Oberrabbiner: „Man sollte sich selbst nicht so ernst nehmen!“
Paul Chaim Eisenberg genießt nicht nur in der jüdischen Gemeinde Kultstatus. Mit „Heute“sprach der Oberrabbiner Österreichs über sein neues Buch, eine verpasste Gelegenheit und Antisemitismus.
„Heute“: Sie schreiben in Ihrem Buch über einen ausverkauften Galaabend im Burgtheater, wo Sie Ihren Auftritt 24 Stunden vorher absagten, weil Sie bei einem Begräbnis gebraucht wurden. Was soll im Leben immer Priorität haben? Paul Chaim Eisenberg: Menschlichkeit und Toleranz. Es ist heute in vielen Religionen so, dass Menschen im Namen der Religion fürchterliche Dinge tun – bis hin zu Terroranschlägen.
„Heute“: Würde mehr Humor die Gesellschaft besser machen?
P.C.E.: Eines weiß ich: Man sollte sich selbst nicht so ernst nehmen!
„Heute“: In Burschenschaften wurde die Vergasung einer „siebten Million“Juden besungen – wie sehen Sie diese Enthüllungen?
P.C.E.: Da vergeht mir das Lachen.
„Heute“: Warum ist der Antisemitismus noch immer so präsent?
P.C.E.: Ich kann es mir nicht erklären, auch wenn ich viel darüber nachdenke.
„Heute“: Wie erklärt man einem jüdischen Kind, dass es Hass und Abneigung gegen es gibt?
P.C.E.: Einem Kind ist das schwer zu erklären. Man braucht schon einen guten Magen. Nach der Shoah dachte ich, dass es nie wieder zu Antisemitismus kommt, so wie manche Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg dachten, es wird nie wieder Kriege geben.
„Heute“: Kann man bedenkenlos in Wien mit Kippa auf der Straße gehen oder raten Sie davon ab?
P.C.E.: Ich rate das nicht, aber ich glaube, es ist nicht gefährlich.
„Heute“: In Ihrem Buch geht es auch um Flüchtlinge. Sollen diese in Österreich bleiben dürfen?
P.C.E.: Wir wollen doch unterscheiden: Flüchtlinge, die um ihr Leben bangen, muss man versuchen zu behalten. Dass wir ganz Afrika in Österreich aufnehmen können, das geht natürlich nicht.
„Heute“: Die Israelitische Kultusgemeinde hat viel Erfahrung mit Integration, Juden sind aus der ExSowjetunion und Kleinasien gekommen. Wie geht Integration?
P.C.E.: Das Wichtigste ist, dass man einem Zuwanderer nicht schon an der Grenze eine Lederhose anzieht und ihm Jodeln lernt. Man muss Menschen ein wenig auch ihre Kultur beibelassen.
„Heute“: Was haben Sie in Ihrem bisherigen Leben verpasst? P.C.E.: Woodstock 1969. Ich war in der Nähe, hatte aber keine Ahnung, was das ist. Freunde sagten, es ist ein Folkfestival – ich nahm an, es geht um Cowboys. Also fuhr ich nicht hin. Schade.
„Heute“: Wird es irgendwann Frieden auf der Welt geben? ? P.C.E.: Es gab einmal einen alten, pensionierten Juden, der sich etwas dazuverdienen musste. Er bekam einen Job in einem alten Häuschen – dort musste er Ausschau halten, ob der Messias kommt. Man fragte ihn, ob das wirklich ein guter Job ist. Der alte Mann sagte: Gut vielleicht nicht, aber langfristig …“