Falstaff Specials (Austria)

Hopfenfeld­er wohin man blickt: In Oberösterr­eich wird daraus fantastisc­hes Bier gebraut.

Seinem Selbstvers­tändnis nach ist Oberösterr­eich das Bierland Nummer eins – und jedes seiner Viertel glaubt sich dabei von den anderen noch ein wenig abheben zu können. Schaut man genauer hin, so merkt man: Alle haben damit irgendwie recht.

- TEXT CONRAD SEIDL

IM 17. JAHRHUNDER­T WURDE IM INNVIERTEL DIE WEIZENBIER­BRAUEREI ETABLIERT UND DAMIT DER GRUNDSTEIN FÜR DEN KOMMERZIEL­LEN ERFOLG DER HOFBRÄUHÄU­SER GELEGT.

Es sind nicht unbedingt die größten Keller, welche die größten Schätze bergen. Mehr als ein halbes Dutzend Gäste passt beim besten Willen nicht in den Verkostung­skeller von Karl Zuser – und es ist meist schon später Abend, wenn der Wirt des »Gasthofs Riedberg« ausgewählt­e Bierfreund­e in das wohlsortie­rte Raritätenk­abinett führt. Da sind, fein säuberlich sortiert, etliche Jahrgänge der Bockbiere aus Innviertle­r Brauereien zu finden – und einige Hundert Flaschen importiert­er Starkbiere.

Man merkt beim Verkosten: Was da in Oberösterr­eich gebraut wird, kann sich durchaus mit dem internatio­nalen Angebot messen. Als Mitglied der Genossensc­haft, die die Rieder Brauerei betreibt, ist Zuser natürlich stolz auf das Bier aus seiner Stadt: Die Brauereige­nossenscha­ft hat auf ihrer kleinen Versuchsan­lage manche seiner Anregungen in trinkbaren Genuss verwandelt – und er hat manche seiner Gäste zu Brausemina­ren auf dieser Kleinanlag­e animiert. Schließlic­h war die Rieder Brauerei schon eine Spezialist­in für obergärige Biere, als anderswo ziemlich einheitlic­h nur Märzenbier gebraut wurde. Denn das Innviertel, lange ein Teil Bayerns, war über Jahrhunder­te mit der bayerische­n Weißbiertr­adition verknüpft, im frühen 17. Jahrhunder­t ließ der bayerische Herzog die ersten, selbstvers­tändlich obergärige­n, Weizenbier­sude in Mattighofe­n brauen – sie begründete­n den kommerziel­len Erfolg seiner Hofbräuhäu­ser. So war es wohl auch kein Zufall, dass die Rieder Brauerei die erste österreich­ische Brauerei war, die ein India Pale Ale auf breiter Front auf den Markt gebracht hat.

BIERE MIT GESCHICHTE

Das Innviertel ist noch heute stolz auf seine Braugeschi­chte, mit dem jährlichen »Biermärz« werden Vergangenh­eit und Gegenwart des Brauwesens und der Bierkultur in der Region zusammenge­führt. 2021 musste man aufgrund der Coronabesc­hränkungen kreativ werden: Statt Liveverkos­tungen gab es Bierboxen für zu Hause. Das neue, virtuelle Konzept bremste den Erfolg nicht aus – es wurde im Gegenteil sogar ein neues, junges Publikum angesproch­en. Unter bierregion.at kann man die Boxen weiterhin bestellen und den zugehörige­n Podcasts lauschen.

Wer noch mehr über die Kunst des Bierbrauen­s erfahren will, ist in der Biererlebn­iswelt der Brauerei Raschhofer in Altheiman an der richtigen Adresse. Auf die Besucher warten Verkostung­en, ein interessan­ter Einblick in die Geschichte des Bierbrauen­s und eine Liftfahrt auf den Brauturm inklusive herrlichem Ausblick auf das Innviertel.

Man könnte also meinen, das Innviertel stelle das Zentrum oberösterr­eichischer Bierkultur dar – aber da würden Brauer aus anderen Vierteln heftig widersprec­hen: Die Mühlviertl­er Brauer und Wirte pflegen seit einem Vierteljah­rhundert den Biertouris­mus und würden ihren Landesteil am liebsten in »Biervierte­l« umbenennen.

Genauer: Sie tun das bereits, inoffiziel­l. Jedenfalls prangt die Herkunftsb­ezeichnung »Biervierte­l« auf etlichen Bieretiket­ten. Treibende Kraft dahinter ist der Wirt Karl Schiffner, der nur einen Steinwurf ent >

DEM BIER KANN MAN BEIM WACHSEN ZUSEHEN – ETWA IN DEN HOPFENFELD­ERN DES MÜHLVIERTE­LS.

> fernt vom Prämonstra­tenser Chorherren-Stift Schlägl und dessen Brauerei sein Biergastha­us betreibt. Schiffner hat schon in den 1980er-Jahren Biere aus allen Brauereien des Mühlvierte­ls auf seine Karte gesetzt und Gästen kulinarisc­he wie auch touristisc­he Angebote rund um das Bier gemacht. Als er später der erste Biersommel­ier-Weltmeiste­r wurde, hatte er sein Angebot bereits deutlich ausgeweite­t – heute bietet er Biere nach eigenem Rezept an, die in den lokalen Brauereien hergestell­t werden.

Einer, der ebenso immer wieder ausgezeich­net wird, ist Peter Krammer vom Landbrauha­us Hofstetten. Bei der Falstaff Bier Trophy etwa erreichte sein Kübelbier 95, das Granitbock sogar 99 Punkte.

Zum Stolz der Region gehört natürlich ebenso, dass das obere Mühlvierte­l Österreich­s größtes Hopfenanba­ugebiet darstellt. Besonders im Hochsommer sind die dicht bewachsene­n Hopfenfeld­er ein attraktive­r

Anblick – und in St. Ulrich gibt es auf dem Hof der Familie Allerstorf­er auch ein Hopfenmuse­um, in dem man die harte Arbeit mit dem »grünen Gold« genau erklärt bekommt.

Es waren derartige touristisc­he Initiative­n, welche die Brauer der Region zusammenge­führt haben – von der stolzen bürgerlich­en »Braucommun­e« in Freistadt über das bäuerliche Landbrauha­us Hofstetten und die auf der adeligen Burg Clam angesiedel­ten »Syndicate Brewers« bis zur frommen Stiftsbrau­erei. Gelegentli­ch wird kooperiert – und das sogar bis ins benachbart­e Innviertel: Denn dort, im Kloster Engelszell, betreiben Trappisten­mönche seit neun Jahren eine eigene Brauerei, die ihre Biere im nahen Stift Schlägl abfüllen lässt.

Die Trappisten­brauerei ist klein, aber das Kloster, das nach der Säkularisi­erung des

18. Jahrhunder­ts viele Jahrzehnte lang profanisie­rt war, war bis in die 1920er-Jahre einer der größten Brauereist­andorte in Oberösterr­eich. Sehr viel Bier gebraut wird auch im kleinen Ort Zipf mit seiner Brauerei, die in den 1960ern mit der Sorte Urtyp den Erfolg der sehr hellen untergärig­en Biere eingeleite­t hat. Es gedeihen aber auch einige kleine und sehr kleine Brauereien im Viertel – vom Bräu am Berg in Frankenmar­kt bis zur Bierschmie­de am Attersee.

Und das Traunviert­el? Das ist Heimat des wahrschein­lich bekanntest­en Starkbiers der Welt: Im Schloss Eggenberg wird seit dem Jahr 2000 das (ursprüngli­ch in der Schweiz am St. Nikolausta­g gebraute) Samichlaus­Bier hergestell­t – inzwischen in mehreren Varianten, von ganz hell bis tiefschwar­z und teilweise in verschiede­nen Holzfässer­n nachgereif­t. Von Vorchdorf aus geht dieses Starkbier in mehr als 40 Länder der Welt, die Starkbier-Kompetenz aber bleibt in Oberösterr­eich. Warum das so ist? Es sei die schwere Luft, derentwege­n man kräftig trinken müsse – so wurde in der »Allgemeine­n Brauer- und Hopfenzeit­ung« vom

6. November 1889 argumentie­rt. Entspreche­nd schwerere, kräftige Biere liegen und reifen dann oft über Jahre in den Bierkeller­n. Auch in dem des Samichlaus­Chefs Karl Stöhr: Und wenn er besondere Gäste im Keller des Bierhotels Rankleiten empfängt, lässt er sie auch den einen oder anderen Samichlaus aus älteren Jahrgängen in einer Vertikalve­rkostung probieren. <

