Endlich richtig gut schlafen
Wie viel Schlaf benötigen wir eigentlich, um fit zu sein? Und was kann man bei Schlafstörungen tun? Im Experten-Interview erfahren Sie mehr über guten Schlaf und die Vorteile des Mittags-Nickerchens.
Herr Kamps, was sind die Voraussetzungen für erholsamen Schlaf?
70 Prozent der Gesamtgesundheit hängt von gutem Schlaf ab. Gut Schlafen wird immer populärer, nicht nur bei Prominenten und Sportlern, sondern in der gesamten Gesellschaft. Am wichtigsten ist zunächst einmal, auf seinen Schlaf zu achten und dadurch den Stellenwert anders zu gewichten. Wer dann noch anfängt, zur richtigen Zeit zu Bett zu gehen und sich nicht aufregt, wenn man mal wach wird, hat schon viel gewonnen. Wer außerdem Routinen beachtet sowie die richtige Ernährung und das Trinkverhalten, ist auf einem guten Weg für erholsamen Schlaf.
Das ist ja eine ganze Menge.
Man sollte auf keinen Fall einem Wahn verfallen und versuchen, eine Liste an Regeln für guten Schlaf abzuarbeiten. Jeder sollte für sich herausfinden, was das Richtige für einen ist. Eine wichtige Sofortmaßnahme ist es: „Zur richtigen Zeit zu Bett zu gehen“.
Wie kann ich herausfinden, wann für mich die optimale Zeit ist, zu Bett zu gehen?
Man sollte versuchen, dann ins Bett zu gehen, wenn die Müdigkeit einsetzt. Die meisten hadern mit sich und warten viel zu lange, weil sie vielleicht noch irgendetwas fertig machen wollen. Wenn man müde ist, hat man wenig Zeit (ca. 20 Minuten), um schlafen zu gehen. Wer zu lange wartet, liegt wach im Bett und wundert sich, warum er nicht schlafen kann, obwohl man gerade müde war.
Dann steigert man sich immer mehr in die Schlaflosigkeit rein und wird in der Regel wacher. Das führt dazu, dass man Geräusche, Gerüche, Wärme und Druck anders wahrnimmt und unruhig wird.
Welche Möglichkeiten gibt es, aus dem Teufelskreis der Schlaflosigkeit auszubrechen?
Wenn man um 22 Uhr müde ist, sollte man bis 22.20 Uhr zu Bett gehen. Schafft man das nicht, dauert es wieder eine Zeit, bis sich das nächste Schlaffenster für einen öffnet. Circa 85-90 Minuten später ist man wieder an dem gleichen Punkt der Müdigkeit angelangt. Wer nicht einschläft, weil er abends nicht abschalten kann, für den gibt es einen guten Trick: Sie müssen mittags schon anfangen, sich zu überlegen, was Sie ärgert, was am nächsten Tag ansteht, etc. Wenn Sie mittags schon alles vorverdauen, dann ist abends weniger übrig, worüber Sie nachdenken müssen. Wenn man das nicht macht, kommen alle Gedanken abends wie Ballons wieder hoch. Es gibt aber auch die Meister der Verdrängung, die die Ballons einfach beiseite schieben. Diese Leute werden meist um 2:00 bis 3:00 wach. Hier sind wir vom Körper und Geist her labiler, die Kälteempfindlichkeit, die Schmerzempfindlichkeit, alles verändert sich und wir sind im Leistungstief. Oft kommt hier mental alles hoch, was nicht verarbeitet wurde. Auch das ist nicht schlimm, weil man immer zwischen 2 und 3.30 Uhr in einer Mini-Depression gefangen ist. Es ist wichtig, sich da nicht reinzusteigern.
Was raten Sie jemandem, der dann wirklich hellwach ist?
Einfach relaxen, denn aufwachen ist normal. Entweder liegen bleiben und abwarten oder kurz aufstehen. Aber nicht zu lange und nicht zu viel Licht machen, dann zeitnah wieder zu Bett gehen, damit dieses wieder eine neue Chance hat. Das Wichtigste ist jedoch, zu wissen, dass Aufwachen gar nicht schlimm ist. Jeder Mensch wird 28- bis 32-mal pro Nacht wach. Das ist jedoch dann meist ohne Erinnerung, da die Bewusstseinsgrenze von 3-4 Minuten nicht überschritten wurde. Das heißt, Sie vergessen einfach wieder, dass Sie kurz wach waren, wenn Sie sich nicht reinsteigern oder länger als 4 Minuten wach sind.
Ist man heute zu wenig körperlich ausgelastet ist, um so zu schlafen, wie es die Natur für einen vorgesehen hat?
Wir werden heute sehr viel geistig gefordert, aber weniger körperlich.
Wer sich physisch verausgabt hat, der ist abends ausgelasteter und schläft auch entspannter ein. Heutzutage gibt es eine große Diskrepanz, denn auf der einen Seite wird Schlaf richtig gehyped – mit Selftracking, Schlaf-Trunks, speziellen Lampen und anderem – aber auf der anderen Seite nehmen die Leute den Schlaf nicht wirklich ernst. Für das Bett wird nichts ausgegeben, da sie denken, dass etwas Billiges ausreicht. Obwohl wir ca. 1/3 des Tages, ca. 3.000 Stunden von 8760 Jahresstunden, schlafen, geben die Leute für eine Tasse Kaffee oder für ein Mittagsmenü oder neue Schuhe mehr aus als hochgerechnet für ihr Bett.
Ist Alkohol eher schlaffördernd – oder das Gegenteil?
Alkohol hat eine versetzte Wirkung, da er von der Leber abgebaut werden muss und das Durchschlafen viel schwieriger wird. Am Anfang hat er eine betäubende Wirkung, das heißt, der erste Schlafblock ist „zerhackt“. Man kommt zwar besser in den Schlaf rein, aber die Qualität und das Durchschlafen werden schlechter. Frauen sollten höchstens 0,2 l Wein trinken, für Männer gilt: maximal 0,3l.
Was halten Sie vom Mittagsschlaf?
Mittagsschlaf ist gut, um seine Akkus aufzutanken, aber nur für Leute, die kein Einschlafproblem haben. Denn wenn die Akkus mittags wieder voll sind, wird es abends schwieriger, in den Schlaf zu kommen.
Wie ist es mit einem Fernseher im Schlafzimmer?
Für alle, die bisher immer auf der Couch eingeschlafen sind, aber dann im Bett nicht mehr einschlafen können, ist es vielleicht doch besser, im Schlafzimmer einen Fernseher zu haben. Aber grundsätzlich ist das Fernsehen im Schlafzimmer nicht ideal.