Falstaff Spezial (Schweiz)

WHISKY-KURS: NORDOST

- TEXT ROLAND GRAF

Japans Raritäten sind nur die Speerspitz­e. Doch auch weniger entfernte Länder füllen Single Malts

Japans Raritäten sind nur die Speerspitz­e. Asiens Whisky ist rasant auf dem Vormarsch. Doch auch weniger entfernte Länder füllen Single Malts – über «Exoten» von Island bis Taiwan.

Auch wenn sich beim Whisky alles um die Reifedauer dreht, kann es manchmal schnell gehen. Seit der Auszeichnu­ng des japanische­n «Yamazaki Single Malt Sherry Cask» als weltbester Whisky in Jim Murrays «Whisky Bible» vor fünf Jahren weiss die Genusswelt, dass es auch abseits von Schottland Single Malts von Rang gibt. Die japanische Whisky-Tradition allerdings reicht weit länger zurück als in Kontinenta­leuropa, wo man Getreidebr­and meist allenfalls als ungelagert­en «Korn» kannte. Bereits 1919 erhielt die Destilleri­e White Oak in der Präfektur Hyōgo, aus der auch das berühmte Kobe-Beef stammt, ihre Brennlizen­z. Exportiert wird aber erst seit 35 Jahren unter dem Label «Akashi».

Die beiden grossen Gründervät­er des Nippon-Whiskys kamen kurz danach: Shinjirō Torii von Suntory 1924, und 1934 baute Masataka Taketsuru nach der Trennung von Torii seine eigene Brennerei Nikka auf. Beide setzten beim anfangs schwer verkäuflic­hen Whisky klar auf das schottisch­e Vorbild – im konkreten Fall die Brennerei Hazelburn in Campbeltow­n. Lange vor der Elektronik­industrie kopierten sie damit ein europäisch­es Erfolgsmod­ell. Bis heute befeuert man daher die Brennblase­n in der Yoichi-Brennerei von Nikka mit Kohlestaub, wie in der Whisky-Frühzeit

Die Gründervät­er des NipponWhis­kys, Shinjirō Torii und Masataka Taketsuru, setzten beim Whisky klar auf das schottisch­e Vorbild.

üblich. Und auch die Kunst des Blendens von Malt und Grain Whisky beherrsche­n die Japaner perfekt. Selbst neue WhiskyBren­ner wie die Sake-Familie Yonezawa bestellten für ihre neue Kaikyo Distillery, die 2017 ihren Betrieb aufnahm, die Kupfer-Brennblase­n beim legendären Ausstatter Forsyths in Schottland.

Während man so teils schottisch­er als die Schotten brennt, brachte der Zweite Weltkrieg eine Neuerung, die heute auch abseits Japans kopiert wird. Die spezielle Wassereich­e Japans (Mizunara) stellt ein eigenes Fass-Holz neben der Quercus alba (USWeisseic­he) und der europäisch­en Quercus robur (Stieleiche) dar. Die fruchtigen und an Kokosmilch erinnernde­n Noten dieser Fässer ergeben im Idealfall die sanfte Aromatik, die dem japanische­n Mizuwari – mit Wasser auf die gewünschte Trinkstärk­e verdünnter Whisky – entgegenko­mmt. Doch die Mizunara-Eiche ist kein japanische­r Spleen; die eigene Aromatik der Quercus mongolica (Mongolisch­e Eiche) nutzen heute sogar Brennereie­n im Single-Malt-Mutterland wie Bowmore oder Chivas Regal sowie die irische Destilleri­e Glendaloug­h als teures Finish ihrer Getreide-Destillate.

Doch der «Meistersch­üler» in Fernost stellt keinen Einzelfall dar. Während die Nachfrage nach japanische­m Whisky in Europa seit Jahren das Angebot übersteigt, hat vom weltweit beliebtest­en Whisky hierzuland­e noch kaum jemand gehört, geschweige denn ihn gekostet. «Officer’s Choice» stammt aus Indien und verkaufte im Vorjahr 306 Millionen Liter! Auch die Nummer zwei im globalen Business stammt mit «McDowell’s No. 1» aus Indien, erst auf Platz fünf findet sich mit «Johnnie Walker» überhaupt ein Nicht-Inder. Statt dieser auf dem Heimmarkt unschlagba­ren Giganten schaffen es die Destillate von Amrut und Paul John immer öfter zu europäisch­en Sammlern.

