EU macht Zyperns
Kehrtwende im Überlebenskampf. Eine Zwangsabgabe auf Bankeinlagen kommt, schont aber kleine Sparer. Sondertreffen der Euro-Gruppe.
Hektik pur gestern im zyprischen Parlament. Bis in die frühen Morgenstunden beriet die Volksvertretung den nationalen Beitrag von 5,8 Milliarden Euro, mit dem Zypern die zugesagte Hilfe der Euro-Partner von zehn Milliarden Euro erhalten kann. Spät in der Nacht gab es die ersten Beschlüsse. Für eine endgültige Lösung bleibt nur noch Zeit bis Dienstag. Am Sonntag kommen die Finanzminister der Euro-Gruppe zur nächsten Sondersitzung nach Brüssel. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades wird nach Brüssel reisen. Die Sache ist so wichtig, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy eine Reise nach Japan absagten, um persönlich die Rettungsaktion zu überwachen.
Für die Eigenleistung Zyperns hatte die Regierung zuletzt einen Krisenfonds mit Mitteln der Rentenkassen, der Kirche und von Staatsfirmen vorgeschlagen. Das würde aber die Schulden des Landes wieder erhöhen und nicht senken. Die EuroLänder lehnen den Plan ab.
Deshalb wurde gestern ein neues Paket aus zwei Teilen geschnürt. Den größeren Brocken soll die Aufspaltung der zwei größten Banken des Landes beisteuern. Die guten Teile der Institute sollen fusioniert werden, der Rest in eine „Bad Bank“ausgelagert. Das Gesetz zur Rekapitalisierung der Banken wurde noch in der Nacht auf heute beschlossen.
Der zweite Teil kommt heute dran: Es wird doch eine Zwangsabgabe auf Bankeinlagen geben. Das Parlament hatte so einen Plan noch vorwenigen Tagen zu Fall gebracht. Aber diesmal sollen nur Einlagen von mehr als 100.000 Euro betroffen sein. Die Abgabe könnte nach Medienberichten bis zu 15 Prozent betragen. Dass so die kleinen Sparer verschont bleiben, dürfte den Abgeordneten das Votum heute wahrscheinlich erleichtern.
Kapital unter Kontrolle
Die gestrigen Beschlüsse sind tiefe Eingriffe in den Staat und die Banken. Denn schon vor dem definitiven Votum der Volksvertreter hatte die zyprische Notenbank gemeinsam mit Experten der EU und der Europäischen Zentralbank ein System der Kapitalverkehrskontrollen aufgebaut. Alle größeren Transaktionen werden seither von den EU-Institutionen geprüft und von der Notenbank abgelehnt oder genehmigt. An sich ist der Kapitalverkehr in der EU völlig liberalisiert. Für Fälle wie Zypern gibt es aber Notbestimmungen. Nach Medienberichten soll das Systemin Zypern so funktionieren, dass es eine ungeordnete Kapitalflucht großer Vermögen verhindert. Zahlungen, ohne die eine zyprische Firma pleiteginge, oder solche für den Import von Medikamenten werden aber ermöglicht.
Ergänzt werden die Beschlüsse in Nikosia noch durch eine lange Reihe von Maßnahmen. Das Gesetzespaket deutet daraufhin, dass Ruhe in die EuroZone zurückkehren könnte.
Ehe sich gestern eine Beruhigung der Lage abzeichnete, hatte das Verhalten der zyprischen Führung zahlreiche Irritationen ausgelöst. Das hat sogar die eigenen Banken alarmiert. Die größten Institute drängten die Politiker in öffentlichen Erklärungen zum raschen Handeln. Die Banken wären die Ersten, die es zu spüren bekämen, wenn die EZB ihre Ankündigung wahr macht, ab Montag die Notfinanzierung der zyprischen Banken einzustellen. In einer Stellungnahme heißt es, eine Staatspleite würde auch die privaten Vermögen entwerten. Damit sind die Argumente, die auch Politiker und Experten in Österreich oder Deutschland seit Tagen verwenden, auf der Insel angekommen.