Heute - Wien Ausgabe

„Und plötzlich stand auf jeder Parkbank ,Nur für Arier’“

Lucia Heilman (89) entging nur knapp der Deportatio­n in ein KZ, überlebte im Versteck

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Im Alter von acht Jahren beginnt für Lucia Heilman der Kampf ums Überleben. Sie muss die Schule verlassen, die Wohnung wird arisiert, der Opa ermordet. Ein Freund rettet Lucia und ihre Mutter.

15. März 1938: Adolf Hitler verkündet am Wiener Heldenplat­z den sogenannte­n „Anschluss“– 250.000 Österreich­er jubeln dem „Führer“zu. Am Rande des Geschehens: das jüdische Mäderl Lucia Heilman, damals acht Jahre alt. „Ich hörte, wie die Massen ‚Heil! Heil! Heil!‘ brüllten. Von diesem Moment an war ich ein Außenseite­r“, erinnert sich Heilman.

von Isabella Martens

Bereits in den ersten Tagen nach dem Einmarsch der Deutschen beginnen Hitlers Vollstreck­er, darunter viele Österreich­er, mit der Verfolgung von politisch Andersdenk­enden – und der jüdischen Bevölkerun­g. Von den mehr als 200.000 Juden, die in

Österreich bis 1938 leben, gelingt rund 120.000 die Flucht ins Ausland, 66.000 werden bis 1945 ermordet.

Jüdische Schulkinde­r wurden gleich zu Beginn der NS-Zeit ausgegrenz­t. „Der Direktor kam in die Klasse. Ich und alle anderen jüdischen Kinder mussten Hefte und Bleistifte zusammenpa­cken und gehen. Das war für mich unfassbar“, erinnert sich Heilman. Auch Parks wurden „judenrein“: „Auf allen Bänken stand plötzlich ‚Nur für Arier‘. Als der gelbe Stern (19.9.1941, Anm.) eingeführt wurde, sind die Buben hinter mir hergelaufe­n, haben mich bespuckt und getreten. Die Erwachsene­n schauten weg.“

Auf die Ausgrenzun­g folgte für sechs Millionen Juden in ganz Europa der Tod. Eines dieser Opfer: Heilmans Großvater. „Zwei Männer in SS-Uniform, schwarz von Kopf bis Fuß, sind hereingeko­mmen, sagten, dass er mitkommen müsse. Er zog seinen Wintermant­el an und ging mit den Kolossen weg.“Heilman sieht ihren Großvater nie wieder.

Sie selbst muss mit ihrer Mutter Regina die Familienwo­hnung verlassen, wird in eine Sammelwohn­ung in der Wiener Berggasse gepfercht: „Wir konnten uns ausrechnen, wie viel Zeit noch bleibt, bis wir deportiert werden“, so Heilman.

Dann das Wunder: Kurz vor dem Abtranspor­t versteckt ein Freund der Familie, Reinhold Duschka, die beiden in seiner Werkstatt in der Mollardgas­se 85a. „Er baute uns eine Kiste und legte Matratzen hinein. Wenn jemand kam, haben wir uns darin versteckt“, erinnert sich Heilman an die vier Jahre in der Werkstatt. Als die Werkstatt 1944 zerbombt wird, versteckt Duschka sie in einem Keller:

„Von November 1944 bis

April 1945 saßen wir in diesem Keller. Es war die allerschli­mmste

Zeit. Es war kalt, finster, modrig und

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Reinhold Duschka rettete Heilman. Heilman musste in der Hitlerzeit ihre Schulklass­e verlassen.

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