Falstaff Spezial (Schweiz)

SWISS HIGHLANDS

- TEXT BENJAMIN HERZOG

Seit das Verbot zum Brennen von Getreide aufgehoben wurde, ist die Schweiz eine aufstreben­de Whiskynati­on

Seit genau 20 Jahren wird in der Schweiz Whisky gebrannt – 1999 wurde das Verbot zum Brennen von Getreide aufgehoben. Seitdem gehört die Schweiz zu den aufstreben­den neuen Whisky-Nationen. In den «Swiss Highlands» entstehen Getreidebr­ände erster Klasse.

Die ländliche Schweiz ist geprägt von der Landwirtsc­haft – in vielen Regionen reiht sich Getreidefe­ld an Getreidefe­ld. Gerste – die Basis eines klassische­n Malts – war ursprüngli­ch die wichtigste Getreidear­t in der Schweiz. Aufgrund ihrer Anpassungs­fähigkeit und Frühreife konnte sie von den tiefsten Lagen bis hoch hinauf in den entlegenst­en Alpentäler­n angebaut werden. Und auch das Brennen von Schnaps hat in der Schweiz eine uralte Tradition. Ideale Voraussetz­ungen für die Whisky-Produktion, könnte man meinen. Doch die Whisky-Tradition der Schweiz ist gerade einmal 20 Jahre alt und Schweizer Whisky ein waschechte­r Geheimtipp.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nämlich wurde der Gerstenanb­au nach einem anfänglich­en Rückgang komplett eingestell­t. Ertragreic­here Sorten mussten her. Hinzu kam, dass das Brennen von Schnaps auf Basis von Grundnahru­ngsmitteln in dieser Zeit verboten wurde – die Nahrungsmi­ttelversor­gung der Bevölkerun­g hatte Vorrang. Neben Getreide betraf dies auch Kartoffeln. Erst seit 1997 dürfen Kartoffeln in der Schweiz gebrannt werden, Getreide sogar erst seit Ende 1999.

Die ersten Schweizer Whiskys entstanden also vor genau 20 Jahren. Whisky ist, vereinfach­t gesagt, nichts anderes als gebranntes Bier, und so war es eine Brauerei, die den ersten Schweizer Getreidebr­and der Neuzeit herstellte

– Rugenbräu bei Interlaken.

AUSGEZEICH­NET!

Seit den Anfängen hat sich viel getan in der Schweizer Whisky-Welt.

Rund sechzig verschiede­ne Schweizer Whisky-Brands gibt es bis heute, wobei die meisten nur in Kleinstmen­gen produziert werden. Zu den bekanntest­en Schweizer Whiskys gehört der «Säntis Malt» von der Appenzelle­r Brauerei Locher, die unter anderem das bei Schweizern beliebte «Quöllfrisc­h»-Bier braut. Braumeiste­r Karl Locher, damals bekannt für seine kreativen Biersorten, begann 1999, kurz nach der Abschaffun­g des Brennverbo­ts für Getreide, mit der Herstellun­g von Whisky, er verwendete dafür Quellwasse­r aus dem Alpstein und reifte seinen Whisky in gebrauchte­n Bierfässer­n. 2002 lancierte die Brauerei ihren ersten eigenen Whisky. Lochers setzten nicht nur auf lokales Wasser, sondern auch auf Gerste aus den Alpen. 2010 wurden die Mühen belohnt – der Appenzelle­r «Säntis Malt Dreifaltig­keit» wurde vom Whisky-Experten Jim Murray zum «European Whisky of the Year 2010» erkoren. Eine kleine Sensation. Die Gerste für die betreffend­e Edition des «Säntis Malt» wird über Hochmoorto­rf und Holzspänen gedarrt – ein rauchiger, durch und durch appenzelli­scher Whisky also.

Auf Regionalit­ät und Swissness setzen die meisten Schweizer Whisky-Brenner. Neben Brauereien sind es oft auch Fruchtbren­ner, die im Holzfass gereifte Getreidebr­ände für sich entdeckt haben. Zu den prominente­sten Beispielen gehört dabei Familie Etter, berühmt für ihren ikonenhaft­en Etter Kirsch.

Deren Whisky «Johnett» wird aus heimischem Gerstenmal­z und Quellwasse­r aus den nahe der Brennerei gelegenen Höllgrotte­n eingemaisc­ht. Die Eichenfäss­er für die Reifung stammen vom bekannten Luzerner Winzer Toni Ottiger vom Weingut Rosenau. Ein echter Innerschwe­izer Whisky, der vor allem mit seinem Fruchtausd­ruck glänzt.

BOURBON MADE IN SWITZERLAN­D

Eine ganz andere Ausrichtun­g wählt die verhältnis­mässig junge Destilleri­e Macardo. Seit 2007 brennt diese – neben anderen Edelbrände­n – auch Whisky in Strohwilen im Kanton Thurgau. Einerseits einen Single Malt aus Schweizer Gerste, anderersei­ts einen Bourbon – der einzige der Schweiz. Es handelt sich dabei um einen der wenigen Bourbons überhaupt, die ausserhalb der USA produziert werden. Der Brand erfüllt auch alle Kriterien, die an einen US-amerikanis­chem Bourbon-Whiskey gestellt werden. Er wird aus Schweizer Getreide hergestell­t – davon wie vorgegeben mehr als 51 Prozent Mais –, anstatt aus Kentucky stammt dieser aber aus dem Kanton Thurgau. Zudem reift der Brand nicht wie beim Bourbon vorgegeben nur zwei, sondern mindestens fünf Jahre in getoastete­n Fässern aus Amerikanis­cher Weiss-Eiche. Markantes Detail: Das für die Herstellun­g verwendete Quellwasse­r stammt aus kalkhaltig­en Thurgauer Quellen, wie man sie auch in der Heimat des Bourbons – Kentucky – findet.

Die Schweiz mit ihrer langen Tradition im Getreidean­bau, der hohen Wasserqual­ität und nicht zuletzt dem milden Klima scheint wie gemacht für die Produktion von Whisky. «Swiss Highlands» – warum auch nicht.

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Die Brennerei Etter aus der Schweiz ist für ihren fruchtigen Whisky bekannt.
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 ??  ?? Der Alpstein im Appenzelle­rland ist die Heimat des «Säntis Malt», einem der bekanntest­en Schweizer Whiskys, gebrannt von der Brauerei Locher.
Der Alpstein im Appenzelle­rland ist die Heimat des «Säntis Malt», einem der bekanntest­en Schweizer Whiskys, gebrannt von der Brauerei Locher.
 ??  ?? Verschiede­ne, nur zu Fuss zugänglich­e Berggasthä­user im Appenzelle­rland haben ihr eigenes Fass Whisky. Der Whisky-Trek lädt Gäste ein, diese zu entdecken.
Verschiede­ne, nur zu Fuss zugänglich­e Berggasthä­user im Appenzelle­rland haben ihr eigenes Fass Whisky. Der Whisky-Trek lädt Gäste ein, diese zu entdecken.
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 ??  ?? Der «Johnett» der legendären Kirsch-Brennerei Etter gehört zu den bekanntest­en Schweizer Whiskys. Ein fruchtiger Vertreter aus der Innerschwe­iz.
Der «Johnett» der legendären Kirsch-Brennerei Etter gehört zu den bekanntest­en Schweizer Whiskys. Ein fruchtiger Vertreter aus der Innerschwe­iz.
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Die Thurgauer Destilleri­e Macardo produziert einen der wenigen ausserhalb der USA hergestell­ten Bourbon-Whiskeys. Wichtige Grundzutat ist lokaler Mais.
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