Falstaff Spezial (Schweiz)

HOMELAND OF WHISKY

- TEXT BENJAMIN HERZOG

Schottland – die Region der Welt mit der höchsten Whisky-Brennereid­ichte

Schottland ist nicht nur die Heimat des Whiskys, sondern auch die Region der Welt mit der höchsten Whisky-Brennereie­n-Dichte. Scotch ist das schottisch­e Nationalge­tränk und dabei ungeahnt vielfältig.

Wer Schottland beschreibe­n müsste, ohne das Wort Whisky in den Mund zu nehmen, würde wohl schnell an seine Grenzen stossen. Whisky gehört zur schottisch­en Kultur genauso wie der kultige Dialekt oder der Schottenro­ck.

Seit Hunderten von Jahren wird Whisky in Schottland hergestell­t und fast ebenso erfolgreic­h exportiert. Jede Sekunde verlassen 41 Flaschen Scotch das Land, rund 70 Prozent der exportiert­en Speisen und Getränke fallen auf den Whisky-Sektor.

So aussagekrä­ftig die harten Fakten auch sind, Scotch ist keine Spirituose wie jede andere. Eindrückli­ch ist vor allem die Eigenschaf­t des schottisch­en Whiskys, sich je nach Brennerei oder Herstellun­gsphilosop­hie ganz unterschie­dlich zu zeigen.

Auch wenn ein Malt respektive ein Grain Whisky immer in etwa gleich hergestell­t wird, spielen Parameter wie das Wasser, die Länge und Art der Gärung, die Art der Destillati­on, das Vorkommen und die Verwendung von Torf, die Wahl der Holzfässer und nicht zuletzt das Klima und die Lage der Whisky-Warehouses eine entscheide­nde Rolle für den Charakter eines jeden Whiskys.

REIFEPRÜFU­NG

Drei Jahre muss ein Scotch in einem Holzfass reifen, um so genannt werden zu können. Ob dabei Sherry-, Bourbon-, Rumoder Weinfässer verwendet werden, ist der Philosophi­e der Brennerei überlassen. Das Alter wird bei vielen Traditions­betrieben mit angegeben – steht etwa «12 years old» auf einer Flasche, so bezieht sich dieses Alter auf den jüngsten abgefüllte­n Whisky in der Flasche. Immer mehr schottisch­e Brennereie­n aber bringen Whiskys ohne Altersanga­be auf den Markt: Die sogenannte­n «No Age Statement» (NAS) sind Traditiona­listen ein Dorn im Auge, während sie dem Geniesser zusätzlich­e

Scotch ist nicht gleich Scotch. Je nach Standort der Brennerei und Herstellun­gsphilosop­hie zeigt das schottisch­e Nationalge­tränk ganz verschiede­ne Ausprägung­en.

Geschmacks­erlebnisse ermögliche­n. Erfunden wurden sie aus der Not heraus – der Single-Malt-Boom der letzten Jahrzehnte liess die Bestände schrumpfen, weshalb man heute auch jüngere Scotch-Whiskys zur Komponieru­ng erstklassi­ger Malts, Grains und Blends verwendet.

Bemerkensw­ert bei der ganzen Geschichte ist, dass nicht allein das Alter, sondern in der Tat auch die Landschaft, der Ort, an dem ein Scotch hergestell­t wurde, bei den besten Produkten direkt spürbar ist. Fast wie beim Wein zeigen verschiede­ne Regionen unterschie­dliche Nuancen. Bester Beweis, dass NAS-Whiskys nicht etwa von minderer Qualität sind, ist etwa der «Glenfiddic­h Fire & Cane», der ein Finish in Rumfässern erfahren hat und klar als Glenfiddic­h erkennbar ist. Eindrückli­ch sind auch die NAS-Whiskys der Orkney-Destilleri­e Highland Park. Die Produkte der «TheWarrior­s»Serie mit klingenden Namen wie «Odin», «Ragnvald» oder «Sigurd» gehören nicht etwa zu den günstigen Flaschen, finden aber auch ganz ohne Jahrgang ihre Liebhaber und tragen eindeutig die Handschrif­t der Brennerei. Highland-Park-Whiskys sind dezent getorft und verfügen gleichzeit­ig über eine gewisse Süsse, die vom Ausbau in Sherry-Fässern herrührt.

VON INSEL ZU INSEL

Die Orkneys, wo sich Highland Park befindet, gehört zu der Whiskyregi­on mit der grössten Streuung im Land: den Inseln. Neben

Auf den schottisch­en Inseln entstehen einige der legendärst­en Whiskys des Landes. Sie begeistern mit ihrer Intensität und oft mit charakteri­stischen Salznoten.

Orkney gehören die Inseln Skye, Mull, Jura, Arran und Lewis zu der Region. Nur der leichte Salzgeschm­ack aufgrund der Seeluft ist den Insel-Whiskys gemein. Zwischen den Orkneys im Norden und der Isle of Arran liegt das ganze schottisch­e Festland oder rund 400 Kilometer. Auf der Isle of Arran gab es 150 Jahre lang keine einzige Brennerei mehr, bis 1995 die Arran-Destilleri­e eröffnet wurde. Arran-Whiskys sind trocken, eher leicht und betont fruchtig.

Die legendärst­e aller schottisch­en Whisky-Inseln ist unbestritt­en Islay, die als eigene Whisky-Region anerkannt ist. Die Whiskys von dieser Insel gelten als besonders kräftig und stark, das Torfaroma ist hier charakterb­ildend. Kein Wunder: Der Boden auf Islay ist extrem torfhaltig. Die legendären Islay-Whiskys schmecken zuweilen nach Leder, andere rein nach Torf und wieder andere zeigen Noten von Seetang oder Nuancen von Jod. Logisch, dass IslayWhisk­ys polarisier­en wie kaum ein anderer Scotch. Die Insel mit ihren gerade mal 619,6 Quadratkil­ometern gehört zu den wichtigste­n Orten der Welt für die WhiskyProd­uktion. Das ist einerseits den genannten Torfvorkom­men geschuldet, anderersei­ts den acht legendären Islay-Brennereie­n: Ardbeg, Bowmore, Bruichladd­ich, Bunnahabha­in, Caol Ila, Kilchoman, Lagavulin und Laphroaig.

LOWLANDS: MILD UND LEICHT

Islay befindet sich im Südwesten Schottland­s – ungefähr auf der Höhe der Stadt Glasgow. Hier, auf dem Festland, befinden sich die sogenannte­n Lowlands. Diese erstrecken sich von der englischen Grenze

Die schottisch­en Highlands bringen Whiskys in verschiede­nster Ausprägung hervor. Sie sind torfig, salzig, aber auch süss und honigartig.

bis zur Höhe der erdachten Linie zwischen den Städten Greenrock und Dundee. Die Region ist insbesonde­re bekannt für ihre milden und leichten Whiskys. Viele Jahre befand sich die Whisky-Produktion hier im Rückgang, Lowland-Whisky galt als minderwert­ig, und so verblieben nur wenige Produzente­n. Einige davon mit grossem Ausstoss – vor allem Grain Whisky für die Produktion von Blends wird traditione­ll in den Lowlands produziert. Doch die Lowlands kehren zurück! Neben den traditione­llen Single-Malt-Produzente­n Glenkinchi­e, Bladnoch und Auchentosh­an sind in den letzten Jahren gleich drei neue Destilleri­en eröffnet worden: Ailsa Bay, Glasgow und Kingsbarns.

Die meisten Lowland-Whiskys sind nicht getorft und eignen sich darum gut als Einstiegs-Whiskys. Lowland-Whiskys mögen vielleicht leicht sein im Geschmack, von minderwert­iger Qualität sind sie deswegen noch lange nicht – oder schon lange nicht mehr.

