AUF BESUCH IM BIO-PARADIES
Naturnah und mit viel Bodenhaftung wird im Mühlviertel gelebt und gekocht
AUF BESUCH IM BIO-PARADIES
Herkunft ist immer ein Thema, bei Lebensmitteln genauso wie bei deren Erzeugern. Als gemütlich, hilfsbereit, bodenständig, nicht abgehoben und »grode Michln« gelten dabei die Mühlviertler – und haben damit den Jackpot geknackt. Dennoch bilden sich die Menschen aus der nordöstlichen Ecke von Oberösterreich nichts darauf ein. Man ist einfach so.
Es mag sein, dass die bäuerlichen Wurzeln die Menschen so geprägt haben, oder dass die Mystik des Mühlviertels mit seinen verwunschenen Wäldern, der Natur, dem Blick ins hügelige Land und den Granitformationen verantwortlich ist. Adalbert Stifter wurde von der Landschaft inspiriert, viele Unternehmer haben hier ihre Wurzeln und Initiativen wie die »BierWeltRegion«, die Bioregion Mühlviertel oder der Tourismusverband Mühlviertler Hochland zeugen vom Mühlviertler Zauber.
AUFS GANZE SCHAUEN
Solisten sehen sich gern allein im Licht, im Mühlviertel kooperiert man lieber und wächst gemeinsam. Klaus Bauernfeind betreibt eine idyllisch gelegene Bio-Landwirtschaft mit frei lebenden Schweinen, Gänsen, Kühen und Schafen, produziert Most und bekocht mit seiner Frau Lisi die Gäste im »Köglerhof« – ein Slow-FoodMusterbetrieb. Zudem ist Bauernfeind Obmann der »BioRegion Mühlviertel«. »Wir vernetzen die Bauern mit Produzenten und Konsumenten und schaffen durch Partizipation Identifikation mit den Lebensmitteln«, sagt er. 600 Mitglieder zählt der Verein. »Viele Regionen beneiden uns um diese Initiative«, so der Biobauer, der das touristische Potenzial der Region sieht. Zumal die Tourismusregion mit dem Qualitätsmanifest »Hoch.Genuss-Region« punkten will. Die neue Hochland-Kulinarik-Initiative passt wie ein Puzzleteil zur »BioRegion« oder dem »Bierviertel«.
Der Trumpf des Mühlviertels besteht darin, dass die Dichte an Bauern und Verarbeitern sehr groß ist. »Wir haben nicht nur ein Leitprodukt, sondern ein Fülle davon. Kräuter, Öle, Molkereien, Betriebe mit Tieren, vegane Manufakturen, Bier, Most …« – Bauernfeind könnte einen ganzen Tag von
der kulinarischen Fundgrube erzählen. Neue Formen des Tourismus – abseits des Mainstreams – bieten sich da geradezu an. Viele entdecken gerade das Mühlviertel. Für die Städter ist es etwa ein Naherholungsgebiet, wenn sie mit dem Fahrrad ein paar Runden in den Hügeln drehen wollen. »Zwei Wochen sind die Leute außerhalb von Oberösterreich im Urlaub, die restlichen 50 Wochen haben wir das Angebot für Natursuchende«, sagt Bauernfeind.
Wer sich überzeugen möchte – eine Fahrt entlang der Donau reicht aus. Nach zehn Minuten befindet man sich im Ruhemodus. In absoluter Tiefenentspannung erreicht man dann Neufelden, 30 Kilometer von Linz entfernt. Hier schuf die Familie Rachinger drei Oasen der kulinarischen Extraklasse. Junior Philip bespielt den »Mühltalhof« mit traumwandlerischer Sicherheit und begeistert auf allen Sinnesebenen: Authentisch, geradlinig und mit viel Hirnschmalz komponiert er die Speisen. Wer weiter in seine kulinarische Gedankenwelt eintauchen möchte, kann im »Hopfen und Schmalz«, dem Braustüberl der Neufeldner BioBrauerei, Platz nehmen und bestellt Mühlviertler Sushi oder die wuchtigen Stelzen. »Es gibt Gerichte, nach denen mich in der Quarantäne am meis
> ten verlangte«, sagt Rachinger. In der Brauerei setzt er die klassische Wirtshauskunst um und umgarnt sie mit einem Hauch Extravaganz. Im dritten Lokal der Rachingers, im »Fernruf 7« das genau gegenüber vom »Mühltalhof« liegt, bäckt Vater Helmut Rachinger knuspriges Brot, die Gäste sitzen gemütlich an einem Tisch, schauen dem Koch beim Werken zu und rasten vor Glück beinah aus.
Aber auch sonst rechtfertigt die Marktgemeinde Neufelden eine Auszeit: Romantische Wanderwege und die gemütlich dahinplätschernde Mühl locken und bringen gestresste Seelen in den Ruhemodus. Zudem ist es gut mit dem
Zug erreichbar und der ideale Ausgangspunkt für den GranitpilgernWanderweg, einen 95 Kilometer langen Rundwanderweg. Mehr als 30 Betriebe liegen auf der Strecke. Bei einigen übernachten die Pilger besonders gern: Zum Beispiel beim »Keplingerwirt«. Der Familienbetrieb besticht durch Herzlichkeit, Kompetenz und Charme. Vor 82 Jahren nahm Keplingers gastronomisches Erfolgsmodell seinen Anfang, noch heute schwärmen viele Stammgäste vom Essen. Einer von ihnen ist Österreichs erfolgreichster Pop-Export Parov Stelar: »Ich schätze, dass dort kein großes Theater ums Essen gemacht wird. Sie kochen bodenständig, aber auf überdurchschnittlichem Niveau. Und sie hängen ihre ausgezeichnete Qualität nicht an die große Glocke«, sagt der ElektroswingMeister aus Oberösterreich.
AUTHENTISCHER CHARME
Bescheidenheit und Demut zeigen sich an vielen Stellen. Wenn wer scheinbar in den Himmel wächst, dann sind es die Hopfenstauden.
Das Mühlviertel ist der größte Hopfenproduzent Oberösterreichs und beliefert unzählige Brauereien mit der Heilpflanze. Als Bierviertel gewachsen und tief in der Region verwurzelt sind die vier Hauptdarsteller Stift Schlägl, Brauerei Hofstetten, Karl Schiffner und die Freistädter Braucommune. Diese »Glorreichen Vier« begeistern mit ihren Bieren. »Brauen ist für uns kein Geschäft, es ist eine wahre Kunstform, der wir uns mit Verantwortung und Leidenschaft widmen. In jedem Schluck schmeckt man dieses Qualitätsbekenntnis – das macht das Mühlviertel zum Bierviertel Österreichs«, sagt Peter Krammer von der Brauerei Hofstetten.
Das Authentische verleiht dem Mühlviertel seinen Charme. Auch um Bio wird kein Tamtam gemacht, man produziert aus Überzeugung. Und so wie viele der Betriebe miteinander vernetzt sind, ziehen sich auch die Wanderwege wie ein großes Netz durch das Hügelland – etwa der Johannesweg. Auf dem 84 Kilomter langen Rundweg lässt es sich vortrefflich abschalten, vorbei an der Naturlandschaft der Mühlviertler Alm, an prächtigen Burgruinen, regionstypischen Granitblöcken und durch malerische Orte. Erholen und auftanken. Und irgendwann macht es Klick – und man versteht die Mystik und die Kraft des Mühlviertels.