Der Frieden in der Türkei hängt jetzt an Erdogan
Premier hat es in der Hand, was aus den Kurden wird.
Newroz heißt das Frühlingsfest der Kurden, bedeutet „Neuer Tag“und entstammt dem altiranischen Neujahrsfest Nouruz. Während 300 Millionen Menschen zwischen Balkan und Tadschikistan am NouruzTag seit 3000 Jahren den Frühlingsbeginn feiern, ist es bei den Kurden seit Vierteilung Kurdistans nach der Auflösung des Osmanischen Reiches politisch aufgeladen worden. Die Kurden feiern am 21. März den Tag des Widerstandes gegen die Unterdrückung.
Gestern war wieder so ein „Neuer Tag“in der Türkei, doch diesmal scheint es ein echter Frühlingsbeginn zuwerden. Denn zum ersten Mal haben die prokurdische Parlamentspartei BDP und die Regierungspartei AKP von Premier Erdogan das Nouruz-Fest zum „nationalen türkischen Ereignis“gemacht. Und damit es wirklich feierlich wird, hatKurdenführer Öcalan zur Waffenruhe seiner Anhänger aufgerufen. Möglich wurde das, weil auch Erdogan sich von einer militärischen Lösung des Kurdenproblems gelöst hat.
Sollten es Öcalan und Erdogan wirklich ernst meinen, dann ist die Ankündigung eine historische Gelegenheit für die Türkei. Doch viel mehr als an Öcalan hängt dieser Frieden an Erdogan. Er verknüpft mit dem Friedensprozess eine Verfassungsänderung, mit der er nach zehn Jahren als Regierungschef zum allmächtigen Präsidenten aufsteigen könnte. Aus dem Parlaments- soll ein Präsidialsystemwerden. Für den Sprung nimmt er sogar die Autonomie der Kurden in Kauf. Denn die sollen im Gegenzug eine Verfassungsmehrheit schaffen. Die Zeit drängt: 2014 endet die Zeit für Erdogan als Regierungschef – er darf kein viertes Mal als Premier kandidieren. Damit er das Land (als Präsident) weiter umbauen kann, ist er also auf die Kurden angewiesen. Das Pikante daran ist, dass sich damit eine Koalition gebildet hat, die Staatsgründer Kemal Atatürk eigentlich an den Rand drängen wollte. Weder die Kurden noch die Religiösen waren im republikanischen, säkularen Staatskonzept als Machtfaktor vorgesehen. Deshalb laufen die Kemalisten gegen diese Politik auch Sturm.
E rdogan muss gerade dort viel Überzeugungsarbeit leisten, um als Friedensstifter in die Geschichte eingehen zu können. Denn der Preis für ein Scheitern wäre hoch. Es würde einen Bürgerkrieg hervorrufen – droht Öcalan. Zudem würde es eine Allianz aus enttäuschten türkischen Kurden mit den machtvollen Kurden im Irak und in Syrien fördern. Und den Ruf nach einem gemeinsamen Staat erneuern. Zwischen den Polen wird sich Erdogan entscheiden müssen.