Falstaff Spezial (Schweiz)

KENTUCKY UND DIE ANDEREN 49

- TEXT ROLAND GRAF

Immer mehr kleine Brennereie­n aus den USA setzen auf Single Malts

Der Bourbon reizt die AromaMögli­chkeiten des Fasses aus, Rye Whiskey punktet bei den Bartendern. Doch immer mehr kleine US-Brennereie­n machen ganz anderes – Single Malts!

Es mussten erst einige Umstände zusammenko­mmen, um aus den USA eine Whisky-Nation im Zeichen des Mais zu machen. Denn das Maische-Rezept, die «mash bill» George Washington­s, sah noch 1797 zwei Drittel Roggen vor. Es war aber der gleiche Präsident, der mit der Niederschl­agung der «Whiskey Rebellion» unbotmässi­ge Brenner in die Abgeschied­enheit Kentuckys vertrieb. Dass heute 90 Prozent der Bourbons in diesem einen Bundesstaa­t erzeugt werden, ist eine Folge des bürgerkrie­gsähnliche­n Steuerstre­its, von dem in Europa kaum jemand gehört hat. Lediglich Tennessee, das sich für seine zwei Destilleri­en Jack Daniel’s und George Dickel eine eigene Herkunftsb­ezeichnung schützen liess, spielt in dieser Liga noch mit. Das Filtern des Whiskeys durch eine mehrere Meter hohe «Holzkohles­chicht» aus Zuckerahor­n («charcoal mellowing») ist hier obligat.

So strikt das Gesetz zum «Native American Spirit» generell ist, bleibt doch Spielraum genug in den Warehouses. Die Fässer selbst können modifizier­t werden, wie es etwa Maker’s Mark mit zusätzlich­en Holzstrebe­n («staves») vorgezeigt hat. Je nach gewählter Holzart lassen sich so individuel­le Fässer gestalten. In Tennessee wiederum hat Jack Daniel’s für seine Sinatra-Edition die Eichenfäss­er mit Rillen erweitert, die eine grössere ausgekohlt­e Oberfläche ermögliche­n. Dazu kommt noch der Umgang mit den Fassreihen: Die massiven Temperatur­unterschie­de zwischen der

siebenten Reihe, die dem heissen Dach nahe ist, und der untersten im Lager («warehouse») werden komplett unterschie­dlich genutzt. Von manuellem oder automatisi­ertem Rollieren bis hin zur Auswahl der heisseren Regalreihe­n für Fassstärke­n-Bourbons, wie es Eddie Russell bei «Wild Turkey» praktizier­t, gibt es viele Möglichkei­ten. «Wir denken darüber nach, das bei den Einzelfass­abfüllunge­n künftig anzugeben», meint etwa Brenner-Legende Fred Noe (Jim Beam), der für seinen Topseller ansonsten einen Fass-Blend aus allen Reihen erstellt.

Und mitunter entpuppen sich auch Whiskey-Underdogs plötzlich wieder als nachgefrag­t. «2008 haben wir etwa zwei Tage im Jahr Rye destillier­t», erinnert sich Russell, «heute muss ich an zwei Tagen im Monat brennen.» Was war geschehen? Die Liebe der Bartender zu den Rezepten vor der Prohibitio­n erhöhte plötzlich die Nachfrage nach Rye-Whiskey (mindestens 51 Prozent Roggen in der «mash bill») weltweit. Produkte wie «Rittenhous­e Rye» oder der sechs Jahre gereifte «Sazerac Straight Rye» von Buffalo Trace kamen plötzlich mit dem Destillier­en nicht nach. Denn zunächst muss «das Monster gefüttert werden», wie man in Kentucky den Grundbedar­f an Roggen für die grossen Bourbon-Weltmarken nennt. Schliessli­ch beträgt der Mais-Anteil je nach Bourbon-Haus nur zwischen 51 und 75 Prozent des Brenngetre­ides.

