den Platz gewechselt sind, wo wir auch heute noch stehen. Von dem Moment an habe ich jedes Jahr mit Vollgas mitgearbeitet. Das Oktoberfest hat mich, ähnlich wie das »P1«, beruflich stark geprägt. Hier habe ich alle Themen der Gastronomie gelernt. Zum Beispiel, dass man bei Küchen nicht nur einen Herd braucht, sondern Fettabscheider, Kanäle, weiß Gott was alles. Auf dem Oktoberfest
habe ich fast mehr gelernt als im Studium oder in der Schule.
Im Unterschied zu anderen Familienunternehmen bekamen Sie die Firma nicht vererbt oder geschenkt. Sie haben sich alles selbst erarbeitet, angefangen mit einem Startkapital von 25.000 Mark Ihrer Großmutter. Eine Herausforderung ...
Das ist richtig, ich hatte aber das Glück, die Familie im Hintergrund zu haben. Viele Leute haben mir Vertrauen geschenkt, so kam ich zum Beispiel über eine Brauerei an ein Darlehen. Außerdem besaß meine Großmutter vom Hauptgeschäft 20 Prozent, und diese 20 Prozent habe ich von ihr geschenkt bekommen. Die restlichen Anteile habe ich käuflich erworben.
Es gibt dieses ikonische Bild von Ihrem Vater Gerd inmitten von Hummern, dem Inbegriff von Feinkost. Ist das heute überhaupt noch angesagt, Hummer, Kaviar, Foie gras? Überhaupt nicht mehr. Wir leben in einer ganz anderen Zeit. Die Zeit meines Vaters war die des Wirtschaftswunders. Die Leute haben gefeiert, er war ihr Zeremonienmeister. Für ihn war der ideale Gastgeber der, der überhaupt nichts gesagt hat, sondern nur: Gerd, mach mal! Er hat den Leuten die tollsten Feste gebracht, und sie waren begeistert davon.
Ihr Unternehmen ist eng mit München verbunden. Wäre die Erfolgsgeschichte auch in Berlin oder Hamburg möglich gewesen? Absolut nein. Mein Vater und mein Onkel waren in der richtigen Stadt zur rechten Zeit. München war von 1960 bis 1990 die Gesellschaftsstadt in Deutschland. Mittlerweile hat sich das nach Berlin verlagert, aber für die Kulinarik in der Nachkriegszeit kam alles Spannende aus München.
In den 70er-Jahren war bayerische Küche der letzte Schrei, in den 80ern begann der Siegeszug der italienischen Küche, dann kam der Asia-Hype, zuletzt wieder der Fokus auf Regionalität. Kommt wirklich alles wieder? Im Prinzip schon. Es gibt Gemüse, es gibt Fleisch und noch ein paar andere Dinge. Eigentlich geht es immer um eine geschickte Kombination. Im Moment merken wir, dass Globalisierung nicht alles ist – in der Kulinarik wissen wir das schon länger.
»AUF DEM OKTOBERFEST HABE ICH FAST MEHR GELERNT ALS IM STUDIUM ODER IN DER SCHULE.«
MICHAEL KÄFER ÜBER DIE WIESN-ZEIT
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Sie? Eine ganz große. Meine Frau leitet unser Nachhaltigkeitsteam, weil wir beide entschieden haben, dass das Thema einen so hohen Stellenwert hat. Nachhaltigkeit ist ein Lebensgefühl, das ganz wichtig ist.
»FLEISCH WIRD IN DEN NÄCHSTEN JAHREN ZUR BEILAGE, GEMÜSE ZUR WICHTIGSTEN KOMPONENTE.«
MICHAEL KÄFER ÜBER DAS
ESSEN DER ZUKUNFT
Wann haben Sie realisiert, dass das Thema bio nicht mehr weggeht?
Bio ist für mich was ganz Normales, das wir immer hatten. Schon für meine Großeltern war bio wichtig. Weil wir versucht haben, das beste Obst und Gemüse zu finden. Unsere Wurst und unser Fleisch waren und sind immer gut und kommen von Rindern, die in ihrem Leben glücklich waren. Biologische Lebensmittel sind gute Lebensmittel.
Was verbirgt sich hinter dem Slogan »Käfer goes green«?
Er bringt unseren Ansatz auf den Punkt, den CO2-Ausstoß zu verringern. Beispiel Fleisch: Ich bin überzeugt, dass die Leute es weiterhin essen werden. Allerdings wird Fleisch in den nächsten Jahren zur Beilage und Gemüse zur Hauptkomponente. Wenn wir weniger Fleisch essen, brauchen wir weniger Tiere, und sie stoßen weniger CO2 aus. Viele weitere Sachen gehören dazu: plastikfrei werden, über Ressourcen nachdenken, lauter Kleinigkeiten. Wenn jeder das macht, kriegen wir das schon hin.
Sie legen viel Wert auf neue Entwicklungen und Trends, setzen auf einen 3D-Drucker in der Konditorei. Wie muss man sich das vorstellen, gibt es eine Forschungsabteilung?
Es entsteht wahnsinnig viel aus dem Bauch heraus. Viel kommt von meiner Frau, von mir oder aus dem Führungskreis. Neue Ideen und Impulse sind wichtig für uns. Sie lassen sich aber nur umsetzen, wenn jeder Einzelne mitzieht. Wenn die Leute sagen würden, das ist alles Blödsinn, dann kriegst du auch die Dinge im Unternehmen nicht durch.
Ihr Geschäft ist ein People Business. Was sagt der Visionär Michael Käfer zu künstlicher Intelligenz und Robotern in der Küche? Es wird mehr schlaue Maschinen geben, die uns in der Küche Arbeit abnehmen. Schon deshalb, weil weniger Leute den Kochberuf ergreifen. Auf der anderen Seite brauchen wir kreative Köche und Menschen, die ein Lächeln draufhaben. Die Menschlichkeit gehört zu unserem Job dazu. Ob eine Fastfood-Kette Hamburger von Hand macht oder per Roboter, ist egal. Aber vorne an der Kasse muss jemand stehen, der lächelt.
Was ist das nächste große Ding im Catering und in der Küche?
Gesundheit und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger. Früher war es für unsere Kunden das Größte, wenn das Buffet üppig war und viel draufgelegen hat. Heute müssen Buffets schön aussehen, aber man darf nicht das Gefühl haben, dass nachher ein Drittel weggeschmissen wird. Ich glaube außerdem, dass wir bald smarte Uhren tragen, die uns sagen, was wir essen sollen. Zum Beispiel: Du kannst auch mal über die Stränge schlagen, aber iss am nächsten Tag nur Gemüse, damit dein Körper wieder in Ordnung kommt. Die Gesundheit des Körpers und des Planeten – beides wird uns die nächsten Jahrzehnte beschäftigen.
Wie lange wollen Sie noch operativ im Geschäft bleiben?
Ich möchte keine Hochzeit catern, bei der die Braut mich anschaut und sagt: Herr Käfer, Sie haben ja noch die Rolling Stones live gesehen. (lacht) Ernsthaft: In den nächsten fünf Jahren möchte ich mir ein Management aufbauen und mich dann auf die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden zurückziehen. Natürlich werde ich mir bis zum letzten Atemzug Gedanken über die Firma machen. Aber wenn man aus dem Tagesgeschäft rausgeht, darf man auch nicht mehr eingreifen.
Sie haben Zwillinge, die neun Jahre alt sind. Sollen Ihre Söhne irgendwann mal ins Unternehmen einsteigen?
Clarissa und ich versuchen, ihr Interesse für das Unternehmen zu wecken. Die Chancen stehen nicht schlecht: Einer der beiden hat schon als Sechsjähriger am liebsten Sushi gegessen und konnte rausschmecken, ob es gut oder schlecht war. Der andere ist ein extremer Entertainer, der Menschen öffnen kann. Vielleicht steigen sie ein – wir haben vorhin über Glücksmomente gesprochen, und das wäre einer für mich. Aber vielleicht machen sie auch etwas vollkommen anderes. Das weiß ich nicht.