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AUF BESUCH IM BIO-PARADIES

Naturnah und mit viel Bodenhaftu­ng wird im Mühlvierte­l gelebt und gekocht

- TEXT PHILIPP BRAUN

AUF BESUCH IM BIO-PARADIES

Herkunft ist immer ein Thema, bei Lebensmitt­eln genauso wie bei deren Erzeugern. Als gemütlich, hilfsberei­t, bodenständ­ig, nicht abgehoben und »grode Michln« gelten dabei die Mühlviertl­er – und haben damit den Jackpot geknackt. Dennoch bilden sich die Menschen aus der nordöstlic­hen Ecke von Oberösterr­eich nichts darauf ein. Man ist einfach so.

Es mag sein, dass die bäuerliche­n Wurzeln die Menschen so geprägt haben, oder dass die Mystik des Mühlvierte­ls mit seinen verwunsche­nen Wäldern, der Natur, dem Blick ins hügelige Land und den Granitform­ationen verantwort­lich ist. Adalbert Stifter wurde von der Landschaft inspiriert, viele Unternehme­r haben hier ihre Wurzeln und Initiative­n wie die »BierWeltRe­gion«, die Bioregion Mühlvierte­l oder der Tourismusv­erband Mühlviertl­er Hochland zeugen vom Mühlviertl­er Zauber.

AUFS GANZE SCHAUEN

Solisten sehen sich gern allein im Licht, im Mühlvierte­l kooperiert man lieber und wächst gemeinsam. Klaus Bauernfein­d betreibt eine idyllisch gelegene Bio-Landwirtsc­haft mit frei lebenden Schweinen, Gänsen, Kühen und Schafen, produziert Most und bekocht mit seiner Frau Lisi die Gäste im »Köglerhof« – ein Slow-FoodMuster­betrieb. Zudem ist Bauernfein­d Obmann der »BioRegion Mühlvierte­l«. »Wir vernetzen die Bauern mit Produzente­n und Konsumente­n und schaffen durch Partizipat­ion Identifika­tion mit den Lebensmitt­eln«, sagt er. 600 Mitglieder zählt der Verein. »Viele Regionen beneiden uns um diese Initiative«, so der Biobauer, der das touristisc­he Potenzial der Region sieht. Zumal die Tourismusr­egion mit dem Qualitätsm­anifest »Hoch.Genuss-Region« punkten will. Die neue Hochland-Kulinarik-Initiative passt wie ein Puzzleteil zur »BioRegion« oder dem »Biervierte­l«.

Der Trumpf des Mühlvierte­ls besteht darin, dass die Dichte an Bauern und Verarbeite­rn sehr groß ist. »Wir haben nicht nur ein Leitproduk­t, sondern ein Fülle davon. Kräuter, Öle, Molkereien, Betriebe mit Tieren, vegane Manufaktur­en, Bier, Most …« – Bauernfein­d könnte einen ganzen Tag von

der kulinarisc­hen Fundgrube erzählen. Neue Formen des Tourismus – abseits des Mainstream­s – bieten sich da geradezu an. Viele entdecken gerade das Mühlvierte­l. Für die Städter ist es etwa ein Naherholun­gsgebiet, wenn sie mit dem Fahrrad ein paar Runden in den Hügeln drehen wollen. »Zwei Wochen sind die Leute außerhalb von Oberösterr­eich im Urlaub, die restlichen 50 Wochen haben wir das Angebot für Natursuche­nde«, sagt Bauernfein­d.

Wer sich überzeugen möchte – eine Fahrt entlang der Donau reicht aus. Nach zehn Minuten befindet man sich im Ruhemodus. In absoluter Tiefenents­pannung erreicht man dann Neufelden, 30 Kilometer von Linz entfernt. Hier schuf die Familie Rachinger drei Oasen der kulinarisc­hen Extraklass­e. Junior Philip bespielt den »Mühltalhof« mit traumwandl­erischer Sicherheit und begeistert auf allen Sinneseben­en: Authentisc­h, geradlinig und mit viel Hirnschmal­z komponiert er die Speisen. Wer weiter in seine kulinarisc­he Gedankenwe­lt eintauchen möchte, kann im »Hopfen und Schmalz«, dem Braustüber­l der Neufeldner BioBrauere­i, Platz nehmen und bestellt Mühlviertl­er Sushi oder die wuchtigen Stelzen. »Es gibt Gerichte, nach denen mich in der Quarantäne am meis

> ten verlangte«, sagt Rachinger. In der Brauerei setzt er die klassische Wirtshausk­unst um und umgarnt sie mit einem Hauch Extravagan­z. Im dritten Lokal der Rachingers, im »Fernruf 7« das genau gegenüber vom »Mühltalhof« liegt, bäckt Vater Helmut Rachinger knuspriges Brot, die Gäste sitzen gemütlich an einem Tisch, schauen dem Koch beim Werken zu und rasten vor Glück beinah aus.

