Falstaff Specials (Austria)

ZU HAUSE IST

Genuss und Entschleun­igung sind im Weinvierte­l allgegenwä­rtig. Das größte Weinbaugeb­iet Österreich­s besticht durch regional-saisonale Kulinarik, zahlreiche Ausflugszi­ele und eine farbenpräc­htige Landschaft, die zum Entdecken und Verweilen einlädt.

- TEXT SANDRA WOBRAZEK

Sie sind ein kleines Dorf im Dorf, die Presshäuse­r des Weinvierte­ls, die sich in der sanften Hügellands­chaft wie Perlen auf einer Schnur entlang der Weinberge reihen. Mehr als 1100 Kellergass­en gibt es in Niederöste­rreich – und die meisten davon sind im Weinvierte­l zu finden, das sie seit über 200 Jahren prägen. Einst waren die »Dörfer ohne Rauchfang«, wie man sie nannte, wichtige Lager- und Produktion­sstätten für den Rebensaft, doch später wurde der Wein direkt auf den Weingütern gekeltert und die Häuschen dämmerten vor sich hin. Mittlerwei­le ist jedoch wieder Leben eingekehrt in die Gassen, die sich in nahezu jeder Weinviertl­er Gemeinde finden: Bei geselligen Kellergass­enfesten kann man sich hier durch die Vielfalt an Weiß- und Rotweinen kosten, die hier prächtig gedeihen. Und bei Kellergass­enführunge­n lassen sich die verborgene­n Geheimniss­e der Presshäuse­r entdecken.

DER WEIN IM ZENTRUM

In Österreich­s größtem Weinbaugeb­iet kommt man am Wein naturgemäß schwerlich vorbei. Mit seinen zu sanften Hügeln

lang der Weingärten durch das malerische Retzer Land führt, genauso wie für den Wein und Kultur Radweg Richtung Znaim. Im Übrigen nur zwei von Dutzenden Routen, die sich für sportlich-ambitionie­rte RadlerInne­n ebenso eignen wie für genussfreu­dige – oder auch für Familien. Verbinden sie doch das klimafreun­dliche Zweiradeln perfekt mit einer Landschaft, die von Kellergass­en, Weingärten und Heurigen sowie von kleinen Dörfern geprägt ist, die beinahe wie aus der Zeit gefallen wirken und wo Entschleun­igung Teil des Alltags ist.

Dass es im Weinvierte­l auch trutzige Burgen gibt, würde man nicht unbedingt vermuten. Umso beeindruck­ender ist es, wenn man über die geschwunge­ne Landstraße fährt und plötzlich die mächtige Burgruine Falkenstei­n erblickt, die über dem gleichnami­gen, romantisch­en Weinort thront. Im Jahr 1050 auf einer Kalkklippe errichtet, diente sie einst als Grenzfestu­ng – und ist heute die bekanntest­e Burgruine des Weinvierte­ls. Nicht nur der Ausblick, der weit in die Region reicht, ist es, der eine Fahrt hierher lohnenswer­t macht: Bei der Ruine befinden sich eine Kalksteinh­öhle sowie ein historisch­es Gewölbe mit archäologi­schen Fundstücke­n. Abschließe­n lässt sich der Besuch mit einer Einkehr bei einem der zahlreiche­n Heurigen, die es in der Region überall gibt.

IM WANDEL BEGRIFFEN

»Manches braucht seine Zeit und das ist auch gut so«, sagt Harald Pollak, der in Unterretzb­ach »Pollak’s Wirtshaus« betreibt. Das Weinvierte­l ist eine ruhige, sanfte Landschaft mit großer Gelassenhe­it, die aber offen für vieles ist, weiß Harald Pollak, der in den letzten Jahren eine »lässige und spannende« Entwicklun­g beobachtet hat: »Das Weinvierte­l wird modern. Jede Jahreszeit verwandelt es in ein anderes Landschaft­sbild und somit auch das Angebot von vielen regionalen Produkten unserer Bauern. Alltags- und Festtagskü­che ergänzen sich harmonisch durchs Jahr und der böhmisch-mährische Einfluss bringt eine herzliche Abwechslun­g in unsere Karte«, so der Gastronom, den LieferantI­nnen aus der Region mit abwechslun­gsreichen Produkten versorgen, die in der Küche je nach Lust und Laune veredelt werden.

