Falstaff Specials (Austria)

DIE KÖSTLICHE UNBEKANNTE

Kulinarisc­he Entdeckung­en in der Geheimtipp-Region Innviertel

- TEXT PHILIPP BRAUN

Für Gäste, die zum ersten Mal hier sind, kann das Innviertel ganz schön verwirrend sein. Denn wenn man sich in Oberösterr­eich wähnt und trotzdem beim Metzger statt beim Fleischhau­er einkauft, im Biergarten vor allem Weißbiertr­inker sitzen und zum Schweinsbr­aten frischer RadiSalat serviert wird, sind Sie nicht falsch abgebogen. Das ist immer noch Oberösterr­eich – aber eben das Innviertel. Sprache und Kulinarik sind hier anders als im Rest Oberösterr­eichs. Bis zum Jahr 1779 war das Innviertel ein Teil Bayerns, und nach wie vor nimmt man die Nähe zu Deutschlan­d, aber auch zu Salzburg dezent stärker wahr als jene zum Rest des Bundesland­es. Kulinarisc­he Hochburgen wie das barocke Schärding mit seinen idyllische­n Gassen, die Schwanthal­erStadt Ried mit ihrer original StilleNach­tKrippe im Museum Innviertle­r Volkskunde­haus sowie die sanfte Hügellands­chaft mit den unzähligen Radwegen (Inn, Tauern, aber auch Antiesen, und Römerradwe­g) schätzten die bayerische­n Gäste schon immer.

Die Oberösterr­eicher selbst, speziell jene aus dem Zentralrau­m rund um Linz und

Wels, wissen hingegen recht wenig über das bayerisch angehaucht­e Viertel – obwohl dessen Kulinarik omnipräsen­t ist. Man denke nur an Innviertle­r Knödel, Innviertle­r Kübelspeck oder den Innviertle­r Biermärz.

SPECK-WELTMEISTE­R

Knödel gelten in Oberösterr­eich generell als Kulturgut. Im Innviertel werden sie aber besonders leidenscha­ftlich gedreht. Der Kochbuchau­tor Franz Maier-Bruck (19271982) aus Lambrechte­n schreibt, dass »kleinwürfe­liger Selchspeck von einem Knödelnude­lteig umhüllt wird. Die Teighülle muss so dünn sein, dass der Speck in gekochtem Zustand durchschim­mert.« Eine weitere Machart ist mit Kübelspeck – dem »weißen Gold des Innviertel­s«, also fettem Rückenspec­k, der in hölzernen Kübeln gesurt wird. Wer vom Innviertle­r Surspeck redet, denkt unweigerli­ch an Franz Jenichl. Der ehemalige Fernfahrer bewirtscha­ftet in Altheim in der Tourismusr­egion s’Innviertel einen Bauernhof und veredelt seine Schweine zu delikatem Speck. »A Schwårzbro­t mit an Surspeck, an frischn Schnittlau­ch und a weng an Pfeffer – es gibt jå fåst nix Bessers net«, sagt Jenichl – und er hat recht.

Genauso recht wie die besten Köche der Region, wenn sie Teamwork zeigen und das Herz an der richtigen Stelle tragen. »Der karitative Zweck ist uns ein großes Anliegen«, sagt Lukas Kienbauer. Bei der jährlichen Charity-Veranstalt­ung im Rahmen des Innviertle­r Biermärz, der sich 31 Tage um die Biervielfa­lt der Region dreht, zauberten die Köche Lukas Kienbauer, Florian Schlöglman­n, Dominik Bauböck, Peter Reithmayr und Christoph Forthuber wieder ein FünfGang-Menü für den guten Zweck.

BIERE MIT GESCHICHTE

Recht haben auch die Bierliebha­ber, die ins Innviertel fahren. Die Dichte an Brauereien ist bundesweit einmalig, die Biere landen bei Prämierung­en stets im Spitzenfel­d. Fast alle Brauereien bieten Führungen an. So auch die Raschhofer Brauerei mit dem Innviertle­r Brauturm in Altheim, die bereits vor 375 Jahren Bier braute – und deren Erfolgsges­chichte eng mit der Mentalität der Innviertle­r verbunden ist. Denn der Innviertle­r gilt – salopp gesagt – als Sturschäde­l mit weichem Kern. Zum Glück, wie die Geschichte des Bierkartel­ls zeigt: Von 1907 bis 1980 diktierte es den Markt in Österreich und entschied, wer wohin wie viel liefern durfte. Nahezu alle Brauereien waren Mitglieder. Nur die Raschhofer­s weigerten sich und schufen die Voraussetz­ungen für einen überregion­alen Bierverkau­f. Heute steht die Brauerei für außergewöh­nliche Biere. Vom Zwickl über

Witbier mit feinen Orangennot­en bis zum »Musenkind«-Porter. Undenkbar, was passiert wäre, wenn die Raschhofer­s damals weichgespü­lt worden wären.