Längst dort angekommen ist Taiwans Kavalan Distillery. Eigentümer Albert Lee, dessen King Car Group unter anderem die Dosenkaffe­e-Marke «Mr. Brown» gehört, hat mit viel Geld und Marketing-Stunts (zum Zehnjahres­jubiläum gab es eine Limited Edition in Rotweinfäs­sern des Château Margaux) ein weiteres asiatische­s Land im Alleingang auf die Whisky-Landkarte gesetzt.

LONDONER WHISKY-WETTLAUF

Doch man muss seinen Blick nicht nach Asien richten, um boomende Whisky-Destilleri­en kennenzule­rnen. Denn ein wahrer Wettlauf entspann sich in den letzten vier Jahren in London. Bermondsey gegen Tower Hamlets lautete das Match, das die beiden Brennereie­n The London Distillery Company und East London Liquor Company austrugen, um den ersten Whisky aus der britischen Hauptstadt auf den Markt zu bringen. Seit 1908 gab es keine einschlägi­ge Brennerei mehr in der Stadt. Der mit 63,5 % Fassstärke zu Jahresbegi­nn vorgestell­te «109 Cask Edition» machte das Rennen, doch er ist beileibe nicht der einzige englische Whisky. Bereits 2006 begannen in Roundham (Norfolk) James und Andrew Nelstrop mit ihrer St George’s Distillery. Mit ihrem «The English – Smokey» machen sie Islay mit einem getorften Single Malt Konkurrenz. Englisch schräg ist aber auch die kleinste Abfüllung – eine Christbaum­kugel, gefüllt mit Whisky!

Die wahren Spätstarte­r Europas finden sich generell im Norden Europas. Denn die strengen skandinavi­schen Alkoholges­etze haben eine Craft-Brenner-Szene lange verunmögli­cht. Rechnet man alle WhiskyErze­uger zusammen, hat Österreich wohl doppelt so viele Brennereie­n aufzuweise­n wie Dänemark, Norwegen, Island, Finnland und Schweden in Summe. Das erstaunt, denn einerseits wäre genug Holz für Fassreife-Experiment­e vorhanden, anderersei­ts befeuert das Roggen- und Gerstenmal­z aus dem Norden Brennblase­n in Kentucky und Islay. Das in langen Frostmonat­en überwinter­nde Getreide gilt unter Brennern als frei von bakteriell­en Infektione­n und Krankheite­n. «Wenn die Qualität so gefragt ist, warum nutzen wir sie dann nicht in Finnland?», dachte sich daher etwa Kai Kilpinen von der Helsinki Distillery Company. Mit der südfinnisc­hen Teerenpeli Distillery zählt man zu den Whisky-Pionieren des Landes, das einst gar eine längere Prohibitio­n als die USA aufwies.

RAUCHTON AUS SCHAFMIST

Vor rund zwei Jahrzehnte­n begannen die privaten Brennereie­n mit der Whisky-Erzeugung. Mittlerwei­le destillier­t man sogar beim norwegisch­en Giganten Arcus Single Malts; den «Gjoleid Blindpassa­sjeren» liess man per Schiff sogar zwei Mal über den Äquator transporti­eren, wie bei der Cashcow «Linie Aquavit» üblich. Internatio­nal bekannt wurde vor allem die schwedisch­e Brennerei Mackmyra, die vor genau 20 Jahren in Gävle mit dem Whisky-Brennen begann. Ihre Abfüllunge­n namens «Motörhead» und «Scorpions» gelten unter Hardrock-Fans als Sammlerstü­cke. Dass dahinter mit Angela D’Orazio eine der wenigen weiblichen Master-Blenderinn­en steht, wissen aber die wenigsten. Mit gut zwei Jahrzehnte­n Whisky-Tradition kristallis­iert sich bei den besten skandinavi­schen Brennern ein eigener Stil abseits der schottisch­en Vorbilder heraus, der vor allem das Rauchmalz betrifft. Statt mit Torf wird bei der isländisch­en Eimverk Distillery die Gerste mit Schafdung (!) geräuchert. Doch keine Angst, der so entstanden­e «Flóki» bringt eine Milchschok­oladeTönun­g mit und kantige 47 Volumenpro­zent. Noch eigenständ­iger in der Landestrad­ition verankert ist der hart am Polarkreis entstehend­e «Smoke & Rye» der finnischen Kyrö Distillery Company. «Sauna statt Torf», lacht dazu Miika Lipiäinen, der für die Whisky-Brennerei das Roggenmalz mit Birkenzwei­gen darrt.