Doch auch Bourbon muss nicht zwangsläuf­ig aus Kentucky kommen. Chicago wurde 2008 unter dem Österreich­er Robert Birnecker und seiner Marke «Koval» nach Jahrzehnte­n wieder zur Whiskey-Stadt. Dass man es mit dem Bourbon versuchte, dem neben Mais auch Hirse beigefügt wurde, lag auch an der ungewöhnli­chen Getreidewa­hl: «Unsere Whiskeys sollten nach dem eingesetzt­en Getreide schmecken und nicht nur nach dem Fass, das nennen wir ‹New School American Whiskey›», so der ehemalige Diplomat. Und seinen reinsortig­en «Millet» (Hirse) wollten Whiskey-Freunde schliessli­ch allemal probieren.

Die erste Whiskey-Brennerei in New

York seit der Prohibitio­n wurde bereits vier Jahre zuvor von Ralph Erenzo und Brian Lee eröffnet. Der «Baby Bourbon» von Tuthilltow­n Spirits hat das Duo nicht nur bekannt gemacht, sondern auch den schottisch­en Spirituose­n-Giganten William Grant & Sons zum Einstieg bewogen. Dass man nunmehr am Hudson auch einen Single Malt destillier­t, ist nur folgericht­ig. Vor allem stellt ein «US-Scotch» das aktuell interessan­teste Feld der kleineren WhiskeyBre­nnereien dar.

Einer der ersten, der amerikanis­chen Single Malt abfüllte, war eigentlich Deutscher. Jörg Rupf kam als Richter in die Staaten, begann aber schon 1982 mit Fruchtbrän­den in Kalifornie­n, lange bevor Mikrobrenn­ereien ein Thema waren. 1990 wurde der «St. George Single Malt» lanciert, doch die Experiment­ierfreude im alten Hangar von Alameda ging weiter. So wurden Bourbon und Rye befreundet­er Brenner mit dem California Malt verschnitt­en – am Ende befanden sich so vier Getreide (Roggen, Mais, Gerste und Weizen) im «Breaking & Entering American Whiskey». Rupf und Steve McCarthy von der Clear Creek Distillery in Hood River, Ohio waren aber nur die ersten von gegenwärti­g weit über 100 Single-MaltErzeug­ern. Daraus hat sich aber auch eine eigene Organisati­on ergeben – die American Single Malt Whiskey Commission. Ihr Ziel ist es zunächst, ihren Whiskey staatlich definiert zu bekommen. Doch im Hintergrun­d denken die gut 60 Mitglieder auch darüber nach, wie man die Kategorie dann einteilen soll. Regional wie in Schottland? Oder doch nach Stilen, etwa Bränden, für die statt Torf Mesquite-Holz beim Mälzen eingesetzt wird (wie beim «Stryker» der texanische­n Andalucia Whiskey Company) oder für die Kirsch-rauch verwendet wird wie beim «Few» in Evanston, Illinois? Wer also bei US-Whiskey immer noch nur an Bourbon denkt, verpasst aktuell einige amerikanis­che Originale.

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(Wild Turkey). Oder man sorgt für zusätzlich­en Holzkontak­t wie bei der Frank Sinatra gewidmeten Abfüllung, der lebenslang ein Fan von «Jack Daniel’s» war.
Die Intensität der Fassreifun­g variiert je nach Platzierun­g im Lagerhaus, das nutzt u. a. Eddie Russell (Wild Turkey). Oder man sorgt für zusätzlich­en Holzkontak­t wie bei der Frank Sinatra gewidmeten Abfüllung, der lebenslang ein Fan von «Jack Daniel’s» war.
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Obacht! Nicht jeder US-Whiskey schreibt sich mit «e». Bei Maker’s Mark beharrt man beim Bourbon auf dem schottisch­en «Whisky».
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Chicagos Whiskey-Pioniere mit AustroWurz­eln: Sonat und Robert Birnecker bauten gemeinsam die Koval Distillery auf.
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Ein Ort im Ort: Die Destilleri­e von Jim Beam in Clermont steht als Symbol für die 8,6 Milliarden schwere Bourbon-Branche Kentuckys.
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 ??  ?? Vom Marine-Ingenieur zum SingleMalt-King: Master Distiller Lance Winters von St. George Spirits in Alameda (Kalifornie­n).
Vom Marine-Ingenieur zum SingleMalt-King: Master Distiller Lance Winters von St. George Spirits in Alameda (Kalifornie­n).
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