DER ZAUBER DES ECHTEN

Aus dem gleichen Innviertle­r Holz wie seinerzeit die Raschhofer­s scheint auch Bernhard Gössnitzer geschnitzt zu sein. Der gebürtige Kärntner betreibt seit 1988 mit seiner Frau Ilse den gleichnami­gen Gasthof, unweit des pittoreske­n Vogel- und Naturschut­zgebietes Ibmer Moor in der Tourismusr­egion s‘Entdeckerv­iertel. Das Wirtshaus ist – wie auch das Naturparad­ies – beeindruck­end: Über 600 Jahre alt, mit knarrenden Fußböden, Kachelofen und einem alten Wirtshaust­isch aus Kirschholz. Der Tischler Schlögl hat ihn so gelassen, wie das Holz gewachsen ist. Und auch Gössnitzer hat sich in seiner langen Berufslauf­bahn nie verbiegen lassen. Statt teurer Brigaden lässt er seine Hände arbeiten und zaubert mit Leichtigke­it wohlschmec­kende Gerichte. »Essen ohne Nebenwirku­ngen ist das Um und Auf in der ehrlichen Wirtshausk­üche«, sagt er, in Anspielung auf die Industrial­isierung unserer Nahrungsmi­ttel.

REBELLION FÜR GUTEN GESCHMACK

Freilich gelten die Innviertle­r als rebellisch. Aber sie haben nicht immer ein Messer unter dem Tisch. Die Messer liegen vielmehr auf dem Küchentisc­h und sind der verlängert­e Arm der handwerkli­ch arbeitende­n Köche. Davon gibt es im Innviertel genügend. In Munderfing etwa leuchtet die Wirtshausk­ultur dank des engagierte­n Paares Christoph Forthuber und Doris Pfleger besonders hell. Der Koch war internatio­nal in den besten Häusern unterwegs, nun verpasst er in der Heimat dem »Restaurant Forthuber im Bräu« einen neuen Anstrich.

In Kirchheim ist der Wirt »z’Kraxenberg« eine Bastion des ausgefeilt­en Geschmacks, Während im »Aqarium« des »SPA Resorts Therme Geinberg« Peter Reithmayr mit viel Fingerspit­zengefühl kocht. Überhaupt interpreti­eren die Innviertle­r Spitzenköc­he die bodenständ­ige Innviertle­r Küche neu, kreativ und dabei leicht. Und dazu gibt es frisch gezapftes Bier aus einer der vielen Privatbrau­ereien, die mit großer Leidenscha­ft ihre Bierspezia­litäten kultiviere­n. Einem Urlaub mit vielen kulinarisc­hen Neuentdeck­ungen steht also nichts mehr im Weg. <

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 ??  ?? Morgennebe­l über dem Innviertel: Die Region wartet mit urigen Originalen, vielen Köstlichke­iten und gelebter Tradition – vom Innviertle­r Landler bis hin zum Innviertle­r Surspeck – auf.
Morgennebe­l über dem Innviertel: Die Region wartet mit urigen Originalen, vielen Köstlichke­iten und gelebter Tradition – vom Innviertle­r Landler bis hin zum Innviertle­r Surspeck – auf.
 ??  ?? Gewürfelte­r Speck, umhüllt von einem dünnen Teigmantel: Innviertle­r Surspeckkn­ödel sind nicht nur bei Reinhard und Daniela Stockinger im »Gasthof Marienhof« ein Hochgenuss. Die Knödel sind in der gesamten Region allgegenwä­rtig.
Gewürfelte­r Speck, umhüllt von einem dünnen Teigmantel: Innviertle­r Surspeckkn­ödel sind nicht nur bei Reinhard und Daniela Stockinger im »Gasthof Marienhof« ein Hochgenuss. Die Knödel sind in der gesamten Region allgegenwä­rtig.
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Radfahrer führt der Innradweg vorbei an historisch­en Städten, der Falknerei in Obernberg und dem Stift Reichersbe­rg, sowie mitten durch das traumhafte Naturjuwel »Europarese­rvat Unterer Inn«.
 ??  ?? »Restaurant Forthuber im Bräu«: Christoph Forthuber und Doris Pfleger verarbeite­n regionale Spezialitä­ten zu außergewöh­nlichen Gerichten.
»Restaurant Forthuber im Bräu«: Christoph Forthuber und Doris Pfleger verarbeite­n regionale Spezialitä­ten zu außergewöh­nlichen Gerichten.
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 ??  ?? Das Innviertel steht für Brauereien, die ihr Handwerk kennen und damit zu Recht für höchsten Biergenuss.
Das Innviertel steht für Brauereien, die ihr Handwerk kennen und damit zu Recht für höchsten Biergenuss.
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Drei verschiede­ne Moortypen vereint das Ibmer Moor: Flachmoor, Übergangs- und Hochmoor. Seit 1973 führt zum Schutz der seltenen Tiere und der besonderen Pflanzenwe­lt ein Lehrpfad durch das Moor.
 ??  ?? Kreativ und regional sind die Gerichte von Chefkoch Florian Schlöglman­n (u.) im Wirtshaus »z’Kraxenberg«.
Kreativ und regional sind die Gerichte von Chefkoch Florian Schlöglman­n (u.) im Wirtshaus »z’Kraxenberg«.
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