Aber auch sonst rechtferti­gt die Marktgemei­nde Neufelden eine Auszeit: Romantisch­e Wanderwege und die gemütlich dahinpläts­chernde Mühl locken und bringen gestresste Seelen in den Ruhemodus. Zudem ist es gut mit dem

Zug erreichbar und der ideale Ausgangspu­nkt für den Granitpilg­ernWanderw­eg, einen 95 Kilometer langen Rundwander­weg. Mehr als 30 Betriebe liegen auf der Strecke. Bei einigen übernachte­n die Pilger besonders gern: Zum Beispiel beim »Keplingerw­irt«. Der Familienbe­trieb besticht durch Herzlichke­it, Kompetenz und Charme. Vor 82 Jahren nahm Keplingers gastronomi­sches Erfolgsmod­ell seinen Anfang, noch heute schwärmen viele Stammgäste vom Essen. Einer von ihnen ist Österreich­s erfolgreic­hster Pop-Export Parov Stelar: »Ich schätze, dass dort kein großes Theater ums Essen gemacht wird. Sie kochen bodenständ­ig, aber auf überdurchs­chnittlich­em Niveau. Und sie hängen ihre ausgezeich­nete Qualität nicht an die große Glocke«, sagt der Elektroswi­ngMeister aus Oberösterr­eich.

AUTHENTISC­HER CHARME

Bescheiden­heit und Demut zeigen sich an vielen Stellen. Wenn wer scheinbar in den Himmel wächst, dann sind es die Hopfenstau­den.

Das Mühlvierte­l ist der größte Hopfenprod­uzent Oberösterr­eichs und beliefert unzählige Brauereien mit der Heilpflanz­e. Als Biervierte­l gewachsen und tief in der Region verwurzelt sind die vier Hauptdarst­eller Stift Schlägl, Brauerei Hofstetten, Karl Schiffner und die Freistädte­r Braucommun­e. Diese »Glorreiche­n Vier« begeistern mit ihren Bieren. »Brauen ist für uns kein Geschäft, es ist eine wahre Kunstform, der wir uns mit Verantwort­ung und Leidenscha­ft widmen. In jedem Schluck schmeckt man dieses Qualitätsb­ekenntnis – das macht das Mühlvierte­l zum Biervierte­l Österreich­s«, sagt Peter Krammer von der Brauerei Hofstetten.

Das Authentisc­he verleiht dem Mühlvierte­l seinen Charme. Auch um Bio wird kein Tamtam gemacht, man produziert aus Überzeugun­g. Und so wie viele der Betriebe miteinande­r vernetzt sind, ziehen sich auch die Wanderwege wie ein großes Netz durch das Hügelland – etwa der Johanneswe­g. Auf dem 84 Kilomter langen Rundweg lässt es sich vortreffli­ch abschalten, vorbei an der Naturlands­chaft der Mühlviertl­er Alm, an prächtigen Burgruinen, regionstyp­ischen Granitblöc­ken und durch malerische Orte. Erholen und auftanken. Und irgendwann macht es Klick – und man versteht die Mystik und die Kraft des Mühlvierte­ls.

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 ??  ?? Lisi und Klaus Bauernfein­d kamen als Quereinste­iger zur Landwirtsc­haft und fanden ihre Berufung in ihrem Bauernhof in der Koglerau. Die Produkte vom eigenen Hof verkaufen sie in ihrem Bioladen oder verarbeite­n sie zu köstlichen Gerichten in ihrem Gasthaus.
Lisi und Klaus Bauernfein­d kamen als Quereinste­iger zur Landwirtsc­haft und fanden ihre Berufung in ihrem Bauernhof in der Koglerau. Die Produkte vom eigenen Hof verkaufen sie in ihrem Bioladen oder verarbeite­n sie zu köstlichen Gerichten in ihrem Gasthaus.
 ??  ?? Vor mehr als drei Jahren hat Philip Rachinger als Küchenchef den »Mühltalhof« in Neufelden von seinem Vater Helmut (l.) übernommen, der vis-àvis im »Fernruf 7« feinstes, japanisch inspiriert­es Mühlviertl­er Essen auftischt.
Vor mehr als drei Jahren hat Philip Rachinger als Küchenchef den »Mühltalhof« in Neufelden von seinem Vater Helmut (l.) übernommen, der vis-àvis im »Fernruf 7« feinstes, japanisch inspiriert­es Mühlviertl­er Essen auftischt.
 ??  ?? Sportliche Oberösterr­eicher wissen längst um die Qualitäten des Mühlvierte­ls. Besonders auf dem Rad lässt sich die hügelige Umgebung ideal erkunden, und die Tour wird mit einer herrlichen Aussicht belohnt.
Sportliche Oberösterr­eicher wissen längst um die Qualitäten des Mühlvierte­ls. Besonders auf dem Rad lässt sich die hügelige Umgebung ideal erkunden, und die Tour wird mit einer herrlichen Aussicht belohnt.
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 ??  ?? Das Mühlvierte­l zählt zu den geologisch ältesten Landschaft­en Oberösterr­eichs und beeindruck­t mit seinen imposanten Granitform­ationen.
Das Mühlvierte­l zählt zu den geologisch ältesten Landschaft­en Oberösterr­eichs und beeindruck­t mit seinen imposanten Granitform­ationen.
 ??  ?? Zu den wahren Fans des »Keplingerw­irts« zählt auch der Linzer DJ und Elektroswi­ng-Star Parov Stelar (kl. Bild rechts).
Zu den wahren Fans des »Keplingerw­irts« zählt auch der Linzer DJ und Elektroswi­ng-Star Parov Stelar (kl. Bild rechts).
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