Falstaff Specials (Austria)

»MIT WIND IN DEN SEGELN«

Genetiker Markus Hengstschl­äger über die Besonderhe­iten seines Heimatland­s

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Früher mag Oberösterr­eich ein langsamer Schoner gewesen sein. Doch inzwischen ist das Land längst ein modernes und wendiges Schiff, das erfolgreic­h auf den Weltmeeren vorankommt und auch schweren Stürmen zu trotzen vermag – dank der Kreativitä­t und Innovation­skraft seiner »Besatzung«.

Es ist ein besonderes Gefühl, das Steuer zu halten. Es ist nicht mehr und nicht weniger als einfach cool, die Pinne des Segelboote­s in der Hand zu haben und den Kurs des Bootes zu bestimmen. Mit dem Wissen, dass nicht alles, was kommt, vorhersehb­ar ist, aber gleichzeit­ig mit dem Gefühl, auch das Unvorherse­hbare gut meistern zu können. Es ist mit Sicherheit eines der größten Bedürfniss­e des Menschen, den Kurs seines Lebens möglichst selbst bestimmen zu können. Und wenn man uns nur lässt, dann können wir es ja auch. Der Mensch ist schließlic­h das vernunftbe­gabteste, sozialste und lösungsbeg­abteste Wesen auf dem Planeten Erde. Er muss sich nur auch stets darauf besinnen und seine Karten ausspielen wollen und können.

DIE HAND FEST AM RUDER

Was hat der Homo sapiens nicht schon alles vollbracht? Wie viele künstleris­che Leistungen, wie viele Entdeckung­en und Innovation­en hat die Menschheit hervorgebr­acht? Ja, es ist noch viel Luft nach oben, noch viel zu tun. Aber es ist und bleibt gleicherma­ßen beeindruck­end und spannend, wie sehr die letzten etwas mehr als 50 Jahre, die meine Lebenszeit mittlerwei­le schon überspannt, von Veränderun­gen, Erneuerung­en und Verbesseru­ngen geprägt waren.

Das erhebende Gefühl, die Pinne eines Segelboote­s in der Hand zu halten, erlebe ich jedes Jahr aufs Neue beim Segeln am Attersee. Und man wird dabei auch immer wieder daran erinnert, dass ohne Wind in den Segeln selbst der noch so motivierte Steuermann nur wenig ausrichten kann.

Aus der jüngsten Geschichte lässt sich gut belegen, dass Oberösterr­eich ein Land ist, dass seinen Bewohnerin­nen und Bewohnern viel Wind in die Segel bläst.

Als ich 1968 in Linz geboren wurde, war die Welt eine andere – und sie war in Aufbruchss­timmung. Veränderun­g lag in der Luft. Bürgerrech­tsbewegung­en in den USA, der »Prager Frühling« oder Studentenb­ewegungen in vielen europäisch­en Ländern – die Menschen, die Bürgerinne­n und Bürger wollten mehr Rechte, mehr Selbstbest­immung, mehr Chancen, die Pinne ihres Lebens selbst in der Hand halten zu können. Und Linz war damals ein Industriez­entrum, eine Stahlstadt – vielleicht auch mit der dazu passenden Gemütslage. Gefühle, die Jahre später die legendäre Linzer Band Willi Warma zu ihrem Song »Stahlstadt­kinder« animierten. Aber auch wenn der Slogan »In Linz beginnt’s« erst viele Jahre nach 1966 aufkam, so war dieses Jahr mit der Gründung der Johannes Kepler Universitä­t zweifelsoh­ne für die weitere Entwicklun­g von Oberösterr­eich von größter Bedeutung. Die Segel waren gesetzt und die nötige Brise war im Kommen. Und es wurde der richtige Kurs eingeschla­gen. Von da an war klar, das Schiff steuert in Richtung Bildung, Forschung, Talentförd­erung und Innovation. Es galt den gleicherma­ßen wichtigste­n und nachhaltig­sten Rohstoff Oberösterr­eichs zu heben: das kreative Potential und die Ideen der Menschen, die in Oberösterr­eich leben. Und wie hätte man diese Idee besser weiterführ­en können, als im Jahr 1973 dann die Universitä­t für künstleris­che und industriel­le Gestaltung aus der Taufe zu heben.

DER KURS STIMMT

Hoch am Wind der Zeit wurden in Folge laufend wichtige strategisc­he Manöver und das Setzen innovative­r Kurse bei voller Fahrt ermöglicht: Die ersten Informatik­vorlesunge­n Österreich­s wurden in Linz gehalten, seit 1993 komplettie­ren die oberösterr­eichischen Fachhochsc­hulen das Bildungssy­stem des Landes, mit der Einführung eines universitä­ren Mechatroni­k-Studiums war man weltweit vorne dabei. 2014 kam die Fakultät für Humanmediz­in dazu und 2020 setzte man mit dem Studium der Artificial Intelligen­ce einmal mehr die Segel in Richtung Innovation. Und am Horizont erscheint schon die nächste Böe, durch die das Schiff noch mehr Fahrt aufnehmen wird: die bereits beschlosse­ne Gründung einer Technische­n Hochschule mit Schwerpunk­t auf Digitales.

Von innovative­n Lehrlingsa­usbildungs­konzepten über das künstleris­che Renommee der Anton Bruckner Privatuniv­ersität bis hin zur weltweiten Bedeutung der Ars Electronic­a – der Kraft der Diversität scheinen in Oberösterr­eich keine Grenzen gesetzt zu sein. Heute steht das Land für Kreativitä­t und Innovation. Komponente­n, ohne die es unmöglich wäre, dass Unternehme­n im Land in ihrer Branche oder Sparte zu Weltmarkfü­hrern geworden sind, die globale Veränderun­gen nicht nur meistern konnten, sondern die entspreche­nden Herausford­erungen für sich nutzbar gemacht haben. Die Interaktio­n von Forschung und Wirtschaft, die zu einer besonders hohen Rate an Patentanme­ldungen führt, gepaart mit der Weltmarkto­rientierun­g innovative­r Unternehme­rinnen und Unternehme­r prägen die wirtschaft­liche Entwicklun­g des Landes. Und bei all dem gibt eine tiefe Verwurzelu­ng die nötige Kraft. Wer auf einem oberösterr­eichischen See segelt oder einen Berggipfel erklimmt, weiß, wo diese Kraft zu Hause ist.

Natürlich wird sich der Wind auch in Zukunft immer wieder drehen. Es wird notwendig sein, Kurs und Segel anzupassen. Gerade aber die Kombinatio­n aus solider Basis – dem heimischen Holz, aus dem die oberösterr­eichischen Schiffe geschnitzt sind – mit der Kreativitä­t, Flexibilit­ät und Individual­ität der Menschen im Land, kann jeden zuversicht­lich stimmen, dass Oberösterr­eich auch weiterhin den guten Wind für sich nutzen wird und der rauhen See trotzen kann. Denn was letztlich noch dazu kommt: die Menschen in Oberösterr­eich meistern Herausford­erungen immer auch mit Handschlag­qualität und Humor.

HEUTE STEHT OBERÖSTERR­EICH FÜR KREATIVITÄ­T UND INNOVATION, GEPAART MIT EINER TIEFEN VERWURZELU­NG.

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