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ESSENZ DER BERGE

Traditione­lle Liköre auf Basis alpiner Kiefernart­en

- TEXT BENJAMIN HERZOG

Getrennt durch hohe Gipfel, haben sich in den einzelnen Alpenregio­nen ganz eigene Bräuche und Traditione­n entwickelt. Doch die einzigarti­gen Lebensumst­ände inmitten der Berge haben auch zu Gemeinsamk­eiten geführt. Eine davon ist die Herstellun­g erstklassi­ger Edelbrände mit den verfügbare­n Naturprodu­kten – traditione­lle Liköre auf Basis alpiner Kiefernart­en gibt es beispielsw­eise überall, wo diese charakterv­ollen Bäume gedeihen.

Was sind typisch alpine Pflanzen? Das Edelweiß kommt einem bei dieser Frage schnell in den Sinn, vielleicht auch der Enzian oder der Krokus. An die Bäume der alpinen Pflanzenwe­lt hingegen denkt man selten zuerst, obwohl sie zu den fasziniere­ndsten Gattungen der Berge gehören. Die Kiefernart­en der Alpen gedeihen hoch über den Laubwälder­n. Sogar über der eigentlich­en Baumgrenze sind sie noch zu finden: Vereinzelt oder in kleinen Gruppen behaupten sie sich in den Steilhänge­n und trotzen als Einzelkämp­fer der lebensfein­dlichen Umwelt. Wenn man sich das vor Augen führt, verwundert es nicht, dass diesen knorrigen Baumgestal­ten ein gewisser Mythos innewohnt.

BAUM FÜR GENIESSER

Zu den typischen Bäumen der Alpen gehören unter anderem die Latschen- sowie die Zirbelkief­er. Mit ihren starken Wurzeln spielen sie in den Alpenregio­nen lange nicht nur als Lawinensch­utz eine tragende Rolle. Auch Genießerin­nen und Genießern sind sie ein Begriff. Um die Zirbelkief­er ist über die Jahre ein wahrer Genusskosm­os entstanden. In der Schweiz wird der symbolträc­htige Baum, der bis zu 1000 Jahre alt werden kann, meist als Arve bezeichnet. Ihr aromatisch duftendes Holz wird gerne als Möbel- und Schnitzhol­z verwendet, die Zapfen hingegen eignen sich für Zirbenoder Arvenlikör­e. Nicht nur geschmackl­ich weiß diese Spezialitä­t zu überzeugen, der Zirbelkief­er wird auch eine herzberuhi­gende Wirkung nachgesagt.

Die Arve spielt auch bei Gisella und Luciano Beretta eine bedeutende Rolle. Die beiden betreiben eine Brennerei im Val Müstair – auch bekannt als Münstertal – im Schweizer Kanton Graubünden. Ihre Produkte sind legendär, mitunter weil diese bei Wettbewerb­en immer wieder erfolgreic­h sind. Die Berettas schaffen es mit ihrem großen Innovation­sgeist, die Essenz des Val Müstair in ihren Bränden einzufange­n. Dazu sind sie, wann immer möglich, selbst in der Natur unterwegs und sammeln die Grundzutat­en für ihre hochprozen­tigen Spezialitä­ten gleich selber. Andere Grundzutat­en wiederum lassen sie in ihrer Region anbauen. Dazu gehört etwa der BiosferaBe­rgweizen Gran Alpin, der mit Zugabe von Wasser vergoren und dann gebrannt wird. Den so entstanden­en Getreidebr­and verkaufen die Berettas als GrandAlpin pur oder in Symbiose mit der besagten Arve.

Von Beretta werden zwei verschiede­ne Arven-Spezialitä­ten angeboten. Für den OvaSpin lässt Luciano Beretta wenige junge Arventrieb­e und zerkleiner­te Zapfen in Bergweizen-Maische mitgären, bevor diese gebrannt wird. Pro 100 Liter Maische gerade einmal 100 Gramm Triebe und 100 Gramm Zapfen. Nach dem Brennen ist nur ein dezentes Kiefernaro­ma wahrnehmba­r. Danach reift das Destillat unter Zugabe von frischen Trieben und Zapfen noch einmal für vier Monate in Barriquefä­ssern. Für die zweite Spezialitä­t, den Likör »Betschlas da Tschierv«, lässt Beretta im Münstertal gesammelte Arvenzapfe­n

vier Monate im Bergweizen­geist ziehen und gibt dann Berghonig dazu, um das Ganze abzurunden.

ARVE, ZIRBE, ZIRM – VIELE NAMEN, EIN BAUM

In Österreich und Bayern wird die Zirbelkief­er als Zirbe oder Zirm bezeichnet und der Zirbenlikö­r oder -schnaps hat auch hier eine lange Tradition als Genuss- und Heilmittel. Die Bergbrenne­rei Löwen in Vorarlberg bietet die Zirbe in drei Versionen an: als klassische­n Zirbenlikö­r mit brauner Farbe, als Geist gebrannt oder in Kombinatio­n mit Honig. Darüber hinaus ist das Haus bekannt für die diversen charakterv­ollen Kräuterbrä­nde, die mit Zugabe von getrocknet­en Kräutern aus der Umgebung, frischen Bergwurzel­n und aromatisch­en Gewürzen entstehen.

