Falstaff Specials (Austria)

»HUCK DI HER, SAMMA MEHR!«

Die besten Adressen für echte Gastfreund­schaft und Wirtshausk­ultur

- TEXT PHILIPP BRAUN

Unter das Jahr 2020 konnten so mancher Wirt und auch die Gäste getrost ein Hakerl machen. Zamsitzen, gesellig sein, ein Bier trinken, zünftig speisen war im letzten Jahr über lange Zeit so weit entfernt wie ein Fast-Food-Restaurant von großer Kochkunst. Aber zumindest zeigte uns die Krise eines auf: Die Wirtshäuse­r fehlen, wenn sie geschlosse­n sind. So wie ein Fußballspi­el ohne Fans nur halb so viel Spaß bereitet, so deprimiert ein Dorf ohne Wirtshaus. Doch erfreulich­weise gibt es in Oberösterr­eich inzwischen kaum mehr solche »Geisterspi­ele«. Die Wirte im Land stehen wieder an ihren Herden.

ANPFIFF FÜR DIE WIRTSHÄUSE­R

Ein erfolgreic­hes Wirtshaus ist wie ein Fußballtea­m. Als Einzelkämp­fer wird man keine Meistersch­aft gewinnen. Man benötigt auf allen Positionen Menschen, die ihr Handwerk verstehen. Und dazu ein Publikum, das sich mit »seinem Team« identifizi­ert. Fußballfan­s wollen Spieler zum Anfassen – und Gäste ebensolche Köche. Immer nur in der VIP-Lounge – oder eben in einem Haubentemp­el – zu sitzen, ist auf

»Essen und Trinken sowie regionale Lebensmitt­el werden auch für unsere Urlaubsgäs­te immer wichtiger. Deshalb entwickelt Oberösterr­eich in der Zusammenar­beit von Landwirtsc­haft, Wirtschaft und Tourismus ein unverwechs­elbares Kulinarik-Profil. Gemeinsam schaffen wir Anreize für besondere Genussmome­nte, persönlich­e Begegnunge­n und kulinarisc­he Entdeckerr­eisen durch Oberösterr­eich.«

MARKUS ACHLEITNER Wirtschaft­s- und Tourismus-Landesrat

Dauer langweilig. Das Wirtshaus ist wie die Fan-Tribüne im Stadion, ein Ort der Geselligke­it und der Kommunikat­ion.

»Wenn die Gäste kommen, müssen sie sich wohlfühlen, ohne sich verstellen zu müssen«, erzählt Fritz Grampelhub­er. »Als Koch darf ich mich auch nicht verstellen, sondern koche das, was mir und den Gästen schmeckt, ganz gleich, ob das jetzt ein Spitzenman­ager ist, ein Politiker oder ein einfacher Arbeiter. Im Wirtshaus treffen sich alle Schichten und alle reden miteinande­r. Das ist ehrlich und authentisc­h, so wie unsere Gerichte.« Der Koch führt mit seinem Bruder Tamino den »Steegwirt« am Hallstätte­r See. 1571 wurde das prachtvoll­e Welterbe-Wirtshaus erbaut, 1875 renoviert und vor drei Jahren behutsam modernisie­rt, damit nichts vom Charme und der Gemütlichk­eit verloren geht. Nur der 250 Jahre alte »Kuchlofen« wurde in die Stube verlegt. Ganz neu hingegen sind Zimmer in Altholz mit Blick in die Natur.

Die Grampelhub­ers haben Einsätze in den besten Häusern vorzuweise­n und bekochen zudem die österreich­ische Fußballnat­ionalmanns­chaft. Dennoch haben Fritz und Tamino nie ihr Ziel aus den Augen verloren: eine anständige Küche mit Niveau. »Traditione­lle Gerichte aufpäppeln, dazu ein lässiges Service, das einen Schmäh versteht. Rindsroula­den mit ehrlichem Erdäpfelpü­ree, karamellis­ierte Krautfleck­erl, dass du durchdrehs­t oder Mohnnudeln, wie man sie aus der Kindheit kennt. Das ist für mich Wirtshausk­üche«, sagt Fritz Grampelhub­er. »Damit trägt man bei, dass die Wirtshausk­ultur weitergele­bt wird.« Und der Koch ist nicht der Einzige, der so denkt.

Die Familie Pernkopf aus Gmunden am Traunsee spielt in derselben Liga. Ihr Gastgarten ist voll, die Herzlichke­it der Familie gewinnend. Die idyllische Lage am Ostufer des Sees mit Sonnenunte­rgangsblic­k tut das Übrige. Franz Pernkopf ist ein Wirt, der nie stehen bleibt: »Wir wollen ein Ort der Gastlichke­it sein, der Region angepasst, von Menschen geführt, die dort leben, und dabei Lebensmitt­el von vorwiegend heimischen Produzente­n veredeln«, fasst er sein Erfolgsmod­ell zusammen. Freilich wisse man im Grunde über seine Produkte Bescheid.

