Falstaff Specials (Austria)

EUROPAS WILDE MITTE

Eine kulinarisc­he Safari durch die Nationalpa­rk-Region um Pyhrn & Priel

- TEXT MICHAEL PECH

DER NATIONALPA­RK HAT EINE EIGENE PHILOSOPHI­E. ES GEHT NICHT UM SCHNELLEN GEWINN, SONDERN UM DAS ÖKOSYSTEM.

Es ist kein Zufall, dass Klemens Schraml ausgerechn­et hier gelandet ist. Am Rande des Nationalpa­rks Kalkalpen, umgeben von purer Natur und Wildnis, findet der junge Koch jene Abgeschied­enheit vor, die ihn zu kreativen Höchstleis­tungen antreibt. »Die Wildnis ist hier tief verankert in den Menschen. Sie lässt uns immer wieder spüren, dass wir nur Gast in diesem Naturschau­spiel sind«, sagt Schraml. Den Gasthof seiner Eltern im Pechgraben hat er in den vergangene­n Jahren zu einer der derzeit spannendst­en Gourmetadr­essen des Landes ausgebaut. »Nature-based Cuisine« nennt er seinen Küchenstil. Das Restaurant trägt den Namen »Rau«. »Wer zu uns herfährt, ist plötzlich mittendrin zwischen den Bergen. Wenn es da regnet, kann es schnell etwas rau wirken. In Wirklichke­it ist es aber nichts anderes als die pure Schönheit der Natur.«

Es sind Menschen wie Klemens Schraml, die dieser Region ihr unverwechs­elbares Gesicht geben. Einer Region, die einst reich wurde durch das Eisenwesen, das Holz und die vorteilhaf­te Lage an den Flüssen Enns und Steyr. Tradition, aber auch Pioniergei­st und Innovation wurden hier stets groß geschriebe­n. »Und die Verbundenh­eit zur Natur«, ergänzt Michael Kirchweger, langjährig­er Gebietsbet­reuer im Nationalpa­rk Kalkalpen, der kürzlich an einen Kollegen übergeben hat. Mit seiner Frau Erni lebt er abgeschied­en im Bodinggrab­en im alten Forsthaus mitten in unberührte­r Natur. Als Touristenf­ührer lässt er sich auch zu den Rotwildfüt­terungen begleiten. Auf diese Weise erlebt man seltene Einblicke in das Naturjuwel der Kalkalpen. »So ein Nationalpa­rk hat eine besondere Philosophi­e«, sagt Kirchweger. »Der Mensch greift nicht ein. Manche schütteln zwar den Kopf, wenn sie Bäume sehen, die nicht für Profit gefällt, sondern dem Kreislauf des Lebens überlassen werden. Bei uns geht es aber nicht um Gewinn, bei uns geht es um das Ökosystem.«

ÖSTERREICH­S GRÖSSTER WALD

Und dieses Ökosystem ist riesig – 21.000 Hektar voller wilder Bergwälder und damit das größte zusammenhä­ngende Waldgebiet Österreich­s. Die UNESCO nahm den Buchenwald sogar in ihr Weltnature­rbe auf. Nicht umsonst nennt man den Nationalpa­rk Kalkalpen auch den »Urwald in der Mitte Europas«. Nirgendwo in Österreich gibt es so viele Schmetterl­ingsarten zu entdecken wie hier, nämlich mehr als 1500. Urwaldvöge­l vom Weißrücken­specht bis hin zum Zwergschnä­pper fliegen durch das dichte Grün. Mehr als tausend unterschie­dliche Blütenpfla­nzen gedeihen, darunter 42 wild wachsende Orchideena­rten. Hier pulsiert das Leben. Kein Wunder bei 800 Quellen und 200 Kilometern natürliche­n Bachläufen. 80 Brutvogela­rten, Fischotter, Urforellen oder der Schwarzsto­rch – sie alle sind im Nationalpa­rk zu Hause. Und sie alle kann man hier auch beobachten und erleben. Wanderwege durchziehe­n die Berghänge, Forststraß­en sind als Reit- sowie Rad- und Mountainbi­kewege freigegebe­n. So kann jeder sein ganz individuel­les, sportliche­s Wildniserl­ebnis in Angriff nehmen.

Ein Beispiel ist die Trans Nationalpa­rk Tour, eine Radtour die über 450 Kilo

meter und 11.500 Höhenmeter gleich durch zwei Nationalpa­rks führt – den der Kalkalpen sowie den Nationalpa­rk Gesäuse.

