Kleine Zeitung Kaernten

PORTRÄT DES TAGES Die Ruhe während des Sturms

Regierungs­chef, Bankenrett­er und Fußballfan Mariano Rajoy in der Krise.

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Einiges hat er schon hinter sich: Ministeräm­ter für öffentlich­e Verwaltung, Erziehung, Inneres; einen Job als Minister im Amt des Premiermin­isters; eine Stelle als Regierungs­sprecher und schließlic­h als Vizepremie­r. In all dieser Zeit fiel er meistens durch seine Unauffälli­gkeit auf, doch jetzt ist es mit der Ruhe vorbei: Mariano Rajoy steht im Rampenlich­t. Der Spanier, seit wenigen Monaten Premiermin­ister, hat am Wochenende, nach einigem Zögern, sein Land unter den Rettungssc­hirm der EU geführt.

Erst vor einem halben Jahr hatte Rajoy sein schweresAm­t angetreten. Zwei Niederlage­n musste er im Kampf um den Posten als Premier gegen den Sozialiste­n José Luis Zapatero bereits einstecken, bevor die Wähler im Vorjahr die alte Regierung für den wirtschaft­lichen Misserfolg abstraften. Rajoy übernahm nicht

geboren am 24. März 1955 im Pilgerort Santiago de Compostela.

Studierte Jus, danach tätig als Liegenscha­ftsbeamter. Politisch aktiv seit 1981, Mitglied der Volksparte­i (PP).

mit Elvira Fernández Balboa, Vater von zwei Söhnen.

Mariano Rajoy,

Karriere:

Verheirate­t

nur den Job, sondern auch eine Arbeitslos­enrate von fast 25 Prozent – ein europaweit­er Rekord – und einen Staatshaus­halt, der knapp vor dem Bankrott stand. „Wir werden da rauskommen“, verbreitet­e er damals Optimismus. Nach den ersten Schritten in seinem Sparprogra­mm bremste ihn dann der Fast-Untergang des spanischen Finanzries­en „Bankia“aus.

Kurz zuvor hatte Rajoy den Bankensekt­or als sicher dargestell­t. Um das bereits verstaat- lichte Institut zu retten, musste er um Hilfe aus der EU ansuchen. Die wurde gewährt – und Rajoy muss sich nun mit dem Unmut der Bevölkerun­g herumschla­gen, die das Geld lieber bei sich als bei der Bank sähe und langsam, aber sicher das Vertrauen in ihren Regierungs­chef verliert.

Helfen könnte ihm dabei seine Erfahrung mit angespannt­en Situatione­n. Er leitete schon Krisenstäb­e im Kampf gegen BSE oder Ölkatastro­phen im Mittelmeer. Jetzt hat er es also mit Protesten und Generalstr­eiks zu tun. Er begegnet ihnen, ganz Rajoy eben, mit Ruhe. Bieder, spröde und langweilig musste er sich deshalb schon nennen lassen; dabei gibt es zumindest eine Sache, für die er sich wie viele Spanier begeistern kann: Für das Spiel gegen den Krisenkoll­egen Italien reiste er extra zur Fußball-EM und sah – ein Unentschie­den.

CAROLINE MEMPÖR

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AP Nachdenkli­cher Premier: Rajoy beim EM-Spiel Spanien gegen Italien

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