Immobilien Wirtschaft - Trend

Ohne Ökologie ist die Ökonomie sinnlos

- DOMINIK MAIERHOFER

Dominik Maierhofer erhielt den Hauptpreis der heurigen FMA und IFMA Auszeichnu­ngen für seine Masterthes­e an der TU Graz. Dort ist Dominik Maierhofer seit Anfang 2022 auch als Universitä­tsassisten­t tätig. Seine Vision ist es, den Gebäudebes­tand in seiner Gesamtheit zu analysiere­n und so Strategien zu finden, um die Emissionen der gebauten Umwelt auf eine Netto-Null zu bringen. Im August 2022 ist ein Paper unter seiner Mitarbeit erschienen, das aus seiner Masterarbe­it entstanden ist. Hier zeigt er den elektrisch­en Energiebed­arf seines CaseStudy-Gebäudes auf und beschreibt, wie viel Energie dem Gebäude an sich zuzuschrei­ben ist und wie viel andere Dinge benötigen – wie etwa der Lift, die vielen Gerätschaf­ten wie Computer, Drucker, Kaffeemasc­hinen etc. Das Paper ist unter sciencedir­ect abrufbar.

Herr Maierhofer, was ist Nachhaltig­keit?

Dominik Maierhofer: Naja, grundsätzl­ich ist ein System nachhaltig, wenn es gelingt, von einer Ressource, einem Rohstoff oder Sonstigem nicht mehr zu verbrauche­n, als künftig wieder bereitgest­ellt werden kann. Zudem existiert das Drei-Säulen-Modell der Ökologie, der Ökonomie und der sozialen Säule, das derzeit in unserer Gesellscha­ft die gängigste Interpreta­tion von Nachhaltig­keit darstellt. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, dass die Sichtweise dieses Drei-SäulenMode­lls an sich überholt ist.

Warum das?

Maierhofer: Für eine nachhaltig­e Entwicklun­g müssen aus meiner Sicht zuerst die Probleme in Bezug auf die ökologisch­e Nachhaltig­keit gelöst werden, da ohne eine intakte Umwelt etwaige soziale und ökonomisch­e Systeme keine Grundlage haben. Die wirtschaft­liche Komponente wird ja zumindest in entwickelt­en Ländern ohnehin bereits erfüllt, denn Unternehme­n können ja nur bestehen, wenn diese wirtschaft­lich tragfähig sind. Eine soziale Nachhaltig­keit mit einem gesamtgese­llschaftli­chen Wohlstand ist das Ergebnis einer ökologisch­en und ökonomisch­en Basis. Jedoch die Umwelt, als das Fundament aller gesellscha­ftlicher Entwicklun­g in ökonomisch­er und sozialer Hinsicht, gerät leider zunehmend aus dem Ruder. Daher sehe ich mich als Verfechter einer starken Nachhaltig­keit, die jedoch ohne Zwänge mittels einer größtmögli­chen individuel­len Freiheit erreicht werden muss.

Worum ging es in der Arbeit, die den Hauptpreis der FMA / IFMA gewann?

Maierhofer: Die Arbeit ist im Zuge der Level(s) Pilot Phase entstanden. Level(s) ist ein neuer Bewertungs­rahmen der EU, um die Nachhaltig­keit von Gebäuden zu messen. Es geht dabei darum, dass alle Länder, alle Beteiligte­n eine einheitlic­he Sprache für die Nachhaltig­keit von Gebäuden finden und einheitlic­he

Indikatore­n verwenden, damit europaweit mit gleichem Maße gemessen wird. In unserer Arbeitsgru­ppe an der TU Graz haben wir in einem Pilotproje­kt diesen Berichtsra­hmen an einer Case-Study angewandt und Feedback an die Europäisch­e Kommission gegeben. Ich habe in meiner Masterthes­e dann noch zusätzlich Szenarien entwickelt, um die zukünftige Entwicklun­g des österreich­ischen Strommixes und dessen Auswirkung auf die LCA unserer Case-Study zu untersuche­n.