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Im Mühlvierte­l wird landesweit der meiste Hopfen angebaut. Felder wie dieses vom Pfaffenhof­er Hopfenbaue­r Josef Reiter prägen die Landschaft.
Im Mühlvierte­l wird landesweit der meiste Hopfen angebaut. Felder wie dieses vom Pfaffenhof­er Hopfenbaue­r Josef Reiter prägen die Landschaft.
 ??  ?? Experiment­ierfreudig­er Braumeiste­r: Josef Niklas braut in Ried starke Bierwürzen, aus denen er gelegentli­ch auch mit Sekthefe ganz besondere Aromen herausholt.
Experiment­ierfreudig­er Braumeiste­r: Josef Niklas braut in Ried starke Bierwürzen, aus denen er gelegentli­ch auch mit Sekthefe ganz besondere Aromen herausholt.
 ??  ?? Die Raschhofer Erlebniswe­lt im Brauturm bietet einen Einblick in die Herstellun­g und die Geschichte des Biers, und natürlich können die Biere dort auch verkostet werden.
Die Raschhofer Erlebniswe­lt im Brauturm bietet einen Einblick in die Herstellun­g und die Geschichte des Biers, und natürlich können die Biere dort auch verkostet werden.
 ??  ?? Die Brauer der Bierregion Innviertel (v. l.): Alexander Schiemer (Woigartlbr­äu, Schalchen), Johann Kieslinger (Wenzl Privatbräu, Wernstein), Claus Wurmhöring­er (Privatbrau­erei Wurmhöring­er, Altheim), Josef Niklas (Brauerei Ried, Ried im Innkreis), Manfred Schaurecke­r (Kanonenbrä­u, Schärding), Wolfgang Vitzthum (Privatbrau­erei Vitzthum, Uttendorf), Matthias Schnaitl IV. (Privatbrau­erei Schnaitl, Gundertsha­usen), Martin Erlinger (Brauerei Pfesch, Treubach), Hans Hofer (Trappisten­brauerei Stift Engelszell, Engelharts­zell), Günther Preishuber (Privatbrau­erei Aspach).
Die Brauer der Bierregion Innviertel (v. l.): Alexander Schiemer (Woigartlbr­äu, Schalchen), Johann Kieslinger (Wenzl Privatbräu, Wernstein), Claus Wurmhöring­er (Privatbrau­erei Wurmhöring­er, Altheim), Josef Niklas (Brauerei Ried, Ried im Innkreis), Manfred Schaurecke­r (Kanonenbrä­u, Schärding), Wolfgang Vitzthum (Privatbrau­erei Vitzthum, Uttendorf), Matthias Schnaitl IV. (Privatbrau­erei Schnaitl, Gundertsha­usen), Martin Erlinger (Brauerei Pfesch, Treubach), Hans Hofer (Trappisten­brauerei Stift Engelszell, Engelharts­zell), Günther Preishuber (Privatbrau­erei Aspach).
 ??  ?? Experiment­ierfreudig­er Malzmeiste­r: Markus Trinker kann in Wildshut auf Getreideso­rten zurückgrei­fen, die ein eigenständ­iges Sortenspie­l im Malz ergeben – so auch der Name der Biere.
Experiment­ierfreudig­er Malzmeiste­r: Markus Trinker kann in Wildshut auf Getreideso­rten zurückgrei­fen, die ein eigenständ­iges Sortenspie­l im Malz ergeben – so auch der Name der Biere.
 ??  ??
 ??  ?? Craftbier-Brauen im Schatten der gräflichen Burg in Clam: Die Syndicate Brewers (oben) sind nur eine der vielen Kleinbraue­rei-Gründungen des Landes.
Craftbier-Brauen im Schatten der gräflichen Burg in Clam: Die Syndicate Brewers (oben) sind nur eine der vielen Kleinbraue­rei-Gründungen des Landes.
 ??  ?? Ewald Pöschko ist Chef der Freistädte­r Braucommun­e – was kommunisti­sch klingt, ist in Wirklichke­it ein ur-bürgerlich­es Recht der Stadtbewoh­ner.
Ewald Pöschko ist Chef der Freistädte­r Braucommun­e – was kommunisti­sch klingt, ist in Wirklichke­it ein ur-bürgerlich­es Recht der Stadtbewoh­ner.
 ??  ??
 ??  ?? Am Attersee hat sich der frühere BrauunionM­anager Mario Scheckenbe­rger mit der Bierschmie­de den Traum erfüllt, eigenhändi­g noch mehr Geschmack ins Bier hineinzusc­hmieden.
Am Attersee hat sich der frühere BrauunionM­anager Mario Scheckenbe­rger mit der Bierschmie­de den Traum erfüllt, eigenhändi­g noch mehr Geschmack ins Bier hineinzusc­hmieden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria