ZEIT IM BUCH Die machtvollen Tücken der Macht
Jeder Mensch strebt nach Macht, der eine mehr, der andere weniger. Der Psychologe Michael Schmitz beleuchtet umfassend die Ursachen und Folgen dieses wahrhaft mächtigen Antriebs.
Wer keine oder wenig Macht hat, könnte versucht sein, sich selbst als frei von Machtstreben zu sehen. Doch Autor Michael Schmitz widerspricht. Sogar Freiheit sei ohne Macht nicht zu haben, schreibt er im Buch über die „Psychologie der Macht“. Denn Macht sei nötig, um Freiheit zu erlangen – umsich „gegen andere durchsetzen, abgrenzen und behaupten zu können“.
Das zunächst einfache Thema wird rasch kompliziert. Um Macht zielgerichtet auszuüben, benötigt man zunächst Klarheit darüber, wer man ist und was man im Leben erreichen will. Fehlt die Orientierung, dann wankt das Machtstreben.
Macht hat außerdem – wie wir wissen – ihrenPreis, und der wird hier aus vielen Blickwinkeln beleuchtet. „Wer hoch aufsteigen will in der Macht, darf keine so starken Bedürfnisse nach sozialen Bindungen haben“, schreibt Schmitz. „Sie würden nur daran hindern, aus Rücksicht auf andere Interessen, die Macht zielgerichtet auszuüben.“
Macht Macht also rücksichtslos? Eher ja, sagt Schmitz. Wo Macht sei, dort begegne man jedenfalls auch der Korruption. Mächtige „halten ihre Mitmenschen für weniger bedeutsam, ignorieren daher umso leichter deren Bedürfnisse, Interessen, Wünsche, Meinungen und Ideen“. Trotzdem seien Mächtige immer in Gesellschaft – in jener von Karrieristen, Schmeichlern und Opportunisten.
Dieser Befund über Deformationen der Macht endet im Plädoyer für Begrenzung und Kontrolle von Macht. Durchexerziert wird diese These an vielen Detailbeobachtungen. Unternehmer etwa müssten sich irgendwann zwischen „Reichtum und Macht“entscheiden: Wollen sie reich werden, dann brauchen sie Partner und Financiers, was wiederum ihre Macht schmälert. nteressant auch das Kapitel über Medienmacht: Für Journalisten sei „exklusiver Zugang zur Macht“attraktiv, sie seien Mittler, Nutznießer und Zuteiler von Macht, würden aber auch von Mächtigen missbraucht. Schmitz erwähnt sogar die Faymann-ÖBB-Inseratenaffäre als „besonders frivoles Sponsoring“– gewissermaßen Österreichs Beitrag zu diesem Buch.
ERNST SITTINGER
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