Wie viel müssen Zahnärzte, Lehrer, Arbeiter spenden?
Der Papst fordert Barmherzigkeit. Ist es aber unterlassene Hilfeleistung, nach Venedig zu fahren, statt das Geld zu spenden?
Ein Leser hat einem Philosophen in einer deutschen Zeitung eine schwierige Frage gestellt. Jene Frage, mit der sich bis zum Papst, der gerade an die Barmherzigkeit appellierte, fast jeder beschäftigt: Wie viel er vom Wohlstand abgeben müsste. Er bekomme laufend Spendenaufrufe, verdiene schlecht, aber im Vergleich zu Menschen in Afrika, denen er mit zehn Euro wieder das Sehen ermöglichen könne, sei er reich. Er fragt deshalb, ob es unterlassene Hilfeleistung sei, wenn er sich einen Milchkaffee gönne, statt Kinder vor dem Verhungern zu retten. Der englische PhilosophTedHonderich hat ja eine ähnliche Frage gestellt. Ob es nurUnterlassung oder eine Handlung sei, durch die er sich schuldig mache, wenn er ein Ticket um 1200 Euro nach CARINA KERSCHBAUMER Venedig kaufe, anstatt das Geld den Armen in Afrika zu geben.
Eine klareAntwort hat dieser Leser natürlich nicht bekommen. Sie begrenzte sich auf die Aufforderung, sich dem Elend nicht zu verschließen, aber auch darauf, dass Spenden strukturelle Probleme nicht ändern. Immerhin kann auch die Kirche nicht ihr ganzesVermögen spenden. Eine Antwort wusste auch Jean-Paul Sartre nicht, der nicht auf seinen Milchkaffee verzichtete, aber fragte, wie man Gedichte schreiben könne, wenn Kinder hungern. Alles nachvollziehbare Fragen – wie die Kritik des Autors Hans Magnus Enzensberger an Sartre. Angesichts des Elends, meinte er, seien Kaufhäuser ebenso obszön wie Gedichte und müssten dann auch geschlossen werden. Was kein Kind retten würde. a, das kratzt bei der Frage nach der unterlassenen Hilfeleistung an der Oberfläche dahin. Aber oft ist ja schon die Oberfläche eine Antwort.
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