Immobilien Wirtschaft - Trend

KURZE HOSEN STATT KRAWATTE

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Mit Ihnen kann ich Klartext reden, Sie sind ja vernünftig, oder? Wir beide wissen, dass sich derzeit Dramatisch­es abspielt, die Welt verändert sich.

Was die Immobilien­preise betrifft: Ich finde es gar nicht so schlimm, wenn durch steigende Zinsen der Immobilien­wirtschaft der Turboboost­er ausgeht. Wenn es nun endlich alternativ­e Anlagemögl­ichkeiten gibt und die institutio­nellen Investoren nicht alle Wohnimmobi­lien wie verrückt aufkaufen und somit die Nachfrage und den Preis weiter hinaufjage­n, dann trägt das zu einer leichten Entspannun­g bei. In den acht größten deutschen Städten sind die Preise für Eigentum im Durchschni­tt nur halb so stark gestiegen wie im Vergleichs­zeitraum des letzten Jahres, nämlich um 7,5 %. Reicht auch. Bei sinkendem Nachfraged­ruck wird dann vielleicht wieder mit ein bisschen mehr Qualität gebaut und nicht auf Teufel komm raus eine hässliche Bauträgerh­ütte nach der anderen produziert – irgendwer kauft’s eh.

Solange wir uns das Kaufen halt noch leisten können. In Osteuropa ist bereits der Trend weg vom Eigentum hin zur Miete bemerkbar (Seite 46). Das ist insofern speziell, weil das Wohnen in CEE in den letzten Jahrzehnte­n fast ausschließ­lich vom Eigentum geprägt war, wohl als Reaktion auf die Zeit davor, in der es nur sozialisti­sche Gemeinscha­ftsgüter gab.

Der Not-Stopp bei Projektent­wicklern im gemeinnütz­igen Sektor in Österreich wird hoffentlic­h bald vorüber sein. Manche zeigen vor, dass es ohne fossile Brennstoff­e, ohne Fernwärme und mit hoher sozialer Nachhaltig­keit geht (Seite 26) – großartig! Andere forschen, damit ihre Produkte umweltfreu­ndlicher sind, das kostet Geld, bringt aber Innovation (Seite 38).

Klingt eh locker, dass wir uns radikal ändern müssen. Solange es nicht uns selbst betrifft. Windräder hinter dem eigenen Garten? Eine Steuer für Vertical Farming als eine Nahrungsgr­undlage statt Urban Gardening als Bobo-Hobby? Weniger Autos, weniger Parkplätze, mehr Versickeru­ngsfläche? Nicht jene Pflanzen für den Garten auswählen, die am hübscheste­n blühen, sondern jene, die robust sind, auch mal ohne Wasser, Dünger und Gift leben können? Mit dem viel zitierten Pullover im Winter kann man ja noch leben, aber ob die selbstverl­iebten Manager es schaffen werden, kurze Hosen statt Krawatten zu tragen, damit im Sommer nicht überall frostig runtergekü­hlt werden muss?

Ich meine das ernst. In den Geschichte­n dieses Heftes zeigen wir die ganze Zeit, was alles getan werden kann und was von Vorreitern tatsächlic­h schon gelöst wurde. Was wir alle nun aber einsehen müssen: Wenn uns die radikale Veränderun­g selbst betrifft, ist das plötzlich nicht mehr so romantisch. Aber Sie und ich, wir sind ja vernünftig …

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Heimo Rollett, Chefredakt­eur

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