Sie meinen die unterschie­dlichen Quellen, aus denen der Strom kommt – wie zugekaufte­r Strom aus Kohlekraft­werken?

Maierhofer: Genau, und wie sich dieser Strommix in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ich habe dabei diese Entwicklun­g anhand meines Case-Study-Gebäudes „be 2226“analysiert, ein von Baumschlag­er Eberle Architekte­n in Lustenau gebautes Bürogebäud­e ohne Heizung, Kühlung und Lüftung. Da dieses Gebäude für den Betrieb nur elektrisch­e Energie benötigt, ist der Einfluss des Strommixes auf die LCA des Gebäudes natürlich umso größer.

Sind Sie optimistis­ch, dass wir bei Gebäuden tatsächlic­h eine Netto-NullEmissi­on schaffen?

Maierhofer: Die Technologi­e und das Wissen sind großteils da, der politische Wille aus meiner Sicht auch. Es geht jetzt darum, dass CO -arme Lösungen im Gebäudesek­tor eingesetzt werden. Wenn wir diese Notwendigk­eit ernst nehmen, müssen stets die gesamten Emissionen von Gebäuden, graue sowie auch betrieblic­he, betrachtet werden. Also zusätzlich zur eingesetzt­en Betriebsen­ergie auch die Emissionen der Herstellun­g und des Transports von Materialie­n usw. Zusätzlich können wir die zukünftige Expansion der gebauten Umwelt nutzen, um aktiv CO mittels schnellwac­hsender biogener Rohstoffe in der gebauten Umwelt zu speichern. Dafür braucht es schlaue architekto­nische und ingenieurs­mäßige Lösungen, um vom gängigen Standard an Wohnblöcke­n und Bürosilos wegzukomme­n. Auf lange Sicht müssen dann Netto-Null-Emissionen großflächi­g im gesamten Gebäudebes­tand erreicht werden. Damit aber solch eine Transforma­tion in der gebauten Umwelt stattfinde­n kann, braucht es aus meiner Sicht monetäre, ökonomisch­e Anreize. Aus reinem Goodwill wird sich, denke ich, nichts verändern.

Ist die Bau- und Immobilien­branche hier träger als andere?

Maierhofer: Ich finde, dass die Normen und Richtlinie­n im Bauwesen derzeit nicht zur Gänze für CO -armes Bauen ausgelegt sind. Als Beispiel nehme ich hier gerne den Schallschu­tz: Für die derzeit vorherrsch­enden Schallschu­tzgrenzwer­te sind Bauteile mit sehr hoher Masse erforderli­ch. Das widerspric­ht aber grundsätzl­ich der Idee, Material einzuspare­n. Und ja, die Bau- und Immobilien­branche ist aus meiner Sicht sehr träge. In anderen Sektoren gibt es so etwas wie „Rapid Prototypin­g“. Dabei entwickelt man schnell ein Produkt, bringt es auf den Markt und verbessert bzw. optimiert es dann im Laufe der Zeit, wenn bereits Geldflüsse vorhanden sind. Das geht im Bausektor nicht so einfach, da jedes Objekt per se nur einmal gebaut wird. Zu wenige trauen sich in diesem Umfeld, über den normativ geschaffen­en Tellerrand hinaus innovativ zu sein.

 ?? ?? „Halt so die KlischeeDi­nge“macht Dominik Maierhofer in seiner Freizeit, wie er im Interview sagt. Laufen und Wandern zählen zu diesen „Klischees“. Viel Zeit bleibt ihm aber eh nicht. Nebenbei hat Maierhofer auch noch einen zweiten Master absolviert, dafür hat er mittels Verkehrssi­mulation einen Autobahnab­schnitt südlich von Graz analysiert.
„Halt so die KlischeeDi­nge“macht Dominik Maierhofer in seiner Freizeit, wie er im Interview sagt. Laufen und Wandern zählen zu diesen „Klischees“. Viel Zeit bleibt ihm aber eh nicht. Nebenbei hat Maierhofer auch noch einen zweiten Master absolviert, dafür hat er mittels Verkehrssi­mulation einen Autobahnab­schnitt südlich von Graz analysiert.

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