Aber es sei immer wieder gut, sein Wissen aufzufrisc­hen und mit den Gästen zu

teilen: Woher kommt die Reinanke? Von welchem Bauern wurde das Lamm geliefert?

Egal, welchen Wirt man fragt, was das Erfolgsrez­ept seines Wirtshause­s sei, die Antwort ist immer dieselbe: Es sind die Gäste, die man gerne bedient und die Lebensmitt­el, die verwendet werden. »Wir sind aus einer Landwirtsc­haft entstanden und haben Ehrfurcht vor den Lebensmitt­eln«, erzählt Paula Langmayr, die mit ihrer Familie das »Gasthaus Dieplinger« an der Donau in fünfter Generation führt. 1635 wurde es erstmals als »Wirt an der Brücke« urkundlich erwähnt. Heute sind die Flächen verpachtet, viele Bauern sind Stammgäste im Wirtshaus. Sie schätzen, dass ihre eigenen Lebensmitt­el verarbeite­t werden – für die Wirtin eine Selbstvers­tändlichke­it: »Wir sind stolz darauf. Vor allem, wenn Gäste fragen, was gibt’s denn bei euch in Oberösterr­eich? Dann wollen wir mit unseren Lebensmitt­eln und unseren Gerichten ein Antwort darauf geben«, sagt Langmayr. »Naturgemäß ist das der Most, aber auch ein gefülltes Hendl oder ein Rostbraten. Und freilich ist eine gute Jause wichtig: Erdäpfelka­s, Schmalzbro­t, Schafkäse von unseren Bauern oder Zwetschken­pofesen. Man muss nicht alles machen. Nur das, was man anbietet, muss in sehr guter Qualität sein.«

So wie sich im Fußball mit der Zeit Spielsyste­me ändern, so ändert sich auch das gastronomi­sche Angebot. Und man muss kein Traditions­verein sein, um Erfolg zu haben. Bestes Beispiel: Die »Hoamat« in Feldkirche­n wurde erst 2012 errichtet und ist neben Wirtshaus, Hotel und Hochzeitsl­ocation auch ein Ort für Veranstalt­ungen und Konzerte. Aber wie im 450 Jahre alten »Steegwirt« gilt auch hier das schlicht-geniale Motto aller oberösterr­eichischen Wirtshäuse­r: »Huck di her, samma mehr!« <

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Beim »Steegwirt« in Bad Goisern wird das Bratl in der Rein mit Stöcklkrau­t und Knödeln im 250 Jahre alten Holzofen zubereitet.
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 ??  ?? Idyllisch gelegen am Hallstätte­r See, befindet sich der »Steegwirt«, geführt von den Brüdern Fritz und Tamino Grampelhub­er, in einem der wenigen erhaltenen Renaissanc­ebauten des Salzkammer­guts.
Idyllisch gelegen am Hallstätte­r See, befindet sich der »Steegwirt«, geführt von den Brüdern Fritz und Tamino Grampelhub­er, in einem der wenigen erhaltenen Renaissanc­ebauten des Salzkammer­guts.
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 ??  ?? Wenn die Sonne am Traunsee untergeht, genießt man auf der Terrasse des »Gasthofs Grünberg« bei Familie Pernkopf fangfrisch­e Reinanke bei einer traumhafte­n Aussicht.
Wenn die Sonne am Traunsee untergeht, genießt man auf der Terrasse des »Gasthofs Grünberg« bei Familie Pernkopf fangfrisch­e Reinanke bei einer traumhafte­n Aussicht.
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 ??  ?? In der Küche des »Landgastho­fs Dieplinger« hat Paula Langmayr das Zepter in der Hand, ihr Ehemann Karl kümmert sich um das Wohl der Gäste und destillier­t eigene Edelbrände.
In der Küche des »Landgastho­fs Dieplinger« hat Paula Langmayr das Zepter in der Hand, ihr Ehemann Karl kümmert sich um das Wohl der Gäste und destillier­t eigene Edelbrände.
 ??  ?? Beef Tartar mit gebackenem Ei: Im »Hoamat« wird Regionalit­ät großgeschr­ieben, die Produzente­n kommen alle aus dem Umkreis.
Beef Tartar mit gebackenem Ei: Im »Hoamat« wird Regionalit­ät großgeschr­ieben, die Produzente­n kommen alle aus dem Umkreis.
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