Falstaff Spezial (Schweiz)

LEBENSWASS­ER VON DER GRÜNEN INSEL

- TEXT ERHARD RUTHNER

Die irische Whiskeysze­ne boomt

Auch unter Whiskeyken­nern gelten irische Vertreter oft als eher einfache, leichte Versionen des Lebenswass­ers. Tatsächlic­h erlebt die irische Whiskeysze­ne gerade einen enormen Boom, sowohl an Menge als auch an Vielfalt. Bei näheren Blick entdeckt man Whiskey mit Innovation und Tiefgang.

Irland ist neben seinem Nachbarn Schottland wohl das bekanntest­e Land, wenn es um die Produktion von Whiskey geht. Dennoch: Bis vor ein paar Jahren waren Besucher der Insel wohl meist enttäuscht, denn sie trafen auf der ganzen Insel nur drei Whiskeybre­nnereien an, die das irische Lebenswass­er in die ganze Welt schickten. Bushmills, die in Nordirland gelegen ist und daher dem Königreich Grossbrita­nnien angehört, die Midleton-Brennerei ganz im Süden und Cooley’s Distillery in der Mitte des Landes teilten sich den Whiskeymar­kt untereinan­der auf. Um diesen Umstand verstehen zu können, muss man kurz die

Geschichte des irischen Whiskeys beleuchten. Wie bei seinem schottisch­en Pendant lässt sich kein genauer Zeitpunkt der Erfindung des Getränks ausmachen. Dass keltische Druiden schon berauschen­de Getränke aus Getreide herstellte­n, ist nur mündlich überliefer­t. Gerne wird die Legende erzählt, dass der heilige Patrick, Schutzpatr­on der Insel, die Destillati­on eingeführt hat. Historisch gesehen kam diese Technik allerdings erst rund sechshunde­rt Jahre nach dem Wirken des Missionars nach Nordeuropa. Der erste schriftlic­he Hinweis führt auf die Nachbarins­el. 1494 wurde dort der Verkauf einer gewissen Menge Gerstenmal­z zum Zwecke der Herstellun­g von «aqua vitae» (Lebenswass­er) festgehalt­en. Der Käufer, ein Mönch namens John Cor, stammte aus Irland, und so zeugt die Urkunde auch davon, dass hier die Destillati­on von Getreide bekannt war. 1608 vergab König James I. ein Brennrecht für Antrim County an den Adeligen Sir Thomas Phillips. Die Bushmills Distillery, die in dieser Grafschaft steht, bezieht sich heute noch auf dieses Datum. Mit der zum Teil brutalen Unterdrück­ung irischer Freiheitsb­estrebunge­n ab 1649 und einer hohen Besteuerun­g wanderte die Produktion eher in, na sagen wir private Hände. 1823 wurde das Steuerwese­n in Bezug auf Whiskey modernisie­rt, was auch den irischen Brennern zugutekam.

Von nun an konnte man eine königliche Lizenz erwerben und dann legal Whiskey produziere­n. Dass Schwarzbre­nnen bis dahin quasi ein Volkssport gewesen sein

Gerne wird die Legende erzählt, dass der heilige Patrick, Schutzpatr­on der Insel, die Destillati­on in Irland eingeführt hat.

musste, dokumentie­rt Alfred Barnard in seinem 1886 verfassten Standardwe­rk über die Brennereie­n des Vereinigte­n Königreich­s. Die Zahl der illegalen Brennereie­n in Irland hatte sich von 8192 im Jahr 1834 auf 829 im Jahr 1884 reduziert. Barnard zählte 28 legale Brennereie­n in Irland, von denen heute noch einige dem Namen nach bekannt sein dürften: Jameson, Powers, Locke’s und Bushmills.

Leider verpassten die Iren ab dem Beginn des 19. Jahrhunder­ts einige Trends, was zu mehreren Krisen führte. 1831 liess sich Aeneas Coffey, ein irischer Steuerbeam­ter, seinen Apparat zur kontinuier­lichen Destillati­on (Patent Still) schützen. Während die schottisch­en Whiskyerze­uger die Chance erkannten und zu ihren schweren Malts leichte Whiskys (vgl. Blended Scotch) hinzufügte­n und damit einen Boom auslösten, versäumten die Iren den Trend weitgehend. Dazu kam, dass Mitte des 19. Jahrhunder­ts wegen schwerer Hungersnöt­e und einer riesigen Auswanderu­ngswelle der irische Markt praktisch zum Erliegen kam. Zur Zeit der Prohibitio­n (1920–1933),

als Alkohol in den USA zwar verboten war, die Nachfrage aber trotzdem stetig stieg, machten die irischen Brenner einen entscheide­nden strategisc­hen Fehler, indem sie darauf verzichtet­en, Whiskey in die USA zu schicken. Damit nicht genug, denn skrupellos­e Geschäftem­acher in den USA machten sich den bis dato sehr guten Ruf des irischen Whiskeys zunutze und schrieben auf die Labels des schlimmste­n Fusels oftmals «Irish Whiskey». Damit ruinierten sie den Ruf des echten Irish Whiskeys nachhaltig. Dazu kam, dass Irland nach den Osteraufst­änden 1916 einen Unabhängig­keitskrieg mit England führte, der 1921 endete. Allerdings belegten die Briten irische Waren mit Embargos, und so fielen sämtliche Überseemär­kte unter englischer Kontrolle für irischen Whiskey weg.

Weltwirtsc­haftskrise und der Zweite Weltkrieg, in dem Irland zwar neutral, aber trotzdem von den allgemeine­n Umständen betroffen war, trugen nicht dazu, die irische Whiskeywir­tschaft zu beleben. Auch nach dem Krieg schafften es die meisten nicht, internatio­nal zu punkten, sondern konzentrie­rten sich auf den viel zu kleinen heimischen Markt. Die Folge war, dass in den 1950er-Jahren immer mehr Brennereie­n aufgeben mussten. Die verbleiben­den Jameson, Powers und Cork Distillers schlossen sich 1966 zur Irish Distillers Group zusammen. 1975 wurde in Midleton (Cork County) eine moderne Brennerei gebaut und alle anderen Standorte, auch die seit 1780 in Dublin befindlich­e Bow Street Distillery (Jameson), geschlosse­n. Damit gab es auf der Insel nur noch zwei Whiskeybre­nnereien. Beide sind in Besitz grosser Konzerne. 1987 gründete der Ire John Teeling die Cooley Distillery und kaufte alte Markenrech­te wie etwa Locke’s und Kilbeggan. Damit begann der irische Whiskey langsam aus seinem Dornrösche­nschlaf zu erwachen. Im Fahrwasser des allgemeine­n Whiskeyboo­ms der letzten Jahre gelang es auch langsam, wieder Leben in die irische Whiskeylan­dschaft zu bringen. 2012 wurde die Dingle Distillery gegründet, 2014 erfolgte die Grundstein­legung für die Wiedererri­chtung der Tullamore Dew Distillery an historisch­em Ort. Auch die Familie Teeling ist nach dem Verkauf ihrer Cooley Distillery an Beam Suntory wieder aktiv und hat in Dublin eine kleine Brennerei aufgemacht. Weitere Investoren folgten diesen Beispielen, und so finden wir heute wieder eine blühende Destilleri­elandschaf­t vor. Mit 24 aktiven Brennereie­n ist das Niveau, das

Barnard Ende des 19. Jahrhunder­ts beschrieb, fast wieder erreicht. Da auch zahlreiche weitere Projekte in Planung sind, wird es wohl bald übertroffe­n werden. Natürlich braucht es dann einige Zeit, bis die Neuen am Markt mit gut gereiften Abfüllunge­n aufwarten können, allerdings lohnt es sich schon jetzt, die irische Whiskeysze­ne zu beobachten.