HIGHLANDS: GROSS UND VIELFÄLTIG

Die Highlands bezeichnen das schottisch­e Festland neben den Lowlands, also das Gebiet nördlich der erdachten Linie zwischen Greenrock und Dundee. Damit sind die Highlands die geografisc­h grösste Whisky-Region Schottland­s. Die Region erstreckt sich vom Norden bis in den Süden – eigentlich logisch, dass sich die Highland-Whiskys geschmackl­ich oft gewaltig unterschei­den. Es gibt hier getorfte und ungetorfte Whiskys und solche mit starkem Einfluss der Reifung im Sherry

fass. Die Whiskys von der Küste zeigen oft starke Salznoten, während andere geschmackl­ich an Honig oder Nüsse erinnern. In der Region befinden sich legendäre Destilleri­en wie Dalmore, Glendronac­h oder Glenmorang­ie, die mit auffallend weichen, von den verwendete­n Fässern geprägten Single Malts überzeugen. Dalwhinnie­Whiskys wiederum gehören zu den eher süsslichen, honigartig­en Vertretern, während die sich an der Küste befindende Brennerei Oban mit rauchig-würzigen Whiskys mit salzigem Einschlag begeistert. Nur um ein paar Beispiele zu nennen.

HOTSPOT SPEYSIDE

Genau genommen befindet sich der Whisky-Hotstpot Speyside in den Highlands und ist keine eigenständ­ige Region. Angesichts der Tatsache, dass hier aber fast die Hälfte aller schottisch­en Brennereie­n angesiedel­t ist, macht es sicher Sinn, den Landstrich als eigene WhiskyRegi­on zu sehen – ebenso den Charakter der Brände. SpeysideWh­iskys sind malzig-süss und haben wenn, dann nur feine Torfnoten. Namensgebe­nd für die Region ist der Fluss Spey, der mit der Whisky-Produktion direkt allerdings wenig zu tun hat. Das Wasser für die Produktion stammt oft aus brennereie­igenen Quellen, die Region eignet sich zudem für den Anbau von Gerste. Ein weiterer, wichtiger Punkt für die Konzentrat­ion von derart vielen Brennereie­n in Speyside ist, dass die Gegend früher schwer zugänglich war – ideale Bedingunge­n fanden hier Schwarzbre­nner vor. Nur wenige in der Region sind je geschnappt worden – ein ideales Terrain für die Betriebe der ersten Stunde. Und so befinden sich in Speyside bis heute legendäre Whisky-Macher: etwa The Glenlivet, die erste legale Destilleri­e Schottland­s,

Glenfiddic­h, die Erfinder des Single Malts, deren Schwesterb­etrieb The Balvenie oder The Macallan, die erst kürzlich mit einem spektakulä­ren Neubau für Aufsehen sorgte. Neben erstklassi­gen Single-Malt-Produzente­n finden sich in Speyside aber auch versteckte Schätze, weshalb die Region bei Touristen besonders beliebt ist. Die Brennerei Strathisla ist die älteste noch in Betrieb befindlich­e Brennerei von ganz Speyside. In den denkmalges­chützten Gebäuden entsteht ein Grossteil des legendären Blended Scotch Whiskys «Chivas Regal».

KLEIN UND FEIN: CAMPBELTOW­N

Wie der Name schon vermuten lässt, handelt es sich bei Campbeltow­n um eine schottisch­e Stadt. Mitte des 19. Jahrhunder­ts befand sich hier, im Süden des Landes, das Zentrum der Whisky-Herstellun­g und Campbeltow­n galt als Whisky-Hauptstadt der Welt. Nicht weniger als 34 Destilleri­en befanden sich damals in und um die Kleinstadt. Heute sind es gerade mal noch drei: Glen Scotia, Springbank und Glengyle. Der Whisky aus der Region ist bekannt und beliebt für sein rauchiges Aroma sowie seinen salzigen Geschmack. Die bekanntest­e Brennerei der Region ist unbestritt­en Springbank, wo nach alter Tradition und mit handwerkli­chen Methoden charakterv­olle Destillate hergestell­t werden. Wie viele andere Brennereie­n auch, ist Springbank für Besucher eingericht­et, die hier den gesamten Herstellun­gsprozess eines Malts – vom Mälzen bis zur Reifung – verfolgen können. Denn neben der Produktion und dem Export von Whisky sind die Schotten heute auch auf den Whisky-Tourismus spezialisi­ert. Erst kürzlich vermeldete man, dass im vergangene­n Jahr erstmals mehr als zwei Millionen Besucher schottisch­e Brennereie­n besuchten. Das verstehen wir, schliessli­ch gibt es keinen besseren Weg, um ein Terroirpro­dukt kennenzule­rnen als den Besuch vor Ort. Mindestens ein Brennereib­esuch sei jedem Schottland­reisenden empfohlen.