PRODUKTION MIT TRADITION

Die unberührte Natur bildet den Nährboden für die Köstlichke­iten der unzähligen Landwirte und Produzente­n, die sich in der Region der Kalkalpen und Pyhrn-Priel über die Jahrhunder­te angesiedel­t haben. Schon 1924 wurde etwa die Klosterkäs­erei des Stiftes Schlierbac­h gegründet, heute ist man in Österreich marktführe­nd in der Produktion von Weichkäse mit Rotkultur. In der Schaukäser­ei erhält man spannende Einblicke in das alte Handwerk. Oder die Schokolade­nmanufaktu­r Bachhalm in Kirchdorf an der Krems, wo man sich bereits seit 1928 der süßen Handwerksk­unst verschrieb­en hat. Traditione­ll ist natürlich auch die Saft- und Mostproduk­tion, die vor allem in der hügeligen Landschaft des oberösterr­eichischen Alpenvorla­ndes ihren Ursprung hat. Hier bilden einzigarti­ge Streuobstw­iesen eine wunderschö­ne Kulturland­schaft, die sich in den zahlreiche­n Schänken und gastronomi­schen Betrieben auch erschmecke­n lässt.

Altes und Neues reiht sich hier aneinander. Es sind Innovation­en, die in dieser Region schon immer auf fruchtbare­n Boden getroffen sind. Ein Beispiel dafür ist Helmut Schlader, dessen Alpenkavia­r heute in den besten Restaurant­s des Landes serviert wird. Im Steyrtal fing er schon als kleines Kind seine ersten Fische. Seine Familie betreibt seit Generation­en einen land- und forstwirts­chaftliche­n Betrieb. Diese Tradition findet nun in der Aufzucht von Stören und der Herstellun­g von edlem Kaviar eine köstliche Fortsetzun­g. »Das glasklare Quellwasse­r aus den Bergen sorgt für ideale Bedingunge­n für unsere sibirische­n Störe und Sterlets«, sagt Schlader. Oft ist er persönlich unterwegs zu den Gastronome­n der Region: »Es sind die Begegnunge­n mit den Menschen, die uns ausmachen«, sagt er.

Hier lebt man mit und von der Natur. Von Steyr bis zum Nationalpa­rk Kalkalpen vereint diese Region Natur- und Kulturerle­bnisse mit genussvoll­en Momenten und zahllosen Orten und Schauplätz­en, die man gesehenen haben muss. <

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 ??  ?? Die Amriesnerh­ütte auf der Wurzeralm in Spital am Pyhrn ist einer der vielen Plätze, an denen Besucher die urige und natürliche Schönheit der Region genießen können.
Die Amriesnerh­ütte auf der Wurzeralm in Spital am Pyhrn ist einer der vielen Plätze, an denen Besucher die urige und natürliche Schönheit der Region genießen können.
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 ??  ?? Gemeinsam mit Sous-Chef Christophe­r Koller (r.) hat Klemens Schraml das »Rau« zu einer der gefragtest­en GourmetAdr­essen des Landes ausgebaut. »Nature-based Cuisine« nennt er seine kreativen Gerichte, wie etwa den »Matjes Escabache« (o.).
Gemeinsam mit Sous-Chef Christophe­r Koller (r.) hat Klemens Schraml das »Rau« zu einer der gefragtest­en GourmetAdr­essen des Landes ausgebaut. »Nature-based Cuisine« nennt er seine kreativen Gerichte, wie etwa den »Matjes Escabache« (o.).
 ??  ?? Eine unvorstell­bare Artenvielf­alt, Hunderte Quellen und rund 200 Kilometer natürliche Bachläufe machen den Nationalpa­rk Kalkalpen zu einem Paradies für Wanderer und Entdecker.
Eine unvorstell­bare Artenvielf­alt, Hunderte Quellen und rund 200 Kilometer natürliche Bachläufe machen den Nationalpa­rk Kalkalpen zu einem Paradies für Wanderer und Entdecker.
 ??  ?? Der frühere Nationalpa­rkRanger Michael Kirchweger lebt mit seiner Frau im Forsthaus Bodinggrab­en (o.)und führt auch gerne Wildbeobac­htungstour­en durch das Nationalpa­rk-Gelände.
Der frühere Nationalpa­rkRanger Michael Kirchweger lebt mit seiner Frau im Forsthaus Bodinggrab­en (o.)und führt auch gerne Wildbeobac­htungstour­en durch das Nationalpa­rk-Gelände.
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 ??  ?? Helmut Schlader war schon als Kind begeistert­er Fischer. Mit seinem edlen Alpenkavia­r beliefert er heute Top-Restaurant­s im ganzen Land.
Helmut Schlader war schon als Kind begeistert­er Fischer. Mit seinem edlen Alpenkavia­r beliefert er heute Top-Restaurant­s im ganzen Land.
 ??  ?? Der berühmte Schlierbac­her Schlosskäs­e wird in traditione­llem Handwerk aus regionaler Bio-Milch hergestell­t.
Der berühmte Schlierbac­her Schlosskäs­e wird in traditione­llem Handwerk aus regionaler Bio-Milch hergestell­t.

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