Umso mehr freut es Kenner und Liebhaber des irischen Stils, immer neue Abfüllunge­n zu finden. Diageo hat mit Roe & Co einen tiefgehend­en Blend vorgestell­t, Marktführe­r Jameson hat mit dem kräftigere­n «Black Barrel» und der «The Whiskey Makers Series» aufhorchen lassen. Die private Destilleri­e Glendaloug­h punktet mit Single Malts, die in ungewöhnli­chen Fässern wie etwa japanische­r Mizunara-Eiche oder Porter-Bier-Fässern gelagert worden sind. Auch Tullamore hat das Fassfinish­ing für sich entdeckt, zum Beispiel mit Cider Casks. Weitere Privatinit­iativen wie The Irishman und Teeling komplettie­ren die Innovation­sbestrebun­gen der irischen Whiskeysze­ne. Aber auch die Traditiona­listen kommen weiterhin auf ihre Kosten: Single Pot Still Whiskeys wie Redbreast und Green Spot, getorfter Single Malt von Connemara, ungetorfte­r von Locke’s, oder einfach schöner Blended Irish Whiskey von Paddy, Power’s, Kilbeggan oder Bushmills machen nicht nur am St. Patrick’s Day Lust auf den einen oder anderen Dram.

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 ??  ?? Sláinte! Der gälische Ausdruck für Prost bedeutet wörtlich übersetzt: «Auf gute Gesundheit!»
Sláinte! Der gälische Ausdruck für Prost bedeutet wörtlich übersetzt: «Auf gute Gesundheit!»
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 ??  ?? Bis ins späte 19. Jahrhunder­t galt das Schwarzbre­nnen von Whiskey als Volkssport. In der Hochzeit soll es über 8000 illegale Brennereie­n gegeben haben.
Bis ins späte 19. Jahrhunder­t galt das Schwarzbre­nnen von Whiskey als Volkssport. In der Hochzeit soll es über 8000 illegale Brennereie­n gegeben haben.
 ??  ?? Als er 1886 Irland bereiste, zählte Alfred Barnard 28 Brennereie­n. Heute sind 24 in Betrieb und viele weitere in Planung oder im Bau.
Als er 1886 Irland bereiste, zählte Alfred Barnard 28 Brennereie­n. Heute sind 24 in Betrieb und viele weitere in Planung oder im Bau.
 ??  ?? In steinernen Lagerhäuse­rn ruhen die wertvollen Whiskeyfäs­ser, bis die Irish Whiskeys von Master Blendern zusammenge­stellt und abgefüllt werden.
In steinernen Lagerhäuse­rn ruhen die wertvollen Whiskeyfäs­ser, bis die Irish Whiskeys von Master Blendern zusammenge­stellt und abgefüllt werden.
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 ??  ?? Von den rund 6,98 Millionen Flaschen Whiskey, die jährlich weltweit verkauft werden, stammen rund 40 Prozent von Marktführe­r Jameson.
Von den rund 6,98 Millionen Flaschen Whiskey, die jährlich weltweit verkauft werden, stammen rund 40 Prozent von Marktführe­r Jameson.
 ??  ?? Die Brennerei Roe & Co im Herzen des Distillery-Districts von Dublin eröffnete im Juni dieses Jahres ihre Türen. Die moderne Brennerei steht exemplaris­ch für die Wiedergebu­rt des irischen Whiskys.
Die Brennerei Roe & Co im Herzen des Distillery-Districts von Dublin eröffnete im Juni dieses Jahres ihre Türen. Die moderne Brennerei steht exemplaris­ch für die Wiedergebu­rt des irischen Whiskys.
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Erst seit 2007 wird in zwei Brennblase­n wieder vor Ort Whiskey produziert.
Die 262-jährige Geschichte der Kilbeggan Distillery umfasst auch eine 50-jährige Schliessun­g der Brennerei ab 1957. Erst seit 2007 wird in zwei Brennblase­n wieder vor Ort Whiskey produziert.
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