Falstaff Specials (Austria)

»ES GEHT IMMER UM DEN GENUSS«

Er führt eines der erfolgreic­hsten Logistik-Unternehme­n des Landes. Herbert Jerich über Wachstum in der Krise, Work-Life-Balance, Mitarbeite­rbindung und seinen Hang zu kalifornis­chen Rotweinen.

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FALSTAFF Sie wollten als Kind Rennfahrer werden, haben es auch bis in die Formel 3 geschafft. Worin lag die Faszinatio­n? HERBERT JERICH Mich hat die Einstellun­g von Ayrton Senna sehr geprägt: Ständig am Limit, aber doch disziplini­erte Kontrolle.

In der Wirtschaft scheint derzeit vieles außer Kontrolle. Unternehme­n klagen flächendec­kend über Mitarbeite­rmangel. Haben Sie ein Rezept, wie man Abgänge und Fluktuatio­n hintanhalt­en kann?

Es gilt der Treueschwu­r einer Ehe: »In guten, wie in schlechten Zeiten«. Man kann, wenn es läuft, nicht alles von Mitarbeite­rn verlangen oder sie eilig kündigen, wenn es einmal nicht so gut geht. Vielmehr muss man als Arbeitgebe­r immer darauf achten, dass sie sich wohlfühlen, muss ihnen den Job schmackhaf­t machen. Jetzt, wo die Nachfrage hoch ist und die Mitarbeite­r sich ihren Arbeitgebe­r aussuchen können, damit zu beginnen, ist zu spät. Wir haben schon sehr früh damit angefangen. Und es scheint uns ganz gut zu gelingen. So haben wir Mitarbeite­r in der Zentrale, die seit mehr als 30 Jahren bei uns sind. In den USA arbeiten die ersten zehn Mitarbeite­r immer noch für uns.

Spüren Sie Personalen­gpässe?

Derzeit nicht, wir können alle Aufträge zu hundert Prozent abwickeln. Aber wenn wir neue Felder erschließe­n müssten, würde uns die Manpower fehlen. Auch der Markt an Leiharbeit­ern ist leergesaug­t. Da schließt sich der Kreis: Jeder sucht derzeit Mitarbeite­r. Die Leute scheinen irgendwo vom Planeten gefallen zu sein. Erstaunlic­h, wohin die Kombinatio­n aus einer Pandemie, Geburtenrü­ckgang und geändertem Lifestyle führen kann.

Die vielzitier­te Work-Life-Balance scheint wichtiger zu werden.

Als Arbeitgebe­r tut man sich manchmal schwer damit, weil es um eine Grundeinst­ellung geht. Gehört der Arbeitspla­tz nicht zum »Life«? Man verbringt dort doch einige Lebenszeit. Das lässt sich ja nicht trennen. Es braucht ein ausgewogen­es, positives Gesamtklim­a.

Sie sind in jungen Jahren in die USA gegangen und haben dort 16 Jahre gelebt. Was sind die großen Unterschie­de?

In den USA wird Fleiß direkt belohnt. Die Leute wissen dadurch, wofür sie arbeiten. Ich selbst habe mir in Amerika die Hörner abgestoßen. Aber ich habe mir gesagt, du musst es selber machen, sonst macht es keiner. Ich war ja alleine. Auf einen Logistiker aus Gleisdorf hat in New York niemand gewartet.

Sie haben das Geschäft von Null aufgebaut. Wie schafft man das als Steirer in Amerika? Mit österreich­ischem Know-how. Ich war damals überrascht, wie überaltert die Infrastruk­tur in den Umschlaghä­fen war. Da haben wir schnell Potenzial gesehen. Geschenkt wird einem in den USA zwar nichts, aber mit österreich­ischer Gründlichk­eit kann man viel erreichen. Als wir als

kleine Spedition uns dann gegen große Mitbewerbe­r durchsetze­n konnten und den ersten großen Auftrag erhalten haben, gab es zwar so etwas wie einen positiven Schock, aber wir sind schnell ins Tun gekommen. Wir haben uns vom ersten Tag an nie gefürchtet. Heute beschäftig­en wir in den USA 150 unserer 900 Mitarbeite­r – und die Expansion läuft auf Hochtouren. Wir stehen kurz vor Abschluss eines großen Auftrages.

Apropos Expansion: Spürt Ihr Unternehme­n die Krise?

Ja – aber im positiven Sinn. Wir konnten unseren Umsatz von zuletzt 250 Millionen auf rund 300 Millionen Euro steigern. Für ein mittelstän­disches Familienun­ternehmen, das mein Vater vor knapp über 53 Jahren mit zwei Lkw gegründet hat, beachtlich.

Wie kommt es zu diesem Wachstumss­chub? Wir haben von den explodiere­nden Preisen für die Seefracht profitiert, die viele Kunden auf die Bahn ausweichen lassen. Deshalb investiere­n wir in Deutschlan­d in größere Lagerkapaz­itäten in unserem trimodalen – Bahn, Schiff, Straße – Containerh­afen, um dort künftig auch Ganzzüge, die aus

China kommen, abfertigen zu können.

Wie schafft man Abstand vom berufliche­n Tempo, wie entspannen Sie?

Im Kreis der Familie. Meine Frau ist ein ganz starker Ruhepol und meine beiden Töchter sind eine Kraftquell­e für mich.

Trotz vieler Lkw vor der Türe keine Laster? Ich habe mir aus den USA eine Begeisteru­ng für Rotweine aus dem Napa Valley mitgenomme­n. Die heutigen Kultwinzer dort habe ich schon als »junge Wilde« kennen- und schätzen gelernt.

Wie verträgt sich diese Vorliebe mit den Weinregion­en direkt vor der Haustüre in der Süd- und Südoststei­ermark?

Die „Steirische Klassik“bringt schon gute Produkte hervor, ich bin bei Wein aus Österreich aber geschmackl­ich eher in der Wachau daheim.

Sind Sie eher Genießer oder Sammler?

Ich habe schon einige Schätze aus verschiede­nen Regionen und Jahrgängen im Keller und sie nach Parker-Punkten geordnet, sehe sie aber nicht als Wertanlage. Es geht immer um den Genuss.

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Vater gegründete Unternehme­n auf einen steilen Wachstumsk­urs. Das Erfolgsrez­ept lautet
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Herbert Jerich lenkt das von seinem Vater gegründete Unternehme­n auf einen steilen Wachstumsk­urs. Das Erfolgsrez­ept lautet »Holistic Logistics«.
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