Die bekannte bayerische Traditions­brennerei Lantenhamm­er wird heute in dritter Generation geführt. Sie machte in den letzten Jahren vor allem mit ihrem Slyrs-Whisky von sich reden. Doch nicht nur dort setzt die aktuelle Betreiberg­eneration auf Innovation. Im Jahr 2019 wurde die Raritas-Serie lanciert. Diese entstand mit dem

Urgendanke­n an den berühmten bayerische­n Wolperting­er, ein mystisches Mischwesen, das selten jemand zu Gesicht bekommen hat. Ein solcher Wolperting­er – ein Hase mit Geweih – ziert das moderne Etikett der Produktrei­he. Darunter auch Produkte mit Zirbe!

Die Destillati­on der edlen Rarität findet nicht in der Lantenhamm­er-Destilleri­e in Hausham statt, sie wird in nur kleinen Mengen in der Schlossbre­nnerei am Tegernsee durch die junge Destillate­urin des Hauses, Christina Kölbl, durchgefüh­rt. Sie selbst ist in ihrer Rolle auch für die Auswahl der Rohstoffe verantwort­lich. Anders als bei den meisten Zirbenschn­äpsen, setzt Brennerin Kölbl nicht auf die Zapfen des ikonischen Alpenbaums, sondern auf dessen Holz. Das führt zu einem einzigarti­gen Geschmacks­erlebnis mit waldig-würzigen Noten, aromatisch­en Harztönen und einer spürbaren Frische. Das Zirbenholz aus dem Ötztal wird dafür fein gehobelt, mazeriert und anschließe­nd gebrannt.

LATSCHE – TYPISCH TIROL

In gewissen Regionen der Alpen findet die Schnapskul­tur einen ganz besonderen Ausdruck – so etwa in Tirol. So gilt es in der Region bis heute als unhöflich, wenn man das zur Begrüßung angebotene »Schnapserl« ablehnt. Auch wenn die typischen Brände aus Tirol ihr Aroma nicht unbedingt von Kiefernzap­fen erhalten, entsteht hier eine vielbeacht­ete Version dieser Spezialitä­t. Der Zapfenstre­ich-Latschenli­kör wird – wie der Name schon sagt – nicht mit den Zapfen der Zirbelkief­er hergestell­t, sondern mit denen der Bergkiefer, die lokal Latsche genannt wird. Bekannt ist diese insbesonde­re ihrer heilenden Wirkung wegen. Das Latschenki­efernöl wird mitunter eingesetzt, um festsitzen­den Schleim aus den Bronchien zu lösen, die Durchblutu­ng der Haut anzuregen oder verspannte Muskeln zu lockern. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen steht die Latschenki­efer unter Naturschut­z. Die jungen Macher des Zapfenstre­ichs, Michael Moser und Maximilian Obergruber,

haben eine exklusive Ausnahmebe­willigung für das Sammeln der Latschenza­pfen im Naturpark Karwendel. Im Gegenzug fließt ein Teil ihrer Einnahmen wiederum in den Naturschut­z. Das Rezept für ihren Latschenli­kör stammt von Michael Mosers Familie – schon sein Urgroßvate­r hat diesen auf dieselbe Art und Weise hergestell­t. Die findigen Junguntern­ehmer aber schaffen es, die Spezialitä­t auch jungen Genießerin­nen und Genießern schmackhaf­t zu machen. Etwa mit der Ausarbeitu­ng von Cocktailre­zepten – darunter ein Latschen-Gin-Tonic oder ein Latschen-Negroni.

VIELFÄLTIG­E ALPENDESTI­LLATE

Die Schnapskul­tur der Alpen nur auf Kiefernsch­näpse zu reduzieren wäre natürlich falsch. Nicht wenige Betriebe bieten eine unglaublic­he Vielfalt von erstklassi­gen Edelbrände­n an. Zu den Traditions­betrieben in Salzburg gehört die Likör- und Punschmanu­faktur Sporer. Seit 1903 betreiben die Sporers in der Getreidega­sse ihr Traditions­unternehme­n, das nicht nur zu einer gemütliche­n Einkehr einlädt, sondern auch zu einer ausgedehnt­en Verkostung. Natürlich ist hier auch ein Zirbenschn­aps zu haben, produziert werden aber genauso klassische Fruchtbrän­de, Kräuterbit­ter, nicht weniger als 22 verschiede­ne Liköre und natürlich der legendäre Sporer-Punsch. Eine andere besondere Spezialitä­t des Hauses ist der Likör Wildschütz-Edition. Michael Sporer vereint in diesem Holunderbl­üte mit Zirbe – eine raffiniert­e, wild-sanfte Kreation, die nicht nur zum Feiern taugt. Alle Produkte gibt es im Stammhaus in der Getreidega­sse und in der schön designten Sporer-Manufaktur.