 ??  ??
 ??  ?? Am Südufer der Insel Islay liegt die Whisky-Destilleri­e Ardbeg, deren Ursprünge bis in das Jahr 1794 zurückreic­hen.
Am Südufer der Insel Islay liegt die Whisky-Destilleri­e Ardbeg, deren Ursprünge bis in das Jahr 1794 zurückreic­hen.
 ??  ?? Der Standort eines Whisky-Warehouses und nicht zuletzt der Master Blender entscheide­n über den Geschmack des fertigen Whiskys. Im BIld Brian Kinsman von Glenfiddic­h.
Der Standort eines Whisky-Warehouses und nicht zuletzt der Master Blender entscheide­n über den Geschmack des fertigen Whiskys. Im BIld Brian Kinsman von Glenfiddic­h.
 ??  ??
 ??  ?? Osam re sed que rem nesequodi aut que solorit aquatiis velenis enit, estiuritiu­s aut quiatus eatium quam autendit laccabo runtotas unt
Osam re sed que rem nesequodi aut que solorit aquatiis velenis enit, estiuritiu­s aut quiatus eatium quam autendit laccabo runtotas unt
 ??  ??
 ??  ?? Als langjährig­er Master Blender von Bruichladd­ich prägte Jim McEwan das Bild des Islay-Whiskys, wie wir ihn heute kennen, entscheide­nd mit.
Als langjährig­er Master Blender von Bruichladd­ich prägte Jim McEwan das Bild des Islay-Whiskys, wie wir ihn heute kennen, entscheide­nd mit.
 ??  ?? Der hünenhafte Däne Martin Markvardse­n ist Box-Champion, Whisky-Liebhaber und Senior Brand Ambassador der Orkney-Destilleri­e Highland Park.
Der hünenhafte Däne Martin Markvardse­n ist Box-Champion, Whisky-Liebhaber und Senior Brand Ambassador der Orkney-Destilleri­e Highland Park.
 ??  ??
 ??  ?? Die legendären Whiskys von The Dalmore aus den nördlichen Highlands gelten als besonders vollmundig und holzgepräg­t. Geheimnis des Erfolgs ist mitunter die Lagerung in alten Sherryfäss­ern.
Die legendären Whiskys von The Dalmore aus den nördlichen Highlands gelten als besonders vollmundig und holzgepräg­t. Geheimnis des Erfolgs ist mitunter die Lagerung in alten Sherryfäss­ern.
 ??  ?? The Macallan eröffnete 2018 ein neues, futuristis­ch anmutendes Brennereig­ebäude.
The Macallan eröffnete 2018 ein neues, futuristis­ch anmutendes Brennereig­ebäude.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Für viele Whisky-Fans hat er einen absoluten Traumjob: John Campbel, Master Blender von Laphroaig auf Islay.
Für viele Whisky-Fans hat er einen absoluten Traumjob: John Campbel, Master Blender von Laphroaig auf Islay.
 ??  ?? David Stewart, Master Blender von William Grant & Sons, in einem der Warehouses von The Balvenie.
David Stewart, Master Blender von William Grant & Sons, in einem der Warehouses von The Balvenie.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Campbeltow­n besteht aus nur mehr drei Distilleri­en. Whiskys aus geschlosse­nen Betrieben sind teilweise noch erhältlich.
Campbeltow­n besteht aus nur mehr drei Distilleri­en. Whiskys aus geschlosse­nen Betrieben sind teilweise noch erhältlich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria