EUROPAS WILDE MITTE
Eine kulinarische Safari durch die Nationalpark-Region um Pyhrn & Priel
DER NATIONALPARK HAT EINE EIGENE PHILOSOPHIE. ES GEHT NICHT UM SCHNELLEN GEWINN, SONDERN UM DAS ÖKOSYSTEM.
Es ist kein Zufall, dass Klemens Schraml ausgerechnet hier gelandet ist. Am Rande des Nationalparks Kalkalpen, umgeben von purer Natur und Wildnis, findet der junge Koch jene Abgeschiedenheit vor, die ihn zu kreativen Höchstleistungen antreibt. »Die Wildnis ist hier tief verankert in den Menschen. Sie lässt uns immer wieder spüren, dass wir nur Gast in diesem Naturschauspiel sind«, sagt Schraml. Den Gasthof seiner Eltern im Pechgraben hat er in den vergangenen Jahren zu einer der derzeit spannendsten Gourmetadressen des Landes ausgebaut. »Nature-based Cuisine« nennt er seinen Küchenstil. Das Restaurant trägt den Namen »Rau«. »Wer zu uns herfährt, ist plötzlich mittendrin zwischen den Bergen. Wenn es da regnet, kann es schnell etwas rau wirken. In Wirklichkeit ist es aber nichts anderes als die pure Schönheit der Natur.«
Es sind Menschen wie Klemens Schraml, die dieser Region ihr unverwechselbares Gesicht geben. Einer Region, die einst reich wurde durch das Eisenwesen, das Holz und die vorteilhafte Lage an den Flüssen Enns und Steyr. Tradition, aber auch Pioniergeist und Innovation wurden hier stets groß geschrieben. »Und die Verbundenheit zur Natur«, ergänzt Michael Kirchweger, langjähriger Gebietsbetreuer im Nationalpark Kalkalpen, der kürzlich an einen Kollegen übergeben hat. Mit seiner Frau Erni lebt er abgeschieden im Bodinggraben im alten Forsthaus mitten in unberührter Natur. Als Touristenführer lässt er sich auch zu den Rotwildfütterungen begleiten. Auf diese Weise erlebt man seltene Einblicke in das Naturjuwel der Kalkalpen. »So ein Nationalpark hat eine besondere Philosophie«, sagt Kirchweger. »Der Mensch greift nicht ein. Manche schütteln zwar den Kopf, wenn sie Bäume sehen, die nicht für Profit gefällt, sondern dem Kreislauf des Lebens überlassen werden. Bei uns geht es aber nicht um Gewinn, bei uns geht es um das Ökosystem.«
ÖSTERREICHS GRÖSSTER WALD
Und dieses Ökosystem ist riesig – 21.000 Hektar voller wilder Bergwälder und damit das größte zusammenhängende Waldgebiet Österreichs. Die UNESCO nahm den Buchenwald sogar in ihr Weltnaturerbe auf. Nicht umsonst nennt man den Nationalpark Kalkalpen auch den »Urwald in der Mitte Europas«. Nirgendwo in Österreich gibt es so viele Schmetterlingsarten zu entdecken wie hier, nämlich mehr als 1500. Urwaldvögel vom Weißrückenspecht bis hin zum Zwergschnäpper fliegen durch das dichte Grün. Mehr als tausend unterschiedliche Blütenpflanzen gedeihen, darunter 42 wild wachsende Orchideenarten. Hier pulsiert das Leben. Kein Wunder bei 800 Quellen und 200 Kilometern natürlichen Bachläufen. 80 Brutvogelarten, Fischotter, Urforellen oder der Schwarzstorch – sie alle sind im Nationalpark zu Hause. Und sie alle kann man hier auch beobachten und erleben. Wanderwege durchziehen die Berghänge, Forststraßen sind als Reit- sowie Rad- und Mountainbikewege freigegeben. So kann jeder sein ganz individuelles, sportliches Wildniserlebnis in Angriff nehmen.
Ein Beispiel ist die Trans Nationalpark Tour, eine Radtour die über 450 Kilo
meter und 11.500 Höhenmeter gleich durch zwei Nationalparks führt – den der Kalkalpen sowie den Nationalpark Gesäuse.
PRODUKTION MIT TRADITION
Die unberührte Natur bildet den Nährboden für die Köstlichkeiten der unzähligen Landwirte und Produzenten, die sich in der Region der Kalkalpen und Pyhrn-Priel über die Jahrhunderte angesiedelt haben. Schon 1924 wurde etwa die Klosterkäserei des Stiftes Schlierbach gegründet, heute ist man in Österreich marktführend in der Produktion von Weichkäse mit Rotkultur. In der Schaukäserei erhält man spannende Einblicke in das alte Handwerk. Oder die Schokoladenmanufaktur Bachhalm in Kirchdorf an der Krems, wo man sich bereits seit 1928 der süßen Handwerkskunst verschrieben hat. Traditionell ist natürlich auch die Saft- und Mostproduktion, die vor allem in der hügeligen Landschaft des oberösterreichischen Alpenvorlandes ihren Ursprung hat. Hier bilden einzigartige Streuobstwiesen eine wunderschöne Kulturlandschaft, die sich in den zahlreichen Schänken und gastronomischen Betrieben auch erschmecken lässt.
Altes und Neues reiht sich hier aneinander. Es sind Innovationen, die in dieser Region schon immer auf fruchtbaren Boden getroffen sind. Ein Beispiel dafür ist Helmut Schlader, dessen Alpenkaviar heute in den besten Restaurants des Landes serviert wird. Im Steyrtal fing er schon als kleines Kind seine ersten Fische. Seine Familie betreibt seit Generationen einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Diese Tradition findet nun in der Aufzucht von Stören und der Herstellung von edlem Kaviar eine köstliche Fortsetzung. »Das glasklare Quellwasser aus den Bergen sorgt für ideale Bedingungen für unsere sibirischen Störe und Sterlets«, sagt Schlader. Oft ist er persönlich unterwegs zu den Gastronomen der Region: »Es sind die Begegnungen mit den Menschen, die uns ausmachen«, sagt er.
Hier lebt man mit und von der Natur. Von Steyr bis zum Nationalpark Kalkalpen vereint diese Region Natur- und Kulturerlebnisse mit genussvollen Momenten und zahllosen Orten und Schauplätzen, die man gesehenen haben muss. <