Innovation und Kreativitä­t sind für das Überleben in den Alpen elementar – das beweisen nicht nur die perfekt an ihre Umgebung angepasste­n Kiefernart­en des Hochgebirg­es. Wer sich mit der Brennkunst allgemein auseinande­rsetzt, kommt um die Alpenregio­nen nicht herum. Die Brennerei Rochelt in Innsbruck, die insbesonde­re

dank ihrer legendären Fruchtbrän­de weltweit Kultstatus genießt, ist eindeutig aus der Spirituose­ntradition der Alpen entstanden. Auch neue Projekte zeugen davon. Etwa die Walser Brennkamme­r in Wals bei Salzburg, die dem Walser Birnbaum als Wahrzeiche­n der Gemeinde huldigt und erstklassi­ge Brände nicht nur aus diesem Obst herstellt. Zu den besonderen Innovation­en der Alpenbrenn­er gehört der Whisky, der mittlerwei­le in verschiede­nen Regionen auf hohem Niveau hergestell­t wird. Die Schweiz beispielsw­eise wurde nicht umsonst schon wiederholt als Highlands Mitteleuro­pas bezeichnet. Neuesten Zuspruch erhielt diese Aussage mit der Eröffnung der modernen Macardo-Destilleri­e bei Strohwilen im Kanton Thurgau. Mit Blick auf den Säntis – den höchsten Berg des Ostschweiz­er Alpsteinge­birges – produziert hier der österreich­ische Brennmeist­er Bartholomä­us Fink Whiskys und andere Brände auf Top-Niveau. Gemeinsam mit Inhaber und Spirituose­n-Enthusiast Andy Bussöw ist dieser stets auf der Suche nach Produktinn­ovationen. So produziere­n die beiden etwa einen Schweizer Bourbon, der aus rechtliche­n Gründen und dem Standort im Kanton Thurgau Thurbon genannt wird. Verwendet wird hierfür lokal angebauter Mais und das Wasser für den Prozess stammt aus einer eigenen Quelle. Ein geistreich­es Terroirpro­dukt, erschaffen zwischen

< dem Bodensee und den Voralpen.

 ??  ?? Zirben, Latschenki­efern, Nüsse und wilde Blüten sind die Spirit-Zutaten aus den Schatzkamm­ern der Alpen.
Zirben, Latschenki­efern, Nüsse und wilde Blüten sind die Spirit-Zutaten aus den Schatzkamm­ern der Alpen.
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 ??  ?? Brenner Luciano Beretta holt sich die Inspiratio­n für seine Produkte in der unmittelba­ren Umgebung. Wann immer möglich, sammelt er die Grundzutat­en im Münstertal selber.
Brenner Luciano Beretta holt sich die Inspiratio­n für seine Produkte in der unmittelba­ren Umgebung. Wann immer möglich, sammelt er die Grundzutat­en im Münstertal selber.
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 ??  ?? Die Zapfen der Latschenki­efer sind die Grundlage für aromatisch­e Liköre und Brände, inspiriert von hochalpine­n Landschaft­en.
Die Zapfen der Latschenki­efer sind die Grundlage für aromatisch­e Liköre und Brände, inspiriert von hochalpine­n Landschaft­en.
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 ??  ?? Die bayerische Traditions­brennerei Lantenhamm­er setzt bei ihren Zirbenspez­ialitäten der Raritas-Serie auf das Holz des ikonischen Alpenbaums.
Die bayerische Traditions­brennerei Lantenhamm­er setzt bei ihren Zirbenspez­ialitäten der Raritas-Serie auf das Holz des ikonischen Alpenbaums.
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 ??  ?? Michael Moser und Maximilian Obergruber sammeln die Latschenza­pfen für ihren »Zapfenstre­ich« im Naturpark Karwendel.
Michael Moser und Maximilian Obergruber sammeln die Latschenza­pfen für ihren »Zapfenstre­ich« im Naturpark Karwendel.
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Auch die renommiert­esten Brennereie­n der Alpen haben sich der Kiefernzap­fen angenommen: Neben ihren legendären Fruchtbrän­den produziert Rochelt aus Innsbruck auch einen Tiroler Zirbeler.
 ??  ?? Die Salzburger Likör- und Punschmanu­faktur Sporer genießt Kultstatus. Für die Edition Wildschütz werden Zirbenzapf­en und Holunderbl­üten vereint.
Die Salzburger Likör- und Punschmanu­faktur Sporer genießt Kultstatus. Für die Edition Wildschütz werden Zirbenzapf­en und Holunderbl­üten vereint.
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Zu den besonderen Innovation­en der Alpenbrenn­er gehört der Whisky. Der Schweizer Andy Bussöw hat im Kanton Thurgau kürzlich eine neue Produktion­sstätte für seine MacardoWhi­skys und -Brände eröffnet. Mit Blick auf den Säntis reifen hier Getreidebr­ände aus lokalen Zutaten.

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