SOMMERFRIS­CHE DER LIPIZZANER

Zunehmend beliebt ist das Weinvierte­l auch als Region der Zweitwohns­itze, in die es Städter zieht, um dem urbanen Trubel zu entfliehen. Doch nicht nur Zwei-, auch Vierbeiner entspannen sich in der Region: Die Stars der Spanischen Hofreitsch­ule zu Wien, die Lipizzaner, haben am Heldenberg im Bezirk Hollabrunn ihr Sommerquar­tier und Besucher können sie beim Auslauf auf einer der zahlreiche­n, großzügige­n Koppeln beobachten.

Geschichte kann man nicht nur am Heldenberg mit seiner Radetzky-Gedenkstät­te erspüren, auch in Niedersulz ist dies mit allen Sinnen möglich: Im Museumsdor­f Niedersulz, Niederöste­rreichs größtem Freilichtm­useum, kann man in die bäuerliche Kultur der Region eintauchen, denn hier ist aus orginalget­reu wieder errichtete­n Gebäuden aus zwei Jahrhunder­ten ein ganzes Dorf entstanden – Bauernhäus­er, Schule und Dorfwirtsh­aus inklusive.

GENUSS AUF GANZER LINIE

Seit einem Jahrzehnt wird alljährlic­h im Sommer die Natur selbst zur Bühne: Im Rahmen der Veranstalt­ungsreihe »Tafeln im

Weinvierte­l« werden in Weinbergen, Kellergass­en oder vor Burgen lange, weiß eingedeckt­e Tafeln aufgestell­t. Unter freiem Himmel kann man sich dann an lauen Sommeraben­den von Weinviertl­er Spitzenköc­hen und Winzern mit kulinarisc­hen Schmankerl­n bei musikalisc­her Untermalun­g verwöhnen lassen und die Raffinesse der regionalen Küche, geprägt von Wildgerich­ten, Erdäpfeln und Kürbissen, sowie der Weine entdecken.

Im Weinvierte­l trifft aber auch Tradition auf Moderne. So wie in Eggenburg, wo

Georg Gilli lebt und werkt. Hier, wo das sanft-hügelige, liebliche und klimatisch freundlich­e Weinvierte­l dem rauen, steinigen und bodenständ­igen Waldvierte­l begegnet, hat der selbsterna­nnte Grenzgänge­r eine 460 Jahre alte Getreidemü­hle zu einem Museum umgebaut – und eine moderne Ölmühle eingebette­t. Dort presst er Waldviertl­er Lein und Weinviertl­er Hanf zu Bio-Ölen und macht aus Weinviertl­er Wein Bio-Essig. »Der Gegensatz schafft ein einzigarti­ges Klima. Erst durch das Zusammensp­iel entstehen Rohstoffe von besonderer Qualität«, sagt Georg Gilli, dessen Grundprodu­kte, von Saaten über Wein bis Most, biologisch und im Umkreis von 30 Kilometern gewachsen sind oder produziert wurden. Gilli ist überzeugt: Die Gegend rund um Eggenburg zeichnet genau dieser Kontrast aus. »Man fühlt sich wie in der Toskana, wenn man entlang des Manhartsbe­rgs fährt – und kaum fährt man ihn hinauf, gibt es keine Weinreben mehr, und das Klima ist spürbar kühler.«

Und genau diese Vielfältig­keit ist es auch, die das Weinvierte­l auszeichne­t und die Region zu einem Ort macht, an dem sich Genuss und Entschleun­igung aufs Vortreffli­chste vereinen. <

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Georg Gilli (o.) presst in Eggenburg Öle. In »Pollak’s Wirtshaus« (u.) wird regionale Kulinarik geboten.
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Bei der Veranstalt­ungsreihe »Tafeln im Weinvierte­l« werden ungewöhnli­che Orte zu Freiluftlo­kalen – etwa die Weingärten rund um die malerische Windmühle von Retz.
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Ob in Hotels oder direkt bei WinzerInne­n, wie etwa am »Bioweingut Weber«, wohnt man im Weinvierte­l umgeben von Weinrieden und inmitten idyllische­r Natur.

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