ZU HAUSE IST
Genuss und Entschleunigung sind im Weinviertel allgegenwärtig. Das größte Weinbaugebiet Österreichs besticht durch regional-saisonale Kulinarik, zahlreiche Ausflugsziele und eine farbenprächtige Landschaft, die zum Entdecken und Verweilen einlädt.
Sie sind ein kleines Dorf im Dorf, die Presshäuser des Weinviertels, die sich in der sanften Hügellandschaft wie Perlen auf einer Schnur entlang der Weinberge reihen. Mehr als 1100 Kellergassen gibt es in Niederösterreich – und die meisten davon sind im Weinviertel zu finden, das sie seit über 200 Jahren prägen. Einst waren die »Dörfer ohne Rauchfang«, wie man sie nannte, wichtige Lager- und Produktionsstätten für den Rebensaft, doch später wurde der Wein direkt auf den Weingütern gekeltert und die Häuschen dämmerten vor sich hin. Mittlerweile ist jedoch wieder Leben eingekehrt in die Gassen, die sich in nahezu jeder Weinviertler Gemeinde finden: Bei geselligen Kellergassenfesten kann man sich hier durch die Vielfalt an Weiß- und Rotweinen kosten, die hier prächtig gedeihen. Und bei Kellergassenführungen lassen sich die verborgenen Geheimnisse der Presshäuser entdecken.
DER WEIN IM ZENTRUM
In Österreichs größtem Weinbaugebiet kommt man am Wein naturgemäß schwerlich vorbei. Mit seinen zu sanften Hügeln
lang der Weingärten durch das malerische Retzer Land führt, genauso wie für den Wein und Kultur Radweg Richtung Znaim. Im Übrigen nur zwei von Dutzenden Routen, die sich für sportlich-ambitionierte RadlerInnen ebenso eignen wie für genussfreudige – oder auch für Familien. Verbinden sie doch das klimafreundliche Zweiradeln perfekt mit einer Landschaft, die von Kellergassen, Weingärten und Heurigen sowie von kleinen Dörfern geprägt ist, die beinahe wie aus der Zeit gefallen wirken und wo Entschleunigung Teil des Alltags ist.
Dass es im Weinviertel auch trutzige Burgen gibt, würde man nicht unbedingt vermuten. Umso beeindruckender ist es, wenn man über die geschwungene Landstraße fährt und plötzlich die mächtige Burgruine Falkenstein erblickt, die über dem gleichnamigen, romantischen Weinort thront. Im Jahr 1050 auf einer Kalkklippe errichtet, diente sie einst als Grenzfestung – und ist heute die bekannteste Burgruine des Weinviertels. Nicht nur der Ausblick, der weit in die Region reicht, ist es, der eine Fahrt hierher lohnenswert macht: Bei der Ruine befinden sich eine Kalksteinhöhle sowie ein historisches Gewölbe mit archäologischen Fundstücken. Abschließen lässt sich der Besuch mit einer Einkehr bei einem der zahlreichen Heurigen, die es in der Region überall gibt.
IM WANDEL BEGRIFFEN
»Manches braucht seine Zeit und das ist auch gut so«, sagt Harald Pollak, der in Unterretzbach »Pollak’s Wirtshaus« betreibt. Das Weinviertel ist eine ruhige, sanfte Landschaft mit großer Gelassenheit, die aber offen für vieles ist, weiß Harald Pollak, der in den letzten Jahren eine »lässige und spannende« Entwicklung beobachtet hat: »Das Weinviertel wird modern. Jede Jahreszeit verwandelt es in ein anderes Landschaftsbild und somit auch das Angebot von vielen regionalen Produkten unserer Bauern. Alltags- und Festtagsküche ergänzen sich harmonisch durchs Jahr und der böhmisch-mährische Einfluss bringt eine herzliche Abwechslung in unsere Karte«, so der Gastronom, den LieferantInnen aus der Region mit abwechslungsreichen Produkten versorgen, die in der Küche je nach Lust und Laune veredelt werden.
SOMMERFRISCHE DER LIPIZZANER
Zunehmend beliebt ist das Weinviertel auch als Region der Zweitwohnsitze, in die es Städter zieht, um dem urbanen Trubel zu entfliehen. Doch nicht nur Zwei-, auch Vierbeiner entspannen sich in der Region: Die Stars der Spanischen Hofreitschule zu Wien, die Lipizzaner, haben am Heldenberg im Bezirk Hollabrunn ihr Sommerquartier und Besucher können sie beim Auslauf auf einer der zahlreichen, großzügigen Koppeln beobachten.
Geschichte kann man nicht nur am Heldenberg mit seiner Radetzky-Gedenkstätte erspüren, auch in Niedersulz ist dies mit allen Sinnen möglich: Im Museumsdorf Niedersulz, Niederösterreichs größtem Freilichtmuseum, kann man in die bäuerliche Kultur der Region eintauchen, denn hier ist aus orginalgetreu wieder errichteten Gebäuden aus zwei Jahrhunderten ein ganzes Dorf entstanden – Bauernhäuser, Schule und Dorfwirtshaus inklusive.
GENUSS AUF GANZER LINIE
Seit einem Jahrzehnt wird alljährlich im Sommer die Natur selbst zur Bühne: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Tafeln im
Weinviertel« werden in Weinbergen, Kellergassen oder vor Burgen lange, weiß eingedeckte Tafeln aufgestellt. Unter freiem Himmel kann man sich dann an lauen Sommerabenden von Weinviertler Spitzenköchen und Winzern mit kulinarischen Schmankerln bei musikalischer Untermalung verwöhnen lassen und die Raffinesse der regionalen Küche, geprägt von Wildgerichten, Erdäpfeln und Kürbissen, sowie der Weine entdecken.
Im Weinviertel trifft aber auch Tradition auf Moderne. So wie in Eggenburg, wo
Georg Gilli lebt und werkt. Hier, wo das sanft-hügelige, liebliche und klimatisch freundliche Weinviertel dem rauen, steinigen und bodenständigen Waldviertel begegnet, hat der selbsternannte Grenzgänger eine 460 Jahre alte Getreidemühle zu einem Museum umgebaut – und eine moderne Ölmühle eingebettet. Dort presst er Waldviertler Lein und Weinviertler Hanf zu Bio-Ölen und macht aus Weinviertler Wein Bio-Essig. »Der Gegensatz schafft ein einzigartiges Klima. Erst durch das Zusammenspiel entstehen Rohstoffe von besonderer Qualität«, sagt Georg Gilli, dessen Grundprodukte, von Saaten über Wein bis Most, biologisch und im Umkreis von 30 Kilometern gewachsen sind oder produziert wurden. Gilli ist überzeugt: Die Gegend rund um Eggenburg zeichnet genau dieser Kontrast aus. »Man fühlt sich wie in der Toskana, wenn man entlang des Manhartsbergs fährt – und kaum fährt man ihn hinauf, gibt es keine Weinreben mehr, und das Klima ist spürbar kühler.«
Und genau diese Vielfältigkeit ist es auch, die das Weinviertel auszeichnet und die Region zu einem Ort macht, an dem sich Genuss und Entschleunigung aufs Vortrefflichste vereinen. <