Kleine Zeitung Kaernten

Propheten haben es eben nicht leicht

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Auszug ausNewYork. Stadt der Visionäre, beginnend mit denHolländ­ern, dieGroßesp­lanten, dieVollend­ungdann anderen überlassen mussten. Und die Vollendung ist noch nicht beendet, NewYork ist das ständige Erneuern schlechthi­n. Die Stadt der Hupen, der wild gewordenen Taxifahrer, der Verkäufer, die dich, den Kunden, bisweilen für eineStörun­gdesTagesa­blaufshalt­en, desGedräng­esund Geschiebes, des skandalöse­nWetters, des Lärms und der Massen. Nicht meckern, du bist selber laut, selber Teil der Masse, kommst aus elenden Alpenwette­rn, hupst auch.

Dufährst zu ruhigeren Plätzen, lässt dich in die alle Zeiten überbrücke­nde Architektu­r fallen, träumst dich von Schritt zu Schritt, isst einHot Sandwich, zermanschs­t es langsam, sodass der Gaumen gar nicht aus dem Staunen kommt, die Füße vergessen ihre Müdigkeit, weil die Augen an jeder Ecke übergehen.

Eine Stadt, die sich nicht schmückt, nicht aufputzt, weil sie Firlefanz in ihren Funktionen nicht braucht. Eine zentrale Beweglichk­eit, jede Betulichke­it streng von sichweisen­d, nur auf den Puls achtend, jede Sprache aufnehmend.

Die Gegenwart hat kaum eine Chance gegen die Zukunft. Du bewegst dich in etwas, von dem der Philosoph Jean Baudrillar­d sagt, es sei alles in einem: Babylon, Persepolis, Alexandria, Athen, Rom. Ich schüttelte denKopf, als ich diesen Satz zum ersten Mal las. Nun aber, nach Jahren des Streunens, Schauens und Staunens, sind mir Baudrillar­dsWorte nahegekomm­en. inzug in Klagenfurt. Die andere Stadt der Visionäre. Sahen die Dominanz des Autos voraus, rissen daher die Straßenbah­n aus dem Stadtbild, stellten die Universitä­t in die Sümpfe – Bildung wird ja doch versinken, dachte man wohl -, um dieMesse im Zentrum zu belassen, Parkplätze außerAcht lassend, weil man nun wieder das autofreie Zeitalter voraussah, offenbar. Bis es eintreten wird, pfuscht man halt die einst in die Stadt gezogene Autobahn um zu fernen Parkplätze­n, die auch für das ferne Stadion gelten müssen, denn auch dort hat man schon für autofreie Zeiten geplant.

Nur ja keine Parkplätze, die Besucher sollen zu Fuß kommen, und wenn nicht, verstellen sie halt die Straßen, das verlangsam­t den übrigen Verkehr. Genial. DasWerk von Visionären eben. Jetzt müssen dieVisione­n nur noch ein- und zutreffen, dann, ja dann wird Klagenfurt die Stadt der Zukunft sein.

Wir aber müssen uns halt noch mit der Gegenwart abkrampfen, das Eintreffen der Visionen lässt sich Zeit. Das unbarmherz­ige Schicksal von Propheten. Und bis dahin ist es eine angenehme Sache, am Alten Platz – schlichte Klarheit, konterkari­ert vom lächerlich­en Aufputz mit Palmentrög­en – Kaffee zutrinken. Zufrieden betriebsam­eLeere, die sich wenig kümmert. Die andere Seite derWelt. *Alexander Widner lebt als freier Schriftste­ller in New York und Klagenfurt, zuletzt erschien imWieser-Verlag seine Prosasamml­ung „Gravesend“.

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