Heute - Niederösterreich Ausgabe
Kern bei Gipfel: „EU ist zu langsam“
„Heute“mit Kanzler beim Gipfel in Göteborg „Europa hat soziale Frage vernachlässigt“
Arbeiten, lernen, wohnen: In Göteborg fixiert die EU heute einen Plan für ein sozialeres Europa. Für Kanzler Christian Kern (SPÖ) einer der letzten Gipfel: „Die EU ist zu langsam“, sagte er zu „Heute“.
Eine Million Einwohner, zweitgrößte Stadt Schwedens, ÖkoMusterstadt. „Styr & Ställ“(Steuern und abstellen) heißt das Leihradsystem in Göteborg. Es boomt. Sichtbares Zeichen: Die Bikes landen seltener im Göta älv, der Göteborg durchzieht, als Asia-Bikes im Donaukanal.
Skandinavien ist auch anderswo Vorbild: Nirgendwo in der EU geht es sozial gerechter zu, ermittelte die Bertelsmann Stiftung. Der „Social Justice Index“führt Österreich auf Platz 8. Vorn: Dänemark, Schweden, Finnland, hinten Griechenland.
Die Studie sagt auch: In Europa sind immer weniger Menschen von Armut bedroht. Immer weniger – aber das ist zu wenig. Die EU-Staatschefs (nur Merkel schwänzt) treffen sich deshalb zum „Sozialgipfel“, beschließen heute eine „Sozial-Charta“. Kernpunkte:
Frauen und Männer haben „das Recht auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit“.
Recht auf Chancengleichheit, unabhängig von Rasse, Religion, Alter, sexueller Orientierung.
Arbeitsbedingungen, Löhne, Gehälter müssen fair sein.
Beruf und Familienleben müssen vereinbar sein.
Kinder haben ein Recht auf Schutz vor Armut.
Recht auf ein Mindesteinkommen, im Alter auf „Mittel, die ein würdevolles Leben sicherstellen“.
Recht auf „hochwertige, bezahlbare Gesundheitsvorsorge“.
Kanzler Christian Kern ist seit gestern in Göteborg, es ist einer seiner letzten Gipfel. 550 Tage ist er heute im Amt, viel mehr dürften es nicht werden: „Nein, Wehmut ist keine dabei. Es sind ja Arbeits-, keine Festsitzungen“, sagte er zu „Heute“.
Der Gipfel ist ihm wichtig: „Es ist eine Lehre aus dem Brexit, dass Europa die soziale Frage vernachlässigt hat.“Die Proklamation ist nicht verbindlich, aber für Kern „ein erster Schritt. Grundsätzlich sehe ich aber zu wenige Fortschritte.“Als Beispiel nennt er die Paradise Papers: „Die Betrugsbekämpfung geht viel zu schleppend. Österreich verliert dadurch Milliarden.“
Ach ja: Hej då heißt auf Schwedisch „Auf Wiedersehen“, aber auch „Bis dann“. Aus Kerns Sicht: In jedem Abschied steckt ein Funke Hoffnung auf Wiederkehr