Die Amortisationszeit hat sich mit dem aktuellen Preisauftrieb bei der Energie von fünf Jahren auf zweieinhalb Jahre halbiert.
Wärme aus dem Kanal
Für große Immobilienprojekte wird das Ganze ins Kanalnetz ausgelagert. Immerhin 12 bis 20 Grad warm ist Abwasser aus dem Kanal. Das gilt als optimal, um zusammen mit einer Wärmepumpe Raumwärme oder -kühlung zu betreiben. Was es jedenfalls braucht, ist die Nähe zu einem tauglichen Kanalstrang. Hundert Meter bis maximal ein Kilometer Entfernung sei da je nach aus der Immobilie abgerufenen Energieleistung die relevante Distanz. Skepsis der Kanalbetreiber in den Gemeinden hätte die Technologie übrigens bislang ausgebremst. Kläranlagen brauchen nämlich selbst die Wärme, und die verlegten Wärmetauscher wären nur als Störfaktor im System gesehen worden. All das hat man zunächst entkräften müssen, und ein Referenzprojekt mit Wien Kanal soll hier nun bahnbrechend wirken. Für die Bürozentrale von Wien Kanal mit 8.000 m2 Bürofläche wurden 185 Meter Wärmetauscher in den Kanalrohren verlegt. Der Standort Blumental im Bezirk Liesing ist letztes Jahr in Betrieb gegangen, und mittlerweile wird hier der volle Energiebedarf für die Arbeitsplätze der 240 Angestellten mit Abwasserwärme abgedeckt. „Neben den ökologischen Vorteilen sparen wir mit der Energiegewinnung aus Abwasser bis zu 100.000 Euro an Energiekosten“, lässt Wien Kanal bei der Eröffnung wissen. Der Klimastadtrat von Wien, Jürgen Czernohorsky, will Energiepotenziale in Zukunft vermehrt auch aus dem Kanal heben lassen: „Energie aus Abwasser ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt.“Das ungenutzte Potenzial scheint tatsächlich enorm, wenn man bedenkt, dass in Wien beispielsweise 99,8 % aller Haushalte an das städtische Kanalnetz angeschlossen sind. 170.000 Gebäude sind da inkludiert und
eine halbe Milliarde Liter Abwasser fließen derzeit noch wärmetechnisch ungenutzt davon. Eine Leitungslänge von mehr als 2.500 Kilometern steht hier prinzipiell zur Verfügung, und jährlich kommen zehn Kilometer durch neue Kanäle hinzu.
Flusswärme und -kälte
Im Zentrum von Wien-Meidling entsteht derzeit ein Projekt, bei dem die Energie aus dem Kanal schon genutzt wird. Das Projekt „Vio Plaza“wird die vollen sechs Megawatt Kühlleistung sowie die Grundlast für den Wärmebedarf von dort ableiten. Ein Hotel, Wohnungen, Büroflächen, ein Fitness-Zentrum sowie Shops werden hier damit versorgt. Am Standort Wien-Erdberg bedient man sich für die Energienutzung für die Triiiple Towers genauso wie für den benachbarten Austro Tower des Flusswassers aus dem Donaukanal. Als „Flusswasserwerk“bezeichnet man den Wärmetauscher hier, und man freut sich, zugleich von Gaslieferungen und -preisentwicklungen unabhängig zu sein. „Das spart nicht nur Kosten, sondern auch CO -Emissionen, die dem jährlichen 2 Aufkommen einer durchschnittlichen österreichischen Gemeinde mit rund 10.000 Einwohnern entsprechen“, erklärt Matthias Wechner, Geschäftsführer von Adomo, einer Soravia-Tochtergesellschaft. Betont wird, dass die Kosten für die Energie aus dem Donauwasser weder in der Planung noch in der Realisierung höher sein durften als beim Kühlen und Heizen mit konventionellen Systemen. Im Gegenteil, derzeit seien die Energiekosten für die Nutzer sogar geringer als Vergleichspreise mit konventionellen Systemen vor (!) der Energiekrise. Oder anders ausgedrückt: Im Juli dieses Jahres lagen die Kosten 30 % unter den damals aktuellen Arbeitspreisen der Fernwärme Wien.
Energieausgleich im See
Im Schweizer Zug nutzt man gar noch mehr als einen Fluss, man greift gleich auf den See als Fernwärme- und Fernkältelieferant zurück. Hier hat das Versorgungsunternehmen WWZ die Nutzung vom Zugersee für Energiezwecke übernommen. Das „Generationenprojekt“mit dem sprechenden Namen Circulago nutzt Seewasser, um lokale Netze mit Tiefenwärme und -kälte, die aus dem See kommt, zu versorgen. In 400 Metern Entfernung vom Ufer und in 28 Metern Tiefe wird entnommen und rückgeführt. An zehn zentralen Punkten in den Quartieren docken lokale Wärme- oder Kältenetze an, welche in Summe 18 Kilometer Länge erreichen sollen. „Nach Fertigstellung des Großprojekts spart die Region jährlich 25.000 Tonnen CO ein“, heißt 2 es von Betreiberseite, und man verweist auf einen Grad der Erneuerbarkeit der Energie nach Fertigstellung von 70 bis 100 %. Eine Investition von bis zu 250 Mio. Schweizer Franken wird angegeben. Dem Projekt vorangegangen war ein Volksentscheid zum Komplettausstieg aus fossilen Energieträgern. Nach dieser überaus weitsichtigen Entscheidung vor nunmehr elf Jahren kann sich der Verbund heute über eine wachsende Versorgungslage und Vollauslastung freuen.
Für die Bürozentrale von Wien Kanal mit 8.000 m2 Bürofläche wurden 185 Meter Wärmetauscher in den Kanalrohren verlegt.