DIE KÖSTLICHE UNBEKANNTE
Kulinarische Entdeckungen in der Geheimtipp-Region Innviertel
Für Gäste, die zum ersten Mal hier sind, kann das Innviertel ganz schön verwirrend sein. Denn wenn man sich in Oberösterreich wähnt und trotzdem beim Metzger statt beim Fleischhauer einkauft, im Biergarten vor allem Weißbiertrinker sitzen und zum Schweinsbraten frischer RadiSalat serviert wird, sind Sie nicht falsch abgebogen. Das ist immer noch Oberösterreich – aber eben das Innviertel. Sprache und Kulinarik sind hier anders als im Rest Oberösterreichs. Bis zum Jahr 1779 war das Innviertel ein Teil Bayerns, und nach wie vor nimmt man die Nähe zu Deutschland, aber auch zu Salzburg dezent stärker wahr als jene zum Rest des Bundeslandes. Kulinarische Hochburgen wie das barocke Schärding mit seinen idyllischen Gassen, die SchwanthalerStadt Ried mit ihrer original StilleNachtKrippe im Museum Innviertler Volkskundehaus sowie die sanfte Hügellandschaft mit den unzähligen Radwegen (Inn, Tauern, aber auch Antiesen, und Römerradweg) schätzten die bayerischen Gäste schon immer.
Die Oberösterreicher selbst, speziell jene aus dem Zentralraum rund um Linz und
Wels, wissen hingegen recht wenig über das bayerisch angehauchte Viertel – obwohl dessen Kulinarik omnipräsent ist. Man denke nur an Innviertler Knödel, Innviertler Kübelspeck oder den Innviertler Biermärz.
SPECK-WELTMEISTER
Knödel gelten in Oberösterreich generell als Kulturgut. Im Innviertel werden sie aber besonders leidenschaftlich gedreht. Der Kochbuchautor Franz Maier-Bruck (19271982) aus Lambrechten schreibt, dass »kleinwürfeliger Selchspeck von einem Knödelnudelteig umhüllt wird. Die Teighülle muss so dünn sein, dass der Speck in gekochtem Zustand durchschimmert.« Eine weitere Machart ist mit Kübelspeck – dem »weißen Gold des Innviertels«, also fettem Rückenspeck, der in hölzernen Kübeln gesurt wird. Wer vom Innviertler Surspeck redet, denkt unweigerlich an Franz Jenichl. Der ehemalige Fernfahrer bewirtschaftet in Altheim in der Tourismusregion s’Innviertel einen Bauernhof und veredelt seine Schweine zu delikatem Speck. »A Schwårzbrot mit an Surspeck, an frischn Schnittlauch und a weng an Pfeffer – es gibt jå fåst nix Bessers net«, sagt Jenichl – und er hat recht.
Genauso recht wie die besten Köche der Region, wenn sie Teamwork zeigen und das Herz an der richtigen Stelle tragen. »Der karitative Zweck ist uns ein großes Anliegen«, sagt Lukas Kienbauer. Bei der jährlichen Charity-Veranstaltung im Rahmen des Innviertler Biermärz, der sich 31 Tage um die Biervielfalt der Region dreht, zauberten die Köche Lukas Kienbauer, Florian Schlöglmann, Dominik Bauböck, Peter Reithmayr und Christoph Forthuber wieder ein FünfGang-Menü für den guten Zweck.
BIERE MIT GESCHICHTE
Recht haben auch die Bierliebhaber, die ins Innviertel fahren. Die Dichte an Brauereien ist bundesweit einmalig, die Biere landen bei Prämierungen stets im Spitzenfeld. Fast alle Brauereien bieten Führungen an. So auch die Raschhofer Brauerei mit dem Innviertler Brauturm in Altheim, die bereits vor 375 Jahren Bier braute – und deren Erfolgsgeschichte eng mit der Mentalität der Innviertler verbunden ist. Denn der Innviertler gilt – salopp gesagt – als Sturschädel mit weichem Kern. Zum Glück, wie die Geschichte des Bierkartells zeigt: Von 1907 bis 1980 diktierte es den Markt in Österreich und entschied, wer wohin wie viel liefern durfte. Nahezu alle Brauereien waren Mitglieder. Nur die Raschhofers weigerten sich und schufen die Voraussetzungen für einen überregionalen Bierverkauf. Heute steht die Brauerei für außergewöhnliche Biere. Vom Zwickl über
Witbier mit feinen Orangennoten bis zum »Musenkind«-Porter. Undenkbar, was passiert wäre, wenn die Raschhofers damals weichgespült worden wären.
DER ZAUBER DES ECHTEN
Aus dem gleichen Innviertler Holz wie seinerzeit die Raschhofers scheint auch Bernhard Gössnitzer geschnitzt zu sein. Der gebürtige Kärntner betreibt seit 1988 mit seiner Frau Ilse den gleichnamigen Gasthof, unweit des pittoresken Vogel- und Naturschutzgebietes Ibmer Moor in der Tourismusregion s‘Entdeckerviertel. Das Wirtshaus ist – wie auch das Naturparadies – beeindruckend: Über 600 Jahre alt, mit knarrenden Fußböden, Kachelofen und einem alten Wirtshaustisch aus Kirschholz. Der Tischler Schlögl hat ihn so gelassen, wie das Holz gewachsen ist. Und auch Gössnitzer hat sich in seiner langen Berufslaufbahn nie verbiegen lassen. Statt teurer Brigaden lässt er seine Hände arbeiten und zaubert mit Leichtigkeit wohlschmeckende Gerichte. »Essen ohne Nebenwirkungen ist das Um und Auf in der ehrlichen Wirtshausküche«, sagt er, in Anspielung auf die Industrialisierung unserer Nahrungsmittel.
REBELLION FÜR GUTEN GESCHMACK
Freilich gelten die Innviertler als rebellisch. Aber sie haben nicht immer ein Messer unter dem Tisch. Die Messer liegen vielmehr auf dem Küchentisch und sind der verlängerte Arm der handwerklich arbeitenden Köche. Davon gibt es im Innviertel genügend. In Munderfing etwa leuchtet die Wirtshauskultur dank des engagierten Paares Christoph Forthuber und Doris Pfleger besonders hell. Der Koch war international in den besten Häusern unterwegs, nun verpasst er in der Heimat dem »Restaurant Forthuber im Bräu« einen neuen Anstrich.
In Kirchheim ist der Wirt »z’Kraxenberg« eine Bastion des ausgefeilten Geschmacks, Während im »Aqarium« des »SPA Resorts Therme Geinberg« Peter Reithmayr mit viel Fingerspitzengefühl kocht. Überhaupt interpretieren die Innviertler Spitzenköche die bodenständige Innviertler Küche neu, kreativ und dabei leicht. Und dazu gibt es frisch gezapftes Bier aus einer der vielen Privatbrauereien, die mit großer Leidenschaft ihre Bierspezialitäten kultivieren. Einem Urlaub mit vielen kulinarischen Neuentdeckungen steht also nichts mehr im Weg. <