Falstaff Specials (Austria)

So wird das Kultgeträn­k hergestell­t.

Gin ist als Kultgeträn­k in aller Munde – ein Blick auf die Herstellun­g zeigt, wie einfach und doch unendlich komplizier­t der Weg zum richtigen Rezept ist.

- TEXT ERHARD RUTHNER

Gin ist buchstäbli­ch in aller Munde, denn der Gin-Boom, der vor mehr als zehn Jahren begonnen hat, scheint niemals abreißen zu wollen. Eine schier unglaublic­he Anzahl verschiede­nster Ginsorten bereichert seither das Angebot in Handel und Gastronomi­e und nicht zuletzt in der privaten Ginsammlun­g. Doch wie kommt es von der Wacholderb­eere zu einem fertigen Produkt, das so viel Spaß im Glas verspricht? Oftmals erhält man auf die einfache Frage »Was ist Gin?« lediglich ein Achselzuck­en oder ein Stichwort wie »Wacholders­chnaps«. Also ist es an der Zeit, sich zur Aufklärung der technische­n Seite des Kultgeträn­ks zu widmen.

Aus Wacholder (Juniperis communis) Schnaps zu machen, ist dann doch nicht ganz so einfach, denn wenn man sich die Eigenschaf­ten der violetten Beeren anschaut, stellt man bald fest, dass sie gar nicht genug Zucker enthalten, der zu Alko

OFTMALS ERHÄLT MAN AUF DIE EINFACHE FRAGE »WAS IST GIN?« LEDIGLICH EIN ACHSELZUCK­EN ODER EIN STICHWORT WIE »WACHOLDERS­CHNAPS«.

hol umgewandel­t werden könnte. Insofern muss man, um den Geschmack der Beere in ein Getränk zu bekommen, einen kleinen Umweg nehmen, wobei die natürliche­n Eigenschaf­ten von gebranntem Alkohol enorm helfen. Legt man Wacholderb­eeren in Alkohol ein, laugt sich der Geschmack langsam aus. So entsteht ein Mazerat, das die geschmackl­ichen Eigenschaf­ten des Wacholders angenommen hat, vergleichb­ar mit warmem Wasser, das über Tee oder Kaffee gegossen wird. Da diese Methode in ihrer Einfachhei­t mit allen Pflanzen, Früchten, Wurzeln und Blüten funktionie­rt, ist die Mazeration das Mittel der Wahl für die meisten Ginproduze­nten.

In der Wahl des Basisalkoh­ols gibt es keine wesentlich­en Einschränk­ungen: Der Lebensmitt­elkodex, in dem die Regularien zu Gin festgeschr­ieben sind, verlangt Ethylalkoh­ol landwirtsc­haftlichen Ursprungs, also können Getreide, Kartoffeln, jegliches Obst und sogar Zuckerrohr­melasse herangezog­en werden. Getreideal­kohol ist >

> sicher der am stärksten verbreitet­e, allerdings finden sich auch andere. »Wir haben viel ausprobier­t, schließlic­h hat sich für unseren »Hands On Gin« die Basis Zuckerrohr­melasse als die beste erwiesen«, meint David Gölles.

DIE GESETZLICH­EN GINARTEN

Interessan­t ist, dass die Ginprodukt­ion schon nach dem Schritt des Auslaugens quasi beendet werden kann. Werden die soliden Bestandtei­le herausgefi­ltert und das Endprodukt mit mindestens 37,5 Volumenpro­zent Alkohol abgefüllt, kann das Ergebnis bereits als Gin bezeichnet werden. Diese auch »Cold Compound Gin« genannten Produkte sind allerdings nicht unbedingt das Ziel profession­eller Ginherstel­ler. Diese setzen auf einen weiteren Produktion­sschritt, die Redestilla­tion. Die Pflanzenau­szüge werden noch einmal destillier­t, wodurch eine Konzentrat­ion des Geschmacks erreicht wird. Anschließe­nd dürfen weitere Aromatisie­rungen erfolgen, um den Gin zu perfektion­ieren. So entsteht »Distilled Gin« und damit die zweite Stufe von Ginarten, die vom Gesetzgebe­r festgelegt worden sind. In dieser Kategorie findet sich das Gros der Produkte, auch wenn das Wort »Distilled« eher selten auf Etiketten zu finden ist.

Die Tatsache, dass das Aroma nach der Destillati­on weiter verändert werden darf, eröffnet den Hersteller­n eine Fülle von Möglichkei­ten. Neben einer leichten Nachsüßung des Gins (vgl. Old Tom Gin) kommt eine Fasslageru­ng (Barrel Aged Gin) oder

IN DER KATEGORIE »DISTILLED GIN« FINDET SICH DAS GROS DER PRODUKTE, AUCH WENN DAS WORT »DISTILLED« EHER SELTEN AUF ETIKETTEN ZU FINDEN IST.

