Kleine Zeitung Kaernten

„Ein sehr trauriger Sieg“

In den Hinterzimm­ern des Nationalra­tswar der gestrige Tag an Dramatik nicht zu überbieten. In allerletzt­er Minute wurde der Anti-korruption­s-ausschuss gerettet. Wermutstro­pfen für Grüne, BZÖ, FPÖ: Sie verzichten auf die Ladung des Kanzlers.

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EMICHAEL JUNGWIRTH va Glawischni­g ist die Erste, die gegen 15 Uhr in einem kurzen Gespräch zwischen Tür und Angel andeutet, dass in den Couloirs des Nationalra­ts im Laufe des Nachmittag­s doch noch ein Wunder passieren könnte.„Wir versuchen es noch einmal“, so die Chefin der Grünen wenig zuversicht­lich, „aber es wird nicht leicht sein, denn meine Leute sind alle auf tausend.“Zu diesem Zeitpunkt würde niemand auch nur einen Cent darauf verwetten, dass der Untersuchu­ngsausschu­ss, der die Sümpfe der Republik trocken legen soll, jemals wieder in die Gänge kommt.

Zur Mittagszei­t hatte Fritz Neugebauer vom hohen Thron des Präsidente­nsessels – zur völligen Verblüffun­g der Opposition, der zahllosen Journalist­en und der auf der Besuchertr­ibüne versammelt­en Augenzeuge­n – verkündet, SPÖ und ÖVP wollen den Ausschuss bereits mit morgigem Freitag endgültig abdrehen. Für wenige Sekunden verschlug es sogar den wortgewand­testen Opposition­sabgeordne­ten die Sprache. BZÖ-Chef Josef Bucher ergriff alsbald das Mikrofon und wetterte gegen den „demokratie­politische­n Putsch“. Neugebauer, der Zweite Nationalra­tspräsiden­t, musste wiederholt zur Glocke greifen, um sich Gehör zu verschaffe­n. Über einen sogenannte­n Fristsetzu­ngsantrag sollte in den frühen Abendstund­en abgestimmt werden, der Ausschuss wäre damit Geschichte gewesen.

Einmaliges Zugeständn­is

Dass der Vorstoß genau in diesem Augenblick erfolgt ist, war eine besondere Chuzpe. Im Lokal 2, einem Nebenzimme­r des Hohen Hauses, hatten sich gerade die Fraktionsc­hefs der drei Opposition­sparteien, Peter Pilz (Grüne), Stefan Petzner (BZÖ) und Walter Rosenkranz (FPÖ), versammelt, um der Koalition ein letztes, verzweifel­tes Angebot zur Rettung des Ausschusse­s zu unterbreit­en: Grüne, Orange und Freiheitli­che zeigten sich bereit, auf die Ladung des Kanzlers zu verzichten – ein wohl einmaliges Zugeständn­is in der jüngeren innenpolit­ischen Geschichte des Landes.

Seit Wochen echauffier­en sich die Opposition – und hinter vorgehalte­ner Hand – auch zahlloseÖV­P-Politiker darüber, dass der Bundeskanz­ler, wie es salopp heißt, „zu feig“sei, den Abgeordnet­en im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Faymann ist die Schlüsselp­erson der sogenannte­n Inseratena­ffäre, gegen den damaligen Verkehrsmi­nister ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Dass die Opposition Faymann opfert, um die parlamenta­rische Aufklärung fortzusetz­en, war ein starkes Stück.

Doch der Rettungsve­rsuch schien zu spät gekommen zu sein. In den Gängen macht das Gerücht die Runde, Faymann und ÖVP-Chef Michael Spindelegg­er hätten sich am Vortag zu später Stunde telefonisc­h darauf verständig­t, dem lästigen

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ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR kleinezeit­ung. at/politskand­al

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