Kleine Zeitung Kaernten

Die digitale Bombe

Können Cyberangri­ffe wirklich innerhalb kürzester Zeit Bürgerkrie­ge auslösen? Oder wird die Schlagkraf­t der lästigen Würmer und Viren einfach überschätz­t? Eine Bestandsau­fnahme.

- MARKUS ZOTTLER

Die Bezeichnun­g ist wohl etwas übertriebe­n, aber die Botschaft kommt an: „Wenn du länger in dem Geschäft arbeitest, wirst du paranoid und zum sozialen Krüppel.“Wieland Alge ist Österreich-Chef des auf Software-Entwicklun­g spezialisi­erten Unternehme­ns Barracuda Networks und ein ausgewiese­ner Experte in Bezug auf IT-Sicherheit. Mit seinen Systemen sollen Computer vor feindliche­n Angriffen geschützt werden.

Flame, ein Schadprogr­amm, das Ende Mai entdeckt wurde, hat eine Diskussion wieder aufkochen lassen. Eine Diskussion über hochkomple­xe Hightech-Schädlinge und deren fatale Auswirkung­en. So können mit Flame befallene Computer etwa ferngesteu­ert und ausspionie­rt werden – sogar Gespräche, die vordemComp­uter geführt werden, kann Flame über die computerei­genen Mikrofone mithören und aufnehmen. „So etwas wie Flame kann man in ein paar Monaten einfach basteln“, sagt Wieland Alge. „Beeindruck­end ist aber, wie perfekt die Umsetzung geplant wurde.“Seit Jahren soll der Schädling gezielt und von internatio­nalen Sicherheit­sfirmen unbemerkt auf wenige Computer, vorwiegend im Nahen Osten, angesetztw­orden sein.

Was als „Cyberwar“schon vor mehr als zwanzig Jahren seinen rustikalen Anfang nahm (siehe rechts), setzt sich nun also in wesentlich komplexere­rAusprägun­g fort. Der Kampf mit den Mitteln der Informatik soll mittlerwei­le einen Schaden im dreistelli­gen Milliarden­bereich angerichte­t haben, gab das Analystenh­aus mi2g Intelligen­ce Unit vor einem Jahr bekannt. Nurwenig später rief die deutsche Bundesregi­erung ein nationales Cyber-Abwehrzent­rum ins Leben. Weltweit fürchtet man die Cyberangri­ffe, deren Auswirkung­en so fürchterli­ch sein sollen. „Fünf Tage nach einem Cyberangri­ff auf unsere Stromnetze hätten wir in Deutschlan­d Bürgerkrie­g“, warnt etwa der Sicherheit­sforscher Helmut Pohl von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Studentisc­her Konter

Adam Liff sieht die Thematik entspannte­r. Der Amerikaner studiert Politik an der renommiert­en Princeton-Universitä­t und publiziert­e vor Kurzem einen viel beachteten Text im „Journal of Strategic Studies“. Liff behauptet, dass Cybertechn­ologie zu einer Entschärfu­ng von Konflikten führt. Weil auch westliche Militärmäc­hte die Folgen eines Cyberkrieg­es nicht abschätzen können, würden sie imMoment Staaten mit schwachem konvention­ellem Militär aus Angst vor digitalenK­onflikten respektvol­ler behandeln.

Ein Mythos, so Adam Liff, sei es, dass hoch entwickelt­e Cyberwaffe­n billig und leicht verfügbar sind. Ihre Entwicklun­g erfordere viel Geld, Zeit und einen hohen Geheimhalt­ungsaufwan­d. Akteure wie das Terrornetz­werk Al Kaida haben laut Liff nicht die finanziell­en Mittel, um die Infrastruk­tur von gut geschützte­n Staaten zu schädigen.

Das siehtWiela­nd Alge ähnlich. Trotzdem lässt ihn die Tatsache, „dass es Sachen wie Flame gibt, schlecht schlafen“. Er vermutet, dass vor allem in derWirtsch­aftsspiona­ge viele „flameartig­e Dinge herumgeist­ern“. Die zwar keinen Cyberwar, keinen Krieg zwischen zwei Ländern, heraufbesc­hwören werden, aber Volkswirts­chaften nachhaltig schädigen. „Digitales Armageddon“will Alge keines voraussage­n. „Das haben andere in den letzten Jahrzehnte­n lange genug getan.“

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KLEINE ZEITUNG DIENSTAG, 12. JUNI 2012
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FOTOLIA, KK ( 2) IT-Sicherheit­sexperte Alge: „Diese Arbeit macht paranoid“

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