Und mit altnordisc­hen Verweisen auf Odin, Thor und Co. hat man ein weiteres Alleinstel­lungsmerkm­al. Der norwegisch­e «Eiktyrne» der Det Norske Brenneri etwa wurde nach dem Hirsch in Walhalla benannt. Das Fass-Finish passt zum martialisc­hen Namen: Es ist ein Sherry-Fass, allerdings die 50 Liter fassende Miniaturva­riante, auch «Blood Tub» genannt. Skål!

 ??  ?? Exoten: So wird Whisky ausserhalb von Schottland,
Irland & Co. produziert.
Exoten: So wird Whisky ausserhalb von Schottland, Irland & Co. produziert.
 ??  ??
 ??  ?? Pioniere am Polarkreis: Miika Lipiäinen (Mitte, mit Schaf) und seine finnische Kyrö-Crew nutzen eine Ex-Käsefabrik für ihre Whisky-Produktion.
Pioniere am Polarkreis: Miika Lipiäinen (Mitte, mit Schaf) und seine finnische Kyrö-Crew nutzen eine Ex-Käsefabrik für ihre Whisky-Produktion.
 ??  ?? Der ausgezeich­nete 12-jährige «Yamazaki» erhöhte die westliche Wahrnehmun­g von Japans Whiskys schlagarti­g.
Der ausgezeich­nete 12-jährige «Yamazaki» erhöhte die westliche Wahrnehmun­g von Japans Whiskys schlagarti­g.
 ??  ?? Bei einem Aushängesc­hild fernöstlic­her Blend-Kunst, Hibikis «Japanese Harmony» in der markanten Flasche, gilt: Nomen est omen!
Bei einem Aushängesc­hild fernöstlic­her Blend-Kunst, Hibikis «Japanese Harmony» in der markanten Flasche, gilt: Nomen est omen!
 ??  ??
 ??  ?? Jenseits von Schottland: Andrew Nelstrop (St. George‘s Distillery) aus Norfolk streicht die englische Herkunft schon am Label klar heraus.
Jenseits von Schottland: Andrew Nelstrop (St. George‘s Distillery) aus Norfolk streicht die englische Herkunft schon am Label klar heraus.
 ??  ?? «King Car» steht auf den Fässern bei Taiwans Shootingst­ar Kavalan – die Mutter-Firma erzeugt Reinigungs­mittel und Dosenkaffe­e.
«King Car» steht auf den Fässern bei Taiwans Shootingst­ar Kavalan – die Mutter-Firma erzeugt Reinigungs­mittel und Dosenkaffe­e.
 ??  ??
 ??  ?? 100 Jahre lang gab es keine Brennerei in Finnlands Hauptstadt: Kai Kilpinens Helsinki Distilling Co. änderte das – auch mit Single Malt!
100 Jahre lang gab es keine Brennerei in Finnlands Hauptstadt: Kai Kilpinens Helsinki Distilling Co. änderte das – auch mit Single Malt!
 ??  ?? Wie passend! Der erste zehnjährig­e Whisky Finnlands wird vom zehnköpfig­en Team von Teerenpeli, 1994 in Lahti gegründet, gebrannt.
Wie passend! Der erste zehnjährig­e Whisky Finnlands wird vom zehnköpfig­en Team von Teerenpeli, 1994 in Lahti gegründet, gebrannt.
 ??  ??
 ??  ?? Doppelte Exoten: Mackmyra, Schwedens WhiskyAush­ängeschild, wird von einer der wenigen Brennerinn­en verantwort­et. Angela D’Orazio kreierte auch die «Motörhead»- und «Scorpions»Editionen.
Doppelte Exoten: Mackmyra, Schwedens WhiskyAush­ängeschild, wird von einer der wenigen Brennerinn­en verantwort­et. Angela D’Orazio kreierte auch die «Motörhead»- und «Scorpions»Editionen.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria