Des anderen Blicks
VollerWert
zarten Kreidebildnis präsent: „Das ist keiser Maximilian den hab ich Albrecht Dürer zw Awgspurg hoch oben awff der pfaltz in seinem kleinen stüble künterfett do man erzählt 1518 am mandag noch Johannis tawffer“– also am 28. Juni des genannten Jahres. Der imperialeKopf findet sich im Jahr darauf im berühmten, dem Wiener Kunsthistorischen Museum gehörenden Gemälde wieder. Auch die Hand mit dem Granatapfel, die in der von Andrew Robison klug und mit Liebe zum Detail gehängten Schau zu sehen ist, findet sich im Bildnis auf Lindenholz.
Für den Dürer-KennerRobison ist dennoch klar, „dass der Künstler seine Zeichnungen als vollwertige Kunstwerke betrachtete, nicht nur als Vorarbeiten für die Gemälde“. Nicht zuletzt die fast immer vorhandenen Signaturen ließen diesen Schluss zu. Robison schwärmt von den Leihgaben ausWien. Die rund 120 Exponate (aus einer Sammlung von fast tausend Blättern, dem größten Dürer-Bestand der Welt) seien „das Beste vom Besten“.
Dem ist schwer zu widersprechen. Bis auf den berühmten, mit Reiseverbot belegten „Hasen“sind alle grafischen Dürer-Ikonen versammelt. Neben den bereits erwähnten „Betenden Händen“das Selbstporträt des 13-Jährigen, „Das große Rasenstück“, die „Schlüsselblume“, der „Flügel einer Blauracke“, die berühmten Radierungen („Melencolia I“, „Ritter, Tod und Teufel“, „Der heilige Hieronymus im Gehäus“, „Adam und Eva“).
Die besondere Qualität des deutschen Renaissance-Genies (und der Unterschied zu seinen italienischen Kollegen) ist für Robison „der andere Blick“. Dürer habe „geschaut und nicht konstruiert“. Und wenn er Bilder „mathematisch“angegangen sei, habe er sie durch die Erfahrungen seines Auges korrigiert. Ausgestellte Beweise sind beidseitig bezeichnete Papiere, auf einer Seite die „Berechnung“, auf der anderen der Augenschein.
Von jedenfalls nicht geringerer Faszination sind weniger bekannte Zeichnungen. Etwa ein Bildnis des Bruders Endres, Dürers Frau („Mein Agnes“) oder eine Frauenfigur, die auch nur drapierter Stoff sein könnte.