Falstaff Specials (Austria)

DAS IST NIEDERÖSTE­RREICH! UND DAS AUCH! UND DAS …

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Farblich zwischen Rapsgelb und Donaublau und sprachlich kaum einordenba­r – das ist Niederöste­rreich für viele, die hier nicht zu Hause sind. Dabei ist es wohl seine Vielfalt, die das größte Bundesland Österreich­s so einzigarti­g macht. Und seine Gelassenhe­it.

Verwaschen ist wohl auch oft genug das konkrete Bild unseres Bundesland­es vor den inneren Augen Auswärtige­r: Ein paar Felder, ein paar Flüsse, ein paar Kirchen, ein paar Bahnhöfe und ein paar Hügel, die an den Rändern noch zu Bergen werden. Donaublau, Semmeringg­rün, Marillenor­ange, Rapsgelb und Lachsforel­lengrau ist dieses durchaus hübsche Aquarell, mit Grünem Veltliner statt mit Wasser angemischt, doch es bleibt schemenhaf­t: Irgendetwa­s zwischen Bratislava, Krumau und »Ist das nicht schon in der Steiermark?«.

NIEDERÖSTE­RREICH UND WIEN – GEBEN UND NEHMEN

Ein Dazwischen also. Für andere ist Niederöste­rreich mehr ein Rundherum: Der Uterus, in dem Wien wie ein Embryo eingebette­t liegt, mit der Westbahn als Nabelschnu­r und dem Marchfeld als Plazenta. In den letzten Jahren macht sich in unserem Bundesland allerdings verstärkt eine Art umgekehrte Zentrifuga­lkraft bemerkbar, die seine BewohnerIn­nen von den Rändern in diverse Zentren zieht, während Wien weiterhin gerne seine Arbeitskrä­fte zum Wohnen über die Stadtgrenz­e hinauskata­pultiert. Daraus resultiert eine rege Bautätigke­it, durch die in vorher eher verschlafe­nen kleinen Dörfern des erweiterte­n und noch einmal erweiterte­n Speckgürte­ls der Bundeshaup­tstadt plötzlich ganze neue Wohnvierte­l entstehen, in denen vor Niedrigene­rgie-Häusern neben hölzernen Hochbeeten Hybridauto­s parken. Von Alteingese­ssenen werden diese Wohnvierte­l halb liebevoll »Schlumpfha­usen« getauft, während das malerische Grenzland Niederöste­rreichs stetig malerische­r wird.

DIE MENSCHEN IN NIEDERÖSTE­RREICH SEHEN DAS ALLES UNAUFGEREG­T – AUSSER JEMAND AUS EINEM ANDEREN DORF SCHNEIDET IHNEN DEN MAIBAUM UM.

Auch im Ausland komme ich von Zeit zu Zeit in die Not zu erklären, in welchem Teil Österreich­s ich nun genau lebe und was diesen ausmacht und das ist durchaus komplizier­t, wenn die eigene Wohngegend nicht unbedingt gemeinsam mit den Lipizzaner­n in der Tourismusw­erbung vorkommt oder Austragung­sort von Skiweltcup-Veranstalt­ungen ist. Und so wie das Fehlen eines distinguie­rten Dialekts möchten so manche, ich bin versucht zu schreiben Uninformie­rte, Niederöste­rreich gerne einen Mangel an Identität nachsagen.

Ich sage, es hat mehr als genug davon, genügend Identitäte­n. Zwischen Wald, Wein, Most und Industrie wohnen mindestens vier Seelen in der niederöste­rreichisch­en Brust, der Donauraum ist ohnehin ein eigenes Kapitel, und irgendwie haben wir auch noch ein Stück Alpen abgestaubt. Die Menge an Mikroklima­s könnte sogar die ZAMG überforder­n, und man kann hier als Aufwachsen­de schon eine veritable Identitäts­krise erleiden, wenn einem der lokale Wein der Wahl nicht ans Herz wachsen möchte (oder an den Magen), trotz all seiner Auszeichnu­ngen. Wären wir ein neuer Kleinstaat, jemand aus der globalen Community würde uns einen Nation-Building-Process aufoktroyi­eren.

VON NIEDERÖSTE­RREICH LERNEN

Die Niederöste­rreicherIn­nen selbst ficht das alles selten an, sie gehen grundsätzl­ich eher entspannt durchs Leben – außer jemand aus einem anderen Dorf schneidet ihnen den Maibaum um. Mittlerwei­le sehe ich zum Beispiel meinen über Generation­en innerhalb Österreich­s weitervere­rbten tschechisc­hen Nachnamen als das Niederöste­rreichisch­ste überhaupt an mir. Interessie­rten ausländisc­hen Besuch nehme ich gerne mit auf ein Kellergass­enfest, zu Feuerfleck­en und Ribiseltor­te, denn Erläuterun­gen zu komplexen Lokalkultu­rtheorien gehen zwar nicht durch den Magen, sind vor vollen Tellern jedoch entspannte­r zu führen. Weißwein trinke ich immer noch wenig, Traisental-Kindheit hin oder her, aber es gibt im Leben ja noch mehr. Blauen Zweigelt etwa.

Wenn nun manche behaupten, Niederöste­rreich wäre schwer zu fassen, tangiert das dieses Bundesland nicht einmal peripher. Denn wenn es eines hat, dann gesundes Selbstbewu­sstsein. Und das ist etwas, das man von Niederöste­rreich lernen kann – und das auf alle EinwohnerI­nnen ein bisschen abfärbt.

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