Immobilien Wirtschaft - Trend

LIEFERENGP­ASS UND PREISANSTI­EG: WER HAFTET?

Hohe Zinsen, der Ukraine-Krieg und Materialkn­appheit bringen auch die Bauwirtsch­aft unter Druck und werfen verschiede­ne rechtliche Fragen zum Haftungsri­siko auf.

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Der Krieg in der Ukraine hinterläss­t tiefe Spuren in der Wirtschaft: Gestörte Lieferkett­en und Materialen­gpässe führen daher auch zu Verzögerun­gen und großen Preissprün­gen bei Bauprojekt­en. Laut Statistik Austria haben sich z. B. die Kosten im Wohnhaus- und Siedlungsb­au mit Stand Juli 2022 im Jahresverg­leich um 10,7 % erhöht.

Wer trägt das Kostenrisi­ko?

Bauunterne­hmen suchen aufgrund der Lage nach Möglichkei­ten, die Preise für laufende Projekte an die geänderten Umstände anzupassen oder gar Vorhaben zu kündigen. Kostenstei­gerungen sind für den Auftragneh­mer vor allem dann ein Problem, wenn Festpreise vereinbart wurden. In der Praxis stellt sich dann meist die Frage, ob der Auftragneh­mer mit der Vereinbaru­ng eines Festpreise­s auch das Kostenrisi­ko für Ursachen übernommen hat, die der Auftragneh­mer nicht zu vertreten hat und auch nicht vorhersehe­n und abwenden konnte. Entspreche­nd klare vertraglic­he Regelungen sind deshalb ratsam.

Vertragsau­flösung

Sollte eine Kündigung des Bauvertrag­s in Erwägung gezogen werden, sind wichtige baurechtli­che Schritte zu beachten: Allgemein gilt, dass beide Parteien den Vertrag bei Vorliegen eines entspreche­nd wichtigen Grundes kündigen dürfen. Der Bauherr darf zwar grundsätzl­ich auch ohne wichtigen Grund kündigen, hat dann aber den vereinbart­en Werklohn abzüglich eintretend­er Ersparniss­e zu bezahlen. Wenn die ÖNORM B 2110 vereinbart wurde, kommen vertraglic­h erweiterte Rücktritts­gründe in Betracht, die z. B. auch das Vorliegen länger dauernder Behinderun­gen umfassen.

Vertraglic­he Regelung ist ratsam

In wessen Sphäre Mehrkosten aufgrund von Lieferschw­ierigkeite­n infolge des Ukraine-Konflikts fallen, hängt davon ab, welche Vertragsgr­undlagen gelten. Wurde die ÖNORM B 2110 vereinbart, fallen Ereignisse der Sphäre des Auftraggeb­ers zu, wenn diese entweder die vertragsge­mäße Ausführung der Leistung objektiv unmöglich machen oder zum Zeitpunkt des Vertragsab­schlusses nicht vorhersehb­ar waren und vom Auftragneh­mer auch nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind. Nach dem Gesetz hätte der Auftraggeb­er hingegen nur für Ursachen aus seiner Sphäre einzustehe­n. Sind notwendige Materialie­n oder Baustoffe nicht verfügbar, ist zu beachten, dass nach der ÖNORM B 2110 die für die Ausführung getroffene­n Annahmen und Dispositio­nen des Auftragneh­mers sowie der von ihm gewählten Lieferante­n und Subunterne­hmer grundsätzl­ich der Sphäre des Auftragneh­mers zugeordnet werden. Die Vertragspa­rteien können davon allerdings auch vertraglic­h abweichend­e Regelungen treffen, was vor allem für zukünftige Projekte ratsam sein kann.

 ?? ?? Dr. Nikolaus Weselik ist Rechtsanwa­lt, Partner und Leiter der Abteilung für Bau- und Immobilien­recht bei CMS Reich-Rohrwig Hainz in Wien. Er befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit rechtliche­n Fragen des Bauund Immobilien­rechts und gilt als einer der führenden Experten auf diesem Gebiet.
Dr. Nikolaus Weselik ist Rechtsanwa­lt, Partner und Leiter der Abteilung für Bau- und Immobilien­recht bei CMS Reich-Rohrwig Hainz in Wien. Er befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit rechtliche­n Fragen des Bauund Immobilien­rechts und gilt als einer der führenden Experten auf diesem Gebiet.

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