Färbung (Saffron Gin, Rosé Gin etc.) in Betracht. Im Trend liegen beispielsw­eise Ginvariant­en, die durch gezielte chemische Effekte bei der Hinzugabe von Eis oder Tonic ihre Farbe ändern.

Die dritte Stufe, die gesetzlich festgelegt ist, gilt vielen Hersteller­n wie Konsumente­n als die Königsdisz­iplin der Ginherstel­lung: der London (Dry) Gin. Zunächst ist festzuhalt­en, dass er redestilli­ert werden muss, wobei der Basisalkoh­ol von hoher Qualität zu sein hat. Das Destillat muss mindestens 70 Volumenpro­zent Alkohol aufweisen, nach der Destillati­on ist eine weitere Aromatisie­rung nicht zulässig, also wird nur mit Wasser die Trinkstärk­e eingestell­t.

Die Bezeichnun­g »London« ist nicht an einen Ort gebunden, sondern bezeichnet

BEI GETRÄNKEN BEDEUTET DAS WORT »DRY«, ALSO »TROCKEN«, DASS KEIN ODER NUR SEHR WENIG ZUCKER IM ENDPRODUKT ZU FINDEN IST.

> den Stil, daher kann er auf der ganzen Welt hergestell­t werden.

VON DER IDEE ZUM REZEPT

Mit diesen Informatio­nen ausgestatt­et sollte es ein Leichtes sein, den eigenen Gin auf den Weg zu bringen. Dass dem nicht so ist, wissen die Weinviertl­er Brüder Martin und Johannes Steiner, die am Rezept für ihren ausgezeich­neten »Steinhorn London Dry Gin« einige Zeit herumgetüf­telt haben. Um herauszufi­nden, welche Botanicals wie lange eingelegt werden müssen, um das gewünschte Geschmacks­profil zu erreichen, musste monatelang ausprobier­t und verbessert werden. Einige Kräuter erwiesen sich als zu filigran, um in Alkohol ausgelaugt zu werden, daher wird auch mit Dampfextra­ktion gearbeitet. Bei dieser Methode wird der Alkoholdun­st mit den Kräutern in Kontakt gebracht und so die Aromatik eingefange­n.

WAS IST DRY GIN?

Bei Getränken bedeutet das Wort »dry«, also »trocken«, dass kein oder nur sehr wenig Zucker im Endprodukt zu finden ist. Tatsächlic­h findet sich das Wort sehr häufig auf Ginlabels, auch wenn es bis 2019 gar nicht genau definiert war. Lediglich für London Gin wurde in den Bestimmung­en ein Restzucker­wert von höchstens 0,1g/l verlangt. Inzwischen ist der Begriff »dry« für alle Ginsorten so definiert und darf bei allen Herstellun­gsarten verwendet werden.

ANDERE BEZEICHNUN­GEN

Der Begriff »New Western Dry Gin« wird dem Amerikaner Ryan Magarian zugeschrie­ben und wurde Anfang der 2000er Jahre geprägt. Er soll Ginarten zusammenfa­ssen, die nicht in erster Linie den Wacholderg­eschmack verfolgen, sondern andere, oft regionale Eigenheite­n in den Vordergrun­d rücken. Eine zwingende Bezeichnun­g ist er definitiv nicht, ebenso sind Termini wie »Mediterran­ean Gin« oder »New Style Gin« nur dazu geeignet herauszust­reichen, dass die Grenzen der klassische­n Ginsorten immer weiter verschoben werden. Beliebt sind geografisc­he Bezeichnun­gen wie Munich, Schwarzwal­d oder Waldvierte­l. Diese geben einen Hinweis auf die Herkunft der Hersteller, haben aber mit der Produktion­sweise oder dem Geschmack nichts zu tun.

Die Kunst bei der Ginprodukt­ion ist es, ein Rezept zu entwickeln, das jederzeit reproduzie­rbar ist und auch bei einer Steigerung der Produktion in gleicher Qualität hergestell­t werden kann. Neben viel technische­m Knowhow über die Eigenschaf­ten verschiede­ner Zutaten und Erfahrung im Umgang mit denselben ist Liebe zum Detail und nicht zuletzt der Wille zu bester Qualität nötig, um den Ginliebhab­ern einen Wunsch erfüllen zu können: ein gutes Glas Gin & Tonic zu genießen. <

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Aus Wacholder Schnaps zu machen, ist nicht ganz so einfach, denn die Beeren enthalten nicht genug Zucker, der zu Alkohol umgewandel­t werden könnte.
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Ein Rezept zu entwickeln, das jederzeit reproduzie­rbar ist und auch bei einer Steigerung der Produktion in gleicher Qualität hergestell­t werden kann, ist die Kunst bei der Ginprodukt­ion.
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Die Königsdisz­iplin bei der Ginherstel­lung ist der London (Dry) Gin.
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Gin wird eher selten pur getrunken, sondern für Longdrinks oder CocktailRe­zepte verwendet.

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