„ Wie viel Europa braucht der Euro?
Nach Athen hat sich kein Euro verirrt. Der Rettungsfonds saniert die Gläubiger. Es findet eine Umverteilung statt – vom Steuerzahler zur Finanzbranche.“
SeitMonatenwird darüber spekuliert, ob der Euro auseinanderbricht, weil die Club-Med-Länder über ihre Verhältnisse gelebt haben.
Mit Rettungsschirmen versuchtdieEUdasVertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen. InWirklichkeit ist diese Entwicklung die Folge davon, dass die Märkte die Politik bestimmen und nicht umgekehrt. Die bis Anfang 2012 bezahlte Milliardenhilfe an Griechenland wurde vor allem dazu verwendet, um griechische Anleihen zum Nennwertzutilgenundfällige Zinszahlungen zu begleichen, damit Banken, Hedgefonds und vermögende Anleger einen goldenen Schnitt machen können. Nach Athen hat sich kein müder Euro verirrt. Der Rettungsfonds saniert die Gläubiger – es findet eineUmverteilung statt: vomSteuerzahler zur Finanzbranche.
Da die europäische Politik trotz der Finanzkrise bis dato keine wirkungsvolle Maßnahme zur Regulierung der Finanzmärkte beschlossen hat, wirdmunter auf den Niedergang einzelner EUStaaten gewettet, weil die Finanzakteurewissen, dasssie nicht dafür haften müssen, wenn die Spekulation fehlschlägt. „Too big to fail“heißt das Zauberwort. Der Staat muss die Finanzindustrie retten, damit nicht das gesamte Geldsystemexplodiert. Die logische Folge ist, dass die Staatsschulden seit 2008 stark gestiegen sind.
Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren und dann durch Sparpakete den Bürgern mitteilen, dass sie den Gürtel enger schnallen müssen, damit jene, die für diese Krise verantwortlich waren, soweitermachen könnenwiebisher– dasistder Weg, auf dem sich Europa derzeit befindet. Dass die Sparpakete die Länder in eine Rezession treiben und sich somit die Katze in den Schwanz beißt, wird in Kauf genommen.
Europa laboriert an zwei Krankheiten: Schuldenberge undWachstumsschwäche. Für beide Systemkiller gibt es Lösungsvorschläge. Schuldentilgungsfonds und Finanztransaktionssteuer: In Anlehnung an das Modell des deutschen Sachverständigenrates sollten sämtliche Schulden der EuroLänder, die die MaastrichtGrenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen, auf einen Schuldentilgungsfonds übertragen werden. Schätzungsweise handelt es sich dabei um einen Betrag von zwei Billionen Euro. Die Refinanzierung kann durch Ausgabe von Eurobonds erfolgen. Die Zinsen würden dreiProzent betragen und nicht, wie derzeit bei denWackelkandidaten, acht Prozent.
Die Rückzahlung der ausgelagerten Schulden des Tilgungsfonds hat durch die Mittel einer Finanztransaktionssteuer zu erfolgen. Sollte dies nicht ausreichen,
1.könnten die Euro-Länder noch eine zeitlich befristete Solidarabgabe auf Kapitaleinkünfte einführen. Diese schränkt den Konsum nicht ein und schadet somit nicht demWachstum. Made in Europe: Der Handel ist die wichtigste Quelle absoluterWohlstandssteigerungen. Um diesen innerhalb von Europa zu intensivieren, muss man die wettbewerbsverzerrenden Folgen der Globalisierung thematisieren. Die massenweise Verlagerung von Produktionsstätten in Billiglohnländer führt nicht nur zu einer Vernichtung ganzer Produktionszweige, sondern auch zu einer Zerstörung der Umwelt. Niedrige Personalkosten erhöhen den Gewinn. Höhere Konzerngewinne gehen zulasten der Arbeitsplätze. Es ist sowohl wettbewerbsverzerrend als auch scheinheilig, wenn man beispielhaft in Europa für einen Betrieb einer Lederfabrik die Einhaltung von strengen Umweltauflagen einfordert, während man Schuhe aus Fernost importiert, die immer öfters mit Chrom gegerbtem Leder verseucht sind.
Jeder Ökonom weiß, dass, wenn die Währungsunion auseinanderfällt, die europäische Idee um Jahrzehnte zurückgeworfen wird. Es droht eine Generation ohne Zukunft. Daher geht es nicht um die Frage, ob Europa den Euro braucht, sondern die Erkenntnis, dass der Euro so viel Europa braucht, dass man die anstehenden Probleme der europäischen Idee auch zum Wohle der Bürger und nicht zum Wohle des Kapitalmarktes lösen kann.
ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Klagenfurt.
2.Johann Neuner