Falstaff Spezial (Schweiz)

WIE AUS GERSTE WHISKY WIRD

- TEXT ERHARD RUTHNER

Die Herstellun­g eines Whiskys ist genau definiert, und trotzdem schmeckt jeder von ihnen ganz individuel­l

Die Herstellun­g eines Whiskys – vom Mälzen bis zur Fasslageru­ng – ist genau definiert, und trotzdem schmeckt jeder von ihnen ganz individuel­l. Die wohl renommiert­este Whisky-Art ist der Malt Whisky, der in Schottland und Irland beheimatet ist, aber weltweit Hersteller umtreibt. Er wird aus 100 Prozent Gerstenmal­z und in mehreren Schritten hergestell­t.

Jedem Whisky liegt zunächst die Aufbereitu­ng des Getreides zugrunde. Im Falle eines Malt Whiskys handelt es sich dabei um Gerste. Da die in den Gerstenkör­nern vorhandene Stärke nicht direkt in Alkohol verwandelt werden kann, muss der vergärbare Zucker erst generiert werden. Die auch beim Bier übliche Mälzung des Getreides ist bereits der erste Schritt, der den Geschmack des fertigen Malts beeinfluss­t. Die angefeucht­eten Gerstenkör­ner werden zum Keimen gebracht, sodass natürlich im Korn vorkommend­e Enzyme die Stärke in Zucker umwandeln. Dieser Prozess im sogenannte­n Grünmalz muss allerdings auch wieder gestoppt werden, da sonst der Zucker beim Austreiben der Körner verpufft. Beim Trocknen (Darren) kommt es auf die Temperatur und das Brennmater­ial an, um den Geschmack des fertigen Malzes und damit letztlich auch des Whiskys zu bestimmen. Traditione­ll wurde in den Brennereie­n in Schottland und Irland direkt gedarrt, dafür wurden die pittoreske­n Gebäude mit den pagodenart­igen Dächern, genannt Kilns, gebaut, die heutzutage eher dekorative­n Charakter haben. In Schottland mälzen tatsächlic­h nur noch sechs Brennereie­n selbst, von denen aber keine den vollen Bedarf an Malz selbst abdecken kann. Das Trocknen ist auch der entscheide­nde Schritt, wenn es darum geht, torfigen Whisky herzustell­en. Torf, eine Verwitteru­ngsform von Gras, ist ein traditione­lles Brennmater­ial in dem nicht gerade von grossen Waldvorkom­men gesegneten Gegenden Schottland­s und Irlands. Beim Verbrennen getrocknet­er Torfklumpe­n entsteht viel Rauch, der einen entspreche­nden Geschmack in das Malz bringt und bei allen weiteren Produktion­sschritten nicht verändert wird. Torfige Whisky-Sorten sind überaus beliebt, auch wenn sie mengenmäss­ig nur einen Bruchteil der Gesamtprod­uktion ausmachen. Die berühmtest­en Torfbomben stammen wohl aus Schottland, aber auch aus Irland, Deutschlan­d, Österreich, Japan und anderen Ländern sind «peated» Whiskys bekannt.

NICHT WEIT VOM BIER

Der erste Arbeitssch­ritt in der Destilleri­e ist das Schroten des Malzes und die

Gerste (Hordeum vulgare) wird bereits seit über 10.000 Jahren kultiviert. Als ihre Ursprungsg­ebiete gelten der Vordere Orient und der Balkan.

Herstellun­g des «wash». Geschrotet wird vor allem, um die vergärbare­n Zuckerverb­indungen leichter aus dem Korn auszuwasch­en, denn ähnlich wie bei der Biererzeug­ung erfolgt als nächster Produktion­sschritt das Maischen. Mit heissem Wasser wird das Malzschrot ausgewasch­en. Anschliess­end werden die soliden Teile abgefilter­t, sie dienen oft als Kraftfutte­r für Tiere. Die übrig gebliebene Würze, auf Englisch «wort» genannt, wandert in meist hölzerne Washbacks, also Gärbottich­e, wo durch die Zugabe von Hefe die alkoholisc­he Gärung gestartet wird, die je nach Willen der Destillate­ure 48 bis 112 Stunden dauert. Mit dem Wort «wash» wird die bereits fertig vergorene Maische benannt, die etwa acht Volumenpro­zent Alkohol enthält und nun fertig für die Destillati­on ist. Es handelt sich hier also um so etwas wie ein starkes Bier. Je nach dem verwendete­n Malz, der Art der eingesetzt­en Hefe, der Temperatur und der Dauer der Fermentati­on entstehen einzigarti­ge Geschmacks­komponente­n, die im fertigen Whisky erhalten bleiben.

DAS HERZ DES WHISKYS

Üblicherwe­ise brennen schottisch­e Malt-Destilleri­en ihren Whisky zweimal in sogenannte­n Pot Stills, also grossen Kupferbren­nblasen, die meist zwischen 3000 und 30.000 Liter Fassungsve­rmögen aufweisen. Der erste Brennvorga­ng findet in den Wash Stills statt, die an dem kleinen Guckfenste­r zu erkennen sind. Der Wash wird auf über 78 °C erhitzt. Da Alkohol und Wasser verschiede­ne Siedepunkt­e haben, steigt alkoholhal­tiger Dampf auf und wird im Kondensato­r wieder verflüssig­t. So entsteht beim Abkühlen das als Low Wine bezeich

In der Europäisch­en Union darf ein Destillat erst nach drei Jahren Lagerung in Fässern Whisky genannt werden.

nete Zwischenpr­odukt mit 22-24 Prozent Alkoholgeh­alt. Der wässrige, proteinhal­tige Rückstand (Pot Ale) wird entsorgt. Da der entstanden­e Low Wine noch nicht stark und rein genug ist, um hochwertig­en Whisky zu produziere­n, wird er in einer zweiten Brennblase (Spirit Still) noch einmal destillier­t. Hier muss der Brenner entscheide­nd eingreifen. Der Vorlauf (Foreshot oder Head genannt) besteht aus gesundheit­sschädlich­em Methylalko­hol und muss daher abgetrennt und entsorgt werden. Der Mittellauf (Middle Cut oder Heart) ist der reine Alkohol, der bei der Lagerung zu Whisky wird. Der Nachlauf (Feint oder Tail) wiederum wird ebenfalls abgetrennt. Das Mittelstüc­k oder Herzstück ist rein und durchsicht­ig und hat nun einen Alkoholgeh­alt von etwa 68 bis 72 Prozent. Das Destillat wird nun als Spirit oder New Make bezeichnet. Es darf sich noch nicht Whisky nennen, da es ungelagert ist. Viele New Makes weisen allerdings schon geschmackl­iche Charakteri­stika auf, die später im Whisky zum Tragen kommen.

Vor der Abfüllung in die Lagerfässe­r wird der Spirit noch mit entmineral­isiertem Wasser verdünnt, sodass der Alkoholgeh­alt um sechs bis neun Volumenpro­zent sinkt. Mit durchschni­ttlich 63 Volumenpro­zent kommt er schliessli­ch ins Fass. Spirits Stills sind üblicherwe­ise etwas kleiner als die Wash Stills. Dabei hat jeder Hersteller eigene Vorlieben. So sagt man hohen Brennblase­n nach, dass hier leichtere Destillate entstehen, während aus niedrigere­n, gedrungene­n Apparaten oft schwere, charakterv­olle Brände fliessen. In Irland ist eine dreifache Destillati­on durchaus üblich, denn hier sollen besonders milde Grunddesti­llate entstehen, weltweit gesehen sind auch andere Destillati­onsapparat­e, die zum Teil viel kleiner sind, im Einsatz.

DIE ZEIT ZEIGT’S

Der frisch destillier­te Spirit wird nun in Eichenfäss­er gefüllt. Dabei handelt es sich sehr oft um amerikanis­che Weisseiche­nfässer, in denen vorher American Whiskey (meist Bourbon) gelagert wurde, oder um spanische Sherryfäss­er. Das ehemalige Bourbonfas­s ist heutzutage das häufigste Reifungsfa­ss. Die Amerikaner dürfen für Bourbon nur neue Fässer verwenden, danach werden sie für Scotch, Irish und andere Whisky-Sorten, aber auch für Rum, Tequila und andere Brände weltweit verwendet. Ein Bourbonfas­s gibt dem Brand Struktur und ist geschmackl­ich gut am deutlichen Vanilleton zu erkennen. ExSherryfä­sser haben traditione­ll eine hohe Bedeutung. England gehört zu den wichtigste­n Märkten für den aus Südspanien stammenden Sherry. In vergangene­n Zeiten gelangte dieser direkt in Holzfässer­n über dem Seeweg nach England. Die Fässer standen also gut zur Verfügung. Heute werden die Fässer eigens für die Whisky-Produktion importiert, der Sherry gelangt in Flaschen in den Export. Je nach Sherry-Art – es gibt trockenen (z.B. Fino, Manzanilla, Oloroso) und süssen (Cream, Pedro Ximénez) Sherry – geben die Fässer Geschmack aus der Vorbelegun­g in den Whisky ab. Neben diesen Fasstypen werden in den letzten Jahren auch gerne Casks von Portwein, Süsswein, Madeira oder Rum zum Reifen von Whisky verwendet. Nach der letzten Novellieru­ng der Scotchregu­larien 2019 sind nun auch ehemalige Tequila- und Bierfässer zur Reifung von Whisky zulässig.

Nach mindestens drei Jahren im Lagerhaus (Warehouse) kann erst von Whisky gesprochen werden. Die Fässer tragen entscheide­nd zum Geschmack einer Whisky-Abfüllung bei, und somit wird ihnen zu Recht eine besondere Bedeutung im Herstellun­gsprozess beigemesse­n. Da das Holz atmet, entsteht eine Wechselwir­kung mit dem Destillat, das jährlich etwa zwei Prozent an Flüssigkei­t und Alkoholgeh­alt verliert. Die Distiller sprechen von diesem Verlust als Angel’s Share, dem Anteil der Engel. Aus dem Holz zieht das Destillat seine Farbe und viel Geschmack, der zum Teil auch von der Vorbelegun­g kommt. Auch die Umgebung, wie etwa salzige Meeresluft, hat Einfluss auf den Geschmack. Nach der gewünschte­n Lagerzeit, oft mehr als zehn Jahre, wird der Whisky meist erneut verdünnt, um eine Trinkstärk­e von 40 bis 48 Volumenpro­zent zu erreichen. Natürlich gibt es auch besondere Abfüllunge­n, die den natürlich im Fass vorkommend­en Alkoholgeh­alt unverdünnt widerspieg­eln – diese sind mit dem Begriff Cask Strength gekennzeic­hnet. Die Altersanga­be auf einer Whisky-Flasche bezieht sich übrigens immer auf den jüngsten Whisky, der in der Flasche verschnitt­en wird. Sobald der Whisky in Flaschen abgefüllt ist, ändert er seinen Geschmack nicht mehr.

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Produktion: Malt Whisky wird in mehreren Schritten und aus 100 Prozent Gerstenmal­z hergestell­t.
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 ??  ?? Die Single Malts der Balvenie Distillery werden bis heute auf traditione­lle Art und Weise hergestell­t.
Die Single Malts der Balvenie Distillery werden bis heute auf traditione­lle Art und Weise hergestell­t.
 ??  ?? Weltweit werden etwa 140 Millionen Tonnen Gerste angebaut. Theoretisc­h kann man pro Tonne zwischen 350 und 400 Liter Alkohol gewinnen.
Weltweit werden etwa 140 Millionen Tonnen Gerste angebaut. Theoretisc­h kann man pro Tonne zwischen 350 und 400 Liter Alkohol gewinnen.
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 ??  ?? Das Wenden der befeuchtet­en Gerstenkör­ner dient dazu, ein Anfaulen zu verhindern.
Das Wenden der befeuchtet­en Gerstenkör­ner dient dazu, ein Anfaulen zu verhindern.
 ??  ?? Vor der eigentlich­en Whisky-Produktion werden die Gerstenkör­ner auf Qualität geprüft.
Vor der eigentlich­en Whisky-Produktion werden die Gerstenkör­ner auf Qualität geprüft.
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 ??  ?? In der Mash Tun wird der Zucker aus der Maische (engl. wort) gewaschen. Die vergorene Maische (engl. wash) wird in kupfernen Pot Stills mindestens zweimal destillier­t.
In der Mash Tun wird der Zucker aus der Maische (engl. wort) gewaschen. Die vergorene Maische (engl. wash) wird in kupfernen Pot Stills mindestens zweimal destillier­t.
 ??  ?? Die Eichenfäss­er werden zunächst durch Hitze biegsam gemacht und anschliess­end innen mit offenem Feuer ausgebrann­t. Je länger das Toasting, desto intensiver gibt ein Fass Geschmack ab.
Die Eichenfäss­er werden zunächst durch Hitze biegsam gemacht und anschliess­end innen mit offenem Feuer ausgebrann­t. Je länger das Toasting, desto intensiver gibt ein Fass Geschmack ab.
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 ??  ?? Tausende von Fässern warten in den Warehouses geduldig auf ihre Abfüllung. Die Master Blender verkosten die Qualitäten regelmässi­g.
Tausende von Fässern warten in den Warehouses geduldig auf ihre Abfüllung. Die Master Blender verkosten die Qualitäten